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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Als Märtyrer 

 Dienstag, 17. Februar 2015

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 9, 27. Februar 2015
 

»Wir feiern diese heilige Messe für unsere 21 koptischen Brüder, denen die Kehle durchgeschnitten wurde, nur weil sie Christen waren«, so Papst Franziskus in der Eucharistiefeier am 17. Februar in der Kapelle des Hauses Santa Marta. Er fügte hinzu: »Beten wir für sie, dass der Herr sie als Märtyrer aufnehme, für ihre Familien, für meinen Bruder Tawadros, der sehr leidet.« Mit dem Patriarchen der orthodoxen koptischen Kirche, Tawadros II., hatte der Papst am Montagnachmittag persönlich gesprochen und ihm seine tiefe Anteilnahme am Schmerz über die barbarische Ermordung durch islamische Fundamentalisten zum Ausdruck gebracht. Er versicherte ihn auch seines Gebetes aus Anlass des Begräbnisses. Zu Beginn der Predigt wiederholte Papst Franziskus die Worte des Eingangsverses: »Sei mir ein schützender Fels, eine feste Burg, die mich rettet.

Denn du bist mein Fels und meine Burg; um deines Namens willen wirst du mich führen und leiten « (Ps 31,3-4). Der Abschnitt aus dem Buch Genesis über die Sintflut (6,5-8; 7,1-5.10) in den liturgischen Texten vom Tag lasse uns »an die Macht der Zerstörung denken, die der Mensch hat: der Mensch ist in der Lage, alles zu zerstören, was Gott gemacht hat«, wenn »er sich mächtiger fühlt als Gott«. Und so könne »Gott gute Dinge schaffen. Aber der Mensch ist in der Lage, sie alle zu zerstören.« In den ersten Kapiteln der Bibel könne man von Anfang an zahlreiche Beispiele dafür finden, führte Franziskus aus. »Zum Beispiel zieht der Mensch die Sintflut wegen seiner Bosheit auf sich: er ist es, der sie ruft!« Außerdem »zieht der Mensch in Sodom und Gomorra wegen seiner Schlechtigkeit das Feuer vom Himmel auf sich«.

Dann »schafft der Mensch die Verwirrung, die Spaltung der Menschheit – Babel, der Turm von Babel – wegen seiner Bosheit«. Das heiße, »dass der Mensch fähig ist zu zerstören. Wir alle sind zum Zerstören fähig.« Das werde im Buch Genesis »durch sehr scharfsichtige Worte bestätigt: ›Der Herr sah, dass auf der Erde die Schlechtigkeit des Menschen zunahm und dass alles Sinnen und Trachten seines Herzens – des menschlichen Herzens – immer nur böse war.‹« Es bedeute nicht, alles negativ zu sehen, unterstrich der Papst, »denn es ist die Wahrheit«. Es gehe so weit, dass »wir fähig sind, auch die Brüderlichkeit zu zerstören«, wie dies die Geschichte »von Kain und Abel auf den ersten Seiten der Bibel « zeige. Ein Vorfall, der die »Brüderlichkeit zerstört und der Anfang der Kriege ist: Eifersucht, Neid, Machtgier, Gier nach noch mehr Macht«. Das scheine negativ zu sein, »aber es ist realistisch«, betonte Franziskus. Im Übrigen reiche es aus, eine beliebige Zeitung in die Hand zu nehmen, um zu sehen, dass »über 90 Prozent der Nachrichten von Zerstörungen berichten: über 90 Prozent! Und das erleben wir jeden Tag!«

Was aber »geschieht im Herzen des Menschen?«, war die grundlegende Frage, die der Papst stellte. »Jesus wies einmal seine Jünger darauf hin, dass das Böse nicht in das Herz des Menschen kommt, weil er Unreines isst, sondern weil dies aus seinem Herzen kommt«: »Aus dem Herzen des Menschen kommen alle Bosheiten«, denn »unser schwaches Herz ist verwundet«. Es gebe »immer diesen Wunsch nach Autonomie«, so dass man sage: »Ich tue, was ich will, und wenn ich das tun will, dann tue ich es auch! Und wenn ich deshalb einen Krieg führen will, dann tue ich es! Und wenn ich deswegen meine Familie zerstören will, tue ich es! Und wenn ich deswegen meinen Nächsten umbringen muss, tue ich es!« Aber gerade dies »sind die alltäglichen Nachrichten«, bemerkte der Papst und wies darauf hin, dass »die Zeitungen keine Nachrichten aus dem Leben von Heiligen bringen«.

Wieder Bezug nehmend auf die zentrale Frage fuhr er fort: »Warum sind wir so?« Die Antwort laute: »Weil wir diese Macht der Zerstörung haben, das ist das Problem!« Und so »sind wir dann in den Kriegen, im Waffenhandel Unternehmer des Todes«. Es gebe »Länder, die dem einen Waffen verkaufen, der Krieg mit dem anderen führt, und dann verkaufen sie auch Waffen an den anderen, weil so der Krieg weitergeht«. Das Problem sei eben diese »Macht der Zerstörung, und das kommt nicht vom Nächsten«, sondern »aus uns«! »Alles Sinnen und Trachten des Herzens war immer nur böse«, wiederholte Franziskus mit den Worten aus dem Buch Genesis und erinnerte daran, dass »wir diesen Samen, diese Möglichkeit in uns tragen«. Aber »wir haben auch den Heiligen Geist, der uns rettet«. Es geht darum zu wählen, ausgehend von den »kleinen Dingen«. »Wenn eine Frau auf den Markt geht und einer anderen begegnet, beginnt sie zu tratschen, schlecht über die Nachbarin zu reden, jener anderen Frau dort: Diese Frau tötet, diese Frau ist böse.« Und das sei sie »auf dem Markt«, aber auch »in der Pfarrei, in den Vereinigungen: wenn es Eifersucht, Neid gibt, dann gehen sie zum Pfarrer und sagen: ›Das geht nicht, das schon, dieser tut das und das‹«. Auch »das ist Bosheit, die Fähigkeit zu zerstören, die wir alle haben«.

Über diesen Aspekt »lässt uns die Kirche heute unmittelbar vor dem Beginn der Fastenzeit nachdenken«. Der Papst lud ein, sich ausgehend von dem Abschnitt aus dem Markusevangelium (8,14-21) nach dem Grund zu fragen. »Im Evangelium tadelt Jesus die Jünger ein wenig, die miteinander stritten: ›Du hättest das Brot mitnehmen sollen. – Nein du!‹« Die Zwölf »diskutierten wie immer, sie stritten miteinander«. Und da sage Jesus ein »schönes Wort« zu ihnen: »Gebt acht, hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und vor dem Sauerteig des Herodes!« Jesus erwähne »einfach das Beispiel zweier Menschen: Herodes ist böse, ein Mörder, und die Pharisäer sind scheinheilig«. Aber der Herr spreche auch vom »›Sauerteig‹ und die Jünger verstanden ihn nicht«.

Tatsache sei, wie Markus berichte, dass die Jünger »über Brot sprachen, dieses Brot, und Jesus ihnen sagt: ›Dieser Sauerteig aber ist gefährlich: das, was wir in uns haben und uns zur Zerstörung verleitet. Gebt acht, hütet euch!‹« Und dann »zeigt Jesus ihnen eine andere Tür: ›Habt ihr ein verstocktes Herz? Erinnert ihr euch nicht daran, wie ich die fünf Brote gebrochen habe, die Tür zum Heil Gottes?« Denn »im Verlauf dieser Diskussion wird niemals etwas Gutes herauskommen, es wird immer Spaltungen, Zerstörungen geben!« »Denkt an das Heil, an das, was Gott auch für uns getan hat, und trefft eine gute Wahl!« Aber die Jünger »verstanden nicht, weil ihr Herz verstockt war aufgrund dieser Leidenschaft, aufgrund dieser Bosheit miteinander zu streiten und zu sehen, wer der Schuldige war, der das Brot vergessen hatte«. Franziskus forderte auf, »diese Botschaft des Herrn ernst zu nehmen« im Bewusstsein, dass »das keine fremdartigen Dinge oder Gedanken eines Marsmenschen sind«, sondern »Dinge, die im Leben Tag für Tag geschehen«. Um das zu überprüfen, reiche es »ganz einfach«, die Zeitung in die Hand zu nehmen.

Der Papst fügte jedoch hinzu: »Der Mensch ist in der Lage, sehr viel Gutes zu tun: Denken wir an Mutter Teresa zum Beispiel, eine Frau unserer Zeit.« Aber auch »wenn wir in der Lage sind, sehr viel Gutes zu tun«, so seien wir ebenso »fähig im Großen und im Kleinen zu zerstören, selbst in der Familie: die Kinder zerstören, indem man sie nicht in Freiheit aufwachsen lässt, ihnen nicht hilft, gut aufzuwachsen« und so in gewisser Weise die Kinder zunichte mache. In Anbetracht der Tatsache, dass »wir diese Macht haben«, sei es für uns »notwendig, beständig nachzudenken: das Gebet, der Austausch untereinander«, um eben »nicht dieser Bosheit zu verfallen, die alles zerstört«.

Und »wir haben die Kraft, dies zu tun«, wie es »Jesus uns in Erinnerung ruft«. So dass »er heute zu uns sagt: ›Erinnert euch, erinnert euch an mich, der ich mein Blut für euch vergossen habe. Erinnert euch an mich, der ich euch gerettet habe. Ich habe euch alle gerettet. Erinnert euch an mich, der ich die Macht habe, euch auf dem Weg des Lebens zu begleiten, nicht auf dem Weg der Bosheit, sondern auf dem Weg der Güte, den anderen Gutes zu tun; nicht auf dem Weg der Zerstörung, sondern auf dem Weg des Aufbauens: eine Familie aufbauen, eine Stadt aufbauen, eine Kultur aufbauen, eine Heimat aufbauen, immer mehr!« Die Gedanken dieser Meditation waren für Franziskus Anlass, den Herrn »vor Beginn der Fastenzeit« um die Gnade zu bitten, »mit seiner Hilfe immer gut den Weg zu wählen und sich nicht von den Versuchungen blenden zu lassen, die uns auf den falschen Weg führen«.

 



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