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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Zwei Identitätsbeschreibungen 

 Dienstag, 10. Februar 2015

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 9, 27. Februar 2015
 

Um unsere wahre Identität zu kennen, dürfen wir keine »stillsitzenden Christen« sein, sondern müssen »den Mut haben, uns stets auf den Weg zu machen, um das Antlitz des Herrn zu suchen«, denn wir sind »das Abbild Gottes«. In der heiligen Messe in Santa Marta kommentierte der Papst am 10. Februar die erste Lesung aus dem Schöpfungsbericht im Buch Genesis (1,20-2,4) und dachte über eine für jeden Menschen grundlegende Frage nach: »Wer bin ich?« Unsere Identität habe ihre Grundlage in der Tatsache, dass die Menschen »nach dem Bild Gottes, ihm ähnlich« erschaffen worden sind.

Aber dann, so Franziskus, sei »die Frage, die wir uns stellen können: Wie erkenne ich das Bild Gottes? Wie kann ich wissen, wie er ist, um zu wissen, wie ich bin? Wo finde ich das Bild Gottes?« Die Antwort sei »sicherlich weder im Computer noch in den Enzyklopädien und auch nicht in den Büchern« zu finden, weil »kein Katalog existiert, in dem es das Bild Gottes gibt«. Es gebe nur eine einzige Art und Weise, »um das Bild Gottes zu finden, das meine Identität ist«, und das sei, sich auf den Weg zu machen: »Wenn wir uns nicht auf den Weg machen, können wir das Antlitz Gottes niemals kennenlernen.« Diese Sehnsucht des Kennens sei auch im Alten Testament zu finden. Der Papst wies darauf hin, dass die Psalmisten »sehr oft sagen: Zeig mir dein Angesicht« und »auch Mose hat es einmal zum Herrn gesagt«. In Wirklichkeit »ist es nicht leicht, denn sich auf den Weg zu machen, bedeutet, viele Sicherheiten, viele Meinungen, wie das Bild Gottes ist, hinter sich zu lassen und es zu suchen «. Mit anderen Worten bedeute es, »zuzulassen, dass Gott, dass das Leben uns auf die Probe stellt«. Es bedeute, »ein Risiko einzugehen«, denn »nur so kann man Kenntnis von Gottes Antlitz, vom Bild Gottes erlangen: indem man sich auf den Weg macht«.

Der Papst verwies auf weitere Stellen aus dem Alten Testament, um daran zu erinnern, dass »das Volk Gottes so gehandelt hat und auch die Propheten«. Zum Beispiel »der große Elija: Nachdem er gesiegt und den Glauben Israels geläutert hat, hört er von der Drohung der Königin. Er hat Angst und weiß nicht, was er tun soll. Er macht sich auf den Weg. Und an einem gewissen Punkt, zieht er es vor zu sterben.« Aber Gott »ruft ihn, gibt ihm zu essen, zu trinken und sagt: Geh weiter!« So »kommt Elija zum Berg und findet dort Gott«.

Sein Weg war »sehr lang, sehr beschwerlich, sehr schwierig«, aber er lehrt uns, dass derjenige, »der sich nicht auf den Weg macht, niemals das Bild Gottes kennenlernen wird, dass er niemals das Angesicht Gottes finden wird«. Das sei eine Lehre für uns alle: »Stillsitzende Christen werden das Antlitz Gottes nicht kennenlernen.« Sie sind so anmaßend zu sagen: »Gott ist so und so…«, aber in Wirklichkeit »kennen sie ihn nicht«. Um sich auf den Weg zu machen sei dagegen »jene Unruhe notwendig, die Gott selbst in unser Herz gelegt hat und die dich vorangehen lässt, um ihn zu suchen«. Dasselbe sei »Ijob widerfahren, der aufgrund seiner Prüfung begonnen habe nachzudenken: Wie ist Gott, dass er dies zulässt?« Auch seine Freunde »haben nach einer langen, mehrtägigen Stille begonnen, mit ihm zu reden, zu diskutieren«. Aber dies war keine Hilfe: »Durch diese Argumente hat Ijob Gott nicht kennengelernt. « Als er sich dagegen »in der Prüfung vom Herrn ansprechen ließ, ist er Gott begegnet«. Gerade von Ijob könne man »jenes Wort hören,  das uns auf dem Weg der Suche nach unserer Identität eine große Hilfe ist: ›Vom Hörensagen nur hatte ich von dir vernommen; aber jetzt hat mein Auge dich geschaut.‹« Das sei der Kern der Frage: »Die Begegnung mit Gott kann nur stattfinden, wenn man sich auf den Weg macht.«

Der Papst fügte hinzu, dass »Ijob sich mit einem Fluch auf den Weg gemacht hat, er hat sogar den Mut gehabt, sein Leben und seine Geschichte zu verfluchen: "›Ausgelöscht sei der Tag, am dem ich geboren bin…‹« In der Tat sei es manchmal so, »das wir auf unserem Lebensweg, keinen Sinn in den Dingen sehen«. Dieselbe Erfahrung habe der Prophet Jeremia gemacht, der »nachdem er vom Herrn betört wurde, sich verwünscht: ›Warum ich?‹« Er wollte »in Ruhe an seinem Platz bleiben, der Herr dagegen wollte ihm sein Antlitz zeigen«.

Das gelte für jeden von uns: »Um unsere Identität zu kennen, das Bild Gottes zu kennen, muss man sich auf den Weg machen«, müsse man »unruhig sein, nicht still und ruhig«. Gerade dies bedeute, »das Antlitz Gottes zu suchen«. Papst Franziskus nahm anschließend Bezug auf den Abschnitt aus dem Markusevangelium (7,1-13), in dem »Jesus Menschen begegnet, die Angst haben, sich auf den Weg zu machen« und die »eine Art Karikatur Gottes« entwerfen. Aber das sei eine »falsche Identitätsbeschreibung«, denn, so erläuterte der Papst, »diese Nicht-Unruhigen, haben die Unruhe des Herzens zum Schweigen gebracht: sie beschreiben Gott mit den Geboten«, aber so »vergessen sie Gott«, um sich schließlich nur noch »an die Überlieferung der Menschen zu halten«. Und wenn »sie unsicher sind, erfinden oder erlassen sie ein weiteres Gebot«. Jesus sage zu den Pharisäern und Schriftgelehrten, dass sie Gebote anhäuften: »So setzt ihr durch eure eigenen Überlieferung Gottes Wort außer Kraft. Und ähnlich handelt ihr in vielen Fällen.« Das sei genau die falsche Identität, die wir haben könnten, ohne uns auf den Weg zu machen, stehenbleibend, ohne die Unruhe des Herzens«.

In diesem Zusammenhang unterstrich der Papst ein »kurioses« Detail. Denn der Herr »lobt sie, aber er tadelt sie dort, wo der wunde Punkt liegt. Er lobt sie: ›Sehr geschickt setzt ihr Gottes Gebot außer Kraft und haltet euch an eure eigene Überlieferung.‹« Aber dann »tadelt er sie dort, wo der stärkste Punkt der Gebote gegenüber dem Nächsten liegt«, denn Jesus erinnere daran, dass Mose gesagt habe: »Ehre deine Vater und deine Mutter!, und: Wer Vater oder Mutter verflucht, soll mit dem Tod bestraft werden.« Und weiter sage Jesus: »Ihr aber lehrt: Es ist erlaubt, dass einer zu seinem Vater oder seiner Mutter sagt: ›Was ich dir schulde – das heißt dich mit Essen, mit Kleidung, mit Geld für Arzneimittel zu versorgen –, ist Korbán, das heißt: eine Opfergabe. Damit hindert ihr ihn daran, noch etwas für Vater oder Mutter zu tun.« Auf diese Weise »waschen sie ihre Hände in Unschuld in Bezug auf das liebevollste, stärkste Gebot, das einzige, mit dem die Verheißung eines Segens verbunden ist«. Und so »sind sie still und beruhigt und machen sich nicht auf den Weg«. Das sei »das Bild, das sie von Gott haben«. In Wirklichkeit handele es sich um eine scheinbaren Weg, das heißt »einen Weg, der nicht weitergeht, einen stillstehenden Weg. Sie sagen sich von ihren Eltern los und halten stattdessen die Gebote der Überlieferung ein, die sie selbst gemacht haben«.

Abschließend fasste der Bischof von Rom seine Überlegungen zu den beiden Texten aus der Liturgie zusammen, indem er sie mit zwei »Identitätskarten« verglich. Die erste sei jene, »die wir alle haben, weil der Herr uns so geschaffen hat« und »die uns sage: Mach dich auf den Weg und du wirst deine Identität kennenlernen, weil du Abbild Gottes bist, du bist Gott ähnlich geschaffen. Mach dich auf den Weg und suche Gott.« Die zweite dagegen versichere uns: »Nein, sei beruhigt: Erfülle all diese Gebote und das ist Gott. Das ist das Antlitz Gottes.« Franziskus bat den Herrn, »allen die Gnade des Mutes zu schenken, uns immer auf den Weg zu machen, um das Antlitz des Herrn zu suchen, jenes Antlitz, das wir eines Tages schauen werden, das wir aber hier auf Erden suchen müssen«.

 


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