PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Privatisiertes Heil
Donnerstag, 29. Januar 2015
aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 7, 13. Februar 2015
Gott rettet uns ganz »persönlich«, er rettet uns mit »Vor- und Zuname«, aber immer eingefügt in ein »Volk«. In der heiligen Messe am 29. Januar in Santa Marta warnte Papst Franziskus vor einer »Privatisierung des Heils«: »Es gibt Formen, es gibt Verhaltensweisen, die falsch sind, und falsche Beispiele, wie man ein christliches Leben führt.« Bei der Auslegung der Tageslesung aus dem Hebräerbrief (10,19-25) unterstrich der Papst, dass es wahr sei, dass Jesus einen »neuen und lebendigen Weg erschlossen« habe und dass »wir ihm folgen müssen«. Genauso wahr sei es aber, dass wir »ihm folgen müssen, wie der Herr es will, in der Form, die er will«. Und ein falsches Beispiel sei genau das Beispiel derer, die dazu neigen, »das Heil zu privatisieren«.
Denn, so erläuterte Franziskus: »Jesus hat uns alle gerettet, aber nicht auf allgemeine Weise. Alle, jeden, mit Vor- und Zunamen. Und das ist das persönliche Heil.« Jeder von uns könne sagen »für mich«, denn »der Herr hat auf mich geblickt, er hat sein Leben für mich hingegeben, er hat diese Tür für mich geöffnet, diesen neuen Weg für mich erschlossen«. Es bestehe allerdings »die Gefahr, zu vergessen, dass er uns als Einzelne gerettet hat, aber als Teil eines Volkes«, denn »der Herr rettet immer innerhalb eines Volkes«. Als der Herr »Abraham beruft, verheißt er ihm, dass er ein großes Volk werden wird«. Aus diesem Grund stehe im Hebräerbrief: »Lasst uns aufeinander achten.« Der Papst unterstrich: Wenn ich das Heil als »Heil allein für mich« interpretiere, »dann bin ich auf dem falschen Weg: die Privatisierung des Heils ist ein falscher Weg«.
Was aber »sind die Kriterien, um das Heil nicht zu privatisieren?« Diese seien im Abschnitt aus dem Hebräerbrief zu finden: »Zuallererst das Kriterium des Glaubens«, erklärte der Papst. »Der Glaube an Jesus reinigt uns«, und so »treten wir mit aufrichtigem Herzen und in voller Gewissheit des Glaubens hinzu, die Herzen gereinigt vom schlechten Gewissen«. Das erste Kriterium sei also »das Zeichen des Glaubens, der Weg des Glaubens«. Dann gebe es ein weiteres Kriterium, das in »einer heute sehr vergessenen Tugend« bestehe: »der Hoffnung«. In der Tat müssten wir »am unwandelbaren Bekenntnis unserer Hoffnung festhalten«, die wie eine Magd ist: sie bringt uns voran, sie lässt uns auf die Verheißungen blicken und vorangehen«. Schließlich sei ein drittes Kriterium das der Liebe: Wir müssten prüfen, ob »wir aufeinander achten, um uns zur Liebe und zu guten Taten anzuspornen«.
Ein konkretes Beispiel, so sagte der Papst, könne dem Leben in einer Pfarrgemeinde oder in einer Gemeinschaft entlehnt werden: wenn »ich dort bin, dann kann ich das Heil privatisieren« und »dort nur ein bisschen in Gemeinschaft sein.« Um dieses Risiko zu vermeiden, »muss ich mir selbst die Frage stellen, ob ich spreche, ob ich den Glauben verbreite; ob ich von der Hoffnung spreche, sie verkündige; ob ich von der Liebe spreche, sie ausübe und vermittle«. Denn »wenn man in einer Gemeinschaft nicht spricht, sich nicht gegenseitig in diesen drei Tugenden ermutigt, dann haben die Mitglieder dieser Gemeinschaft den Glauben privatisiert«.
Der Irrtum liege darin, dass »jeder nur sein eigenes Heil sucht, nicht das Heil aller, das Heil des Volkes«. Jesus aber »hat jeden einzelnen gerettet, aber in einem Volk, in einer Kirche«. An diesem Punkt geschehe es, dass »du gerettet bist, aber nicht so, wie der Herr dich gerettet hat«. Der Verfasser des Hebräerbriefes gebe uns in diesem Zusammenhang »einen äußerst wichtigen Rat: Lasst uns nicht unseren Zusammenkünften fernbleiben«. Ein »praktischer« Ratschlag, den der Papst ausführlicher erläuterte: es komme in der Tat vor, dass wir, »wenn wir in einer Versammlung sind – in der Gemeinde, in der Gruppe – und über andere urteilen«, indem wir sagten: »Das sagt mir nicht zu… ich komme, weil ich teilnehmen muss, aber es sagt mir nicht zu…«, schließlich »fernbleiben«. Es trete »also eine Art von Verachtung den anderen gegenüber« zutage. »Und das ist nicht die Tür, der neue und lebendige Weg, die der Herr geöffnet und eingeführt hat«.
Das sei bereits schon in den ersten Lebensjahren der Kirche geschehen. Paulus zum Beispiel »tadelte diejenigen, die zu den Zusammenkünften gehen, um die Eucharistie auszugeben und sich trotzdem ihr Essen mitbringen, aber unter sich, und die anderen sich selbst überlassen. Sie verachten die anderen; sie kehren der totalen Gemeinschaft den Rücken; sie kehren dem Gottesvolk den Rücken«. Sie hätten praktisch »das Heil privatisiert«, indem sie dächten: »das Heil ist für mich und mein kleines Grüppchen da, nicht aber für das gesamte Gottesvolk«.
Das, so erinnerte der Papst, »ist ein sehr großer Fehler. Es ist das, was wir als die kirchlichen Eliten bezeichnen und betrachten«. Das geschehe dann, wenn »sich innerhalb des Gottesvolkes diese Gruppierungen bilden«, die »sich für gute Christen halten« und vielleicht auch »guten Willen haben, aber Gruppierungen sind, die das Heil privatisiert haben«. Daher, so fasste Franziskus zusammen, lauteten die Kriterien dafür, zu erkennen, »ob ich in meiner Gemeinde, in meiner Gruppe, in meiner Familie bin, ob ich ein wahrer Sohn der Kirche, ein Sohn Gottes bin, der von Jesus in seinem Volk gerettet wurde: ob ich über den Glauben spreche, ob ich über die Hoffnung spreche, ob ich über die Liebe spreche«. Aber Vorsicht: »wenn man in einer Gruppe über viele Dinge spricht und sich nicht gegenseitig stärkt, dann tut man keine guten Werke, dann verlässt man schließlich die große Gruppe, um kleine elitäre Grüppchen zu bilden«. Gott hingegen »rettet uns in einem Volk, nicht in Eliten, die wir mit unseren Philosophien oder unserer Art, den Glauben zu verstehen, geschaffen haben«.
Wir sollten uns daher fragen: »Neige ich dazu, das Heil für mich, für mein Grüppchen, für meine Elite zu privatisieren, oder bin ich jemand, der dem Volk Gottes nicht fernbleibt, sich nicht vom Volk Gottes entfernt und stets in der Gemeinschaft, in der Familie bleibt, mit der Sprache des Glaubens, der Hoffnung und der Sprache der Werke der Barmherzigkeit?« Der Papst schloss mit dem Wunsch, »dass der Herr uns die Gnade schenken möge, uns immer als Gottesvolk zu fühlen, in dem jeder persönlich gerettet ist«. Denn es sei wahr, dass »er uns mit Vor- und Zuname rettet, aber »in einem Volk, nicht in einem Grüppchen, das ich für mich selbst schaffe«.
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