PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Die dunkle Nacht des Täufers
Freitag, 6. Februar 2015
aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 8, 20. Februar 2015
Ein Mann, Johannes, und ein Weg: der Weg Jesu, auf den der Täufer hinweist, aber auch unser Weg, den wir im Augenblick der Prüfung alle zu gehen gerufen sind. Papst Franziskus ging in der Predigt vom 6. Februar von der Gestalt des heiligen Johannes aus, »des großen Johannes, nach den Worten Jesu: ›der größte unter den Menschen‹«. Das Markusevangelium (6,14-29) erzählt von Gefängnis und Martyrium dieses Mannes, »der seiner Sendung treu war, der so viele Versuchungen erlitt« und
der »niemals seine Berufung verraten hat«. Ein Mann »der Treue und großer Autorität, geachtet von allen: der Große jener Zeit«. Papst Franziskus unterzog die Gestalt des heiligen Johannes einer genaueren Analyse: »Die Worte aus seinem Mund waren richtig. Sein Herz war gerecht.« Er sei so groß gewesen, dass »Jesus über ihn auch sagte, dass er Elija sei, gekommen um alles wiederherzustellen, um den Weg zu bereiten«.
Und Johannes »war sich bewusst, dass es seine Aufgabe war anzukünden, die Nähe des Messias anzukünden. Er war sich bewusst, dass er selbst nur die Stimme und dass das Wort ein anderes war, wie es des heilige Augustinus ausdrückt. « Auch als er »versucht war, diese Wahrheit ›zu rauben‹, blieb er gerecht: ›Ich bin es nicht, nach mir kommt einer, aber ich bin es nicht: ich bin der Knecht, ich bin der Diener, ich bin derjenige, der die Türen öffnet, damit er kommt«. Weiter bezog sich der Papst auf den Begriff des Weges, denn: »Johannes ist der Vorläufer: Vorläufer nicht nur des Eintritts des Herrn in das öffentliche Wirken, sondern des ganzen Lebens des Herrn«. Der Täufer »geht auf dem Weg des Herrn voran. Er gibt nicht nur Zeugnis vom Herrn, indem er auf ihn zeigt –›Er ist es!‹ –, sondern er trägt auch das Leben bis zum Ende, wie der Herr es getragen hat.« Und da sein Leben »mit dem Martyrium « endet, war er »Vorläufer des Lebens und des Todes Jesu Christi«.
Franziskus dachte weiter über diese parallelen Wege nach, auf denen »der Große sehr viele Prüfungen erleidet und klein wird, klein, ganz klein bis hin zur Verachtung«. Wie Jesus »erniedrigt Johannes sich, er kennt den Weg der Erniedrigung. Johannes sagt den Menschen mit all seiner Autorität – denken wir an sein Leben und vergleichen es mit dem Leben Jesu –, wer Jesus ist, wie sein Leben sein wird: ›Er muss wachsen, ich aber muss kleiner werden.‹« Der Papst unterstrich, dass dies der Weg des Johannes sei: »Vor Christus klein werden, damit Christus wächst.« Das sei »das Leben des Dieners, der Raum schafft, der den Weg bereitet, damit der Herr kommt«.
Das Leben des heiligen Johannes »war nicht leicht«. Denn »als Jesus sein öffentliches Wirken begann«, habe Johannes »den Essenern nahegestanden, das heißt denen, die die Gesetze befolgten, aber auch die Gebete, die Bußübungen«. In seiner Zeit im Gefängnis habe er daher »die Prüfung des Dunkels erlitten, die Prüfung der Nacht in seiner Seele«. Und jene Szene, so Franziskus in seinem Kommentar, »macht betroffen: der Große, der Größte sendet zwei Jünger zu Jesus, damit sie ihm eine Frage stellen. ›Johannes lässt fragen: Bist du der, der kommen soll, oder habe ich mich geirrt und wir müssen auf einen anderen warten?‹« Auf dem Weg des Johannes zeige sich »das Dunkel des Irrtums, das Dunkel eines im Irrtum vergeudeten Lebens. Und das war ein Kreuz für ihn.«
Auf die Frage des Johannes antworte Jesus mit den Worten des Propheten Jesaja. Der Täufer »versteht, aber sein Herz bleibt im Dunkel«. Dennoch folgte er der Aufforderung des Königs, »der ihm gerne zuhörte und doch ein ehebrecherisches Leben weiterführen wollte«, und »wurde fast zu einem Hofprediger dieses ratlosen Königs «. Aber »er demütigte sich«, denn er »dachte, diesen Mann zu bekehren«. »Nach dieser Läuterung, nach diesem beständigen Herabsinken in die Erniedrigung und der Erniedrigung Jesu den Weg bereitend, endet sein Leben.« Und der ratlose König »wird fähig, eine Entscheidung zu treffen, aber nicht weil sein Herz bekehrt worden ist«, sondern vielmehr »weil der Wein ihm Mut verleiht«. Und so beendet Johannes sein Leben »unter der Herrschaft eines mittelmäßigen, betrunkenen und korrupten Königs, wegen der Laune einer Tänzerin und wegen des rachsüchtigen Hasses einer Ehebrecherin«. So »endet der Große, der Größte unter den Menschen«, kommentierte Franziskus und fügte hinzu: »Wenn ich diesen Abschnitt lese, dann macht er mich betroffen.«
Und er schloss einen Gedanken an, der für das geistliche Leben jedes Christen nützlich ist: »Ich denke an zweierlei: Erstens denke ich an unsere Märtyrer, an die Märtyrer unserer Tage, jene Männer, Frauen, Kinder, die verfolgt, gehasst werden, die aus ihren Häusern vertrieben, gefoltert, niedergemetzelt werden.« Und dies, so unterstrich er, »ist nicht etwas, das der Vergangenheit angehört: Es geschieht heute. Unsere Märtyrer, die ihr Leben unter der korrupten Macht jener beenden, die Jesus Christus hassen.« Deshalb »wird es uns gut tun, an unsere Märtyrer zu denken. Heute denken wir an Paul Miki, aber das ist im 16. Jahrhundert passiert. Denken wir an die Märtyrer von heute, 2015.« Darüber hinaus, so der Papst, veranlasse ihn dieses Evangelium auch dazu, über sich selbst nachzudenken. »Auch ich habe ein Ende. Es wird mit uns allen zu Ende gehen. Niemand hat ein ›gekauftes‹ Leben. Auch wir gehen den Weg der Auslöschung der irdischen Existenz, ob wir es wollen oder nicht.« Und das, so Franziskus, dränge ihn »zu beten, dass diese Erniedrigung eine möglichst große Ähnlichkeit mit der Erniedrigung Jesu habe«.
So schloss sich der Kreis der Meditation des Papstes: »Johannes, der Große, der immer kleiner wird bis hin zum Nichts. Die Märtyrer, die heute klein werden, in unserer Kirche heute, bis hin zum Nichts. Und wir selbst, die wir auf diesem Weg sind und auf die Erde zugehen, in der wir alle enden.« So betete der Papst abschließend: »Möge der Herr uns erleuchten und uns diesen Weg des Johannes verstehen lassen, Vorläufer des Weges Jesu. Und den Weg Jesu, der uns lehrt, wie unser Weg aussehen muss.«
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