PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Kein Schauspiel
Montag, 9. März 2015
aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 12/13, 20. März 2015
Gottes Stil zeichnet sich durch »Einfachheit« aus: es ist sinnlos, ihn im »weltlichen Schauspiel« zu suchen. Auch in unserem Leben handelt er stets »in Demut, in der Stille, in den kleinen Dingen«, so Papst Franziskus in der Predigt der heiligen Messe, die er am 9. März in Santa Marta feierte.
Wie es seine Gewohnheit ist, ging der Papst von der Liturgie des Wortes aus, in der in beiden Lesungen »gemeinsames Wort« auftauche: »der Zorn, die Empörung«. Im Lukasevangelium (4,24-30) werde von der Begebenheit erzählt, wie Jesus »nach Nazaret zurückkommt, in die Synagoge geht und zu reden beginnt«. In einem ersten Augenblick »hörten ihm die Leute begeistert und glücklich zu« und staunten über die Worte Jesu: »sie waren zufrieden«. Aber Jesus setze seine Rede fort »und tadelt den mangelnden Glauben seines Volkes; er erinnert daran, dass dieser Glaubensmangel auch historisch belegt« sei, wobei er sich auf die Zeit des Elija bezog (als es »sehr viele Witwen gab«, Gott den Propheten aber »zu einer Witwe in einem heidnischen Land« geschickt habe), sowie auf die Heilung des Aramäers Naaman, die Gegenstand der dem 2. Buch der Könige (5,1-15) entnommenen ersten Lesung war.
So beginne diese Dynamik zwischen den Erwartungen der Menschen und der Antwort Gottes, die im Mittelpunkt der Predigt des Papstes stand. Papst Franziskus erläuterte: Während die Menschen »gerne hörten, was Jesus sagte«, hätten seine Worte jemandem »nicht zugesagt«. Vielleicht »ist irgendein Schwätzer aufgestanden und hat gesagt: Aber über was will uns der hier einen Vortrag halten? Wo hat er studiert, dass er meint, uns diese Dinge sagen zu können? Soll er uns doch seinen Titel zeigen! An welcher Universität hat er studiert? Das ist der Sohn des Zimmermanns, und wir kennen ihn ganz genau!«
So komme es zu Ausbrüchen »von Wut und Gewalt«: im Evangelium stehe, dass »sie Jesus zur Stadt hinaustrieben und ihn an den Abhang des Berges brachten«, um ihn hinabzustürzen. Wie aber komme es, so fragte sich der Papst, dass sich »diese Bewunderung, dieses Staunen in Zorn, in Wut, in Gewalt« verwandelt hätten? Ihm widerfahre genau dasselbe wie dem aramäischen Feldherrn, von dem im 2. Buch der Könige die Rede sei: »Dieser Mann war gläubig, er wusste, dass der Herr ihn heilen würde. Aber als der Prophet sagt: ›Geh und wasch dich‹, entrüstet er sich.« Er hegte ganz andere Erwartungen, so erläuterte der Papst, und zwar dachte er, dass Elischa »herauskommen, vor mich treten, den Namen Jahwes, seines Gottes, anrufen, seine Hand über die kranke Stelle bewegen und so den Aussatz heilen würde… Sind nicht unsere Flüsse schöner als dieser Jordan?« Und daher gehe er weg. Dann aber »brachten ihn seine Freunde zur Raison«, und als er zurückkehrte, sei das Wunder geschehen.
Zwei zeitlich weit auseinander liegende Erfahrungen, die aber ganz ähnlich seien: »Was wollten diese Leute, die aus der Synagoge, und dieser Aramäer?«, so fragte Franziskus. Einerseits »warf Jesus den Leuten in der Synagoge ihren mangelnden Glauben vor«, weshalb das Evangelium betone, dass »Jesus dort, in seiner Heimatstadt, keine Wunder vollbracht hat, weil es am Glauben mangelte«. Naaman seinerseits »hatte den Glauben, aber einen ganz speziellen Glauben «. Auf jeden Fall, so betonte Franziskus, hätten alle dasselbe gewollt: »Sie wollten Theater.«
Aber »es ist nicht der Stil des lieben Gottes, ein Theater aufzuführen: Gott wirkt in der Demut, in der Stille, in den kleinen Dingen«. Es sei kein Zufall, dass der Aramäer »die Nachricht über eine mögliche Heilungschance von einer Sklavin erfährt, von einem Mädchen, das die Dienerin seiner Frau war, von einem demütigen Mädchen«. Der Papst kommentierte: »So handelt der Herr: durch die Demut. Wenn wir die gesamte Heilsgeschichte Revue passieren lassen, dann stellen wir fest, dass der Herr immer so vorgeht, immer, durch die einfachen Dinge.«
Um diesen Gedanken verständlicher zu machen, verwies der Papst auf zahlreiche andere Begebenheiten aus der Bibel. So bemerkte er beispielsweise, »dass in der Schöpfungsgeschichte nicht gesagt wird, dass der Herr zum Zauberstab gegriffen hat«, er habe nicht gesagt: »Machen wir den Menschen«, und da sei der Mensch erschaffen gewesen. Vielmehr habe Gott »ihn ganz einfach aus Lehm geformt«. Und »als er sein Volk aus der Knechtschaft führen wollte, da befreite er es durch den Glauben und das Gottvertrauen eines Menschen, des Mose«. Auf dieselbe Weise habe er, »als er die mächtige Stadt Jericho stürzen wollte, das durch eine Dirne getan«. Und »auch für die Bekehrung der Samariter hat er um die Mitarbeit einer weiteren Sünderin gebeten«.
In Wirklichkeit verwirre der Herr den Menschen immer. Als er »David aussandte, um gegen Goliath zu kämpfen, schien das ein Irrwitz zu sein: der kleine David vor diesem Riesen, der ein Schwert hatte, der viele Waffen hatte, während David nur eine Schleuder und Steine hatte«. Dasselbe sei geschehen, »als er den Sterndeutern sagte, dass der König, der große König geboren sei«. Und was hätten sie gefunden? »Ein Kind in einer Krippe«. So bekräftigte der Bischof von Rom: »Es sind die einfachen Dinge, die Demut Gottes, die den göttlichen Stil charakterisieren: niemals ein spektakuläres Schauspiel.« Im Übrigen, so erläuterte er, sei gerade das »Schauspiel« »eine der drei Versuchungen Jesu in der Wüste«. In der Tat sage Satan zu ihm: »Komm mit mir, lass uns zur Terrasse des Tempels hochsteigen; stürz dich hinab, und alle werden das Schauspiel sehen und an dich glauben.« Der Herr hingegen offenbare sich »in der Einfachheit, in der Demut«.
Daher, so schloss Franziskus, »wird es uns in dieser Fastenzeit guttun, darüber nachzudenken, wie uns der Herr in unserem Leben geholfen hat, wie er uns hat weitermachen lassen, und wir werden entdecken, dass er es immer mit einfachen Dingen getan hat.« Ja, es könnte uns fast so vorkommen, als sei alles »ganz zufällig geschehen «. Denn »der Herr macht die Dinge auf einfache Art und Weise. Er spricht ganz leise zu deinem Herzen.« Es sei in dieser Zeit also nützlich, uns »an die unzähligen Male« in unserem Leben zu erinnern, in denen der Herr mit seiner Gnade zu uns gekommen ist«, und so würden wir verstehen, dass Demut und Einfachheit seinem »Stil« entsprächen. Dies, so erläuterte der Papst, gelte nicht nur im Alltagsleben, sondern auch »bei der Messfeier, bei den Sakramenten«, wo es »schön ist, wenn sich die Demut Gottes offenbart, und nicht etwa ein weltliches Schauspiel«.
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