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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Die rettende Demut

 Dienstag, 16. Dezember 2014

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 1/2, 9. Januar 2015

 

Ein »reuiges Herz«, das die eigenen Sünden zu erkennen vermag, ist die grundlegende Voraussetzung dafür, den »Weg des Heils« einschlagen zu können. Dann flößt uns das »Gericht« des Herrn keine Angst ein, sondern es schenkt »Hoffnung «. Und die beiden Lesungen zum Tage, auf denen die Reflexionen von Papst Franziskus bei der Messe von Dienstag, 16. Dezember, in Santa Marta beruhten, entsprächen genau der »Struktur eines Urteils«. Die erste, dem Buch des Propheten Zefanja (3,1-2.9-13) entnommene Lesung beginne sogar »mit drohenden Worten: ›Weh der trotzigen, der schmutzigen Stadt‹. Hier erklinge bereits das Urteil: »Weh der gewalttätigen Stadt«, der Stadt, die »nicht hören will und sich keine Warnung zu Herzen nimmt. Sie verlässt sich nicht auf den Herrn und sucht nicht die Nähe ihres Gottes.« Über sie werde ein »Urteil« gefällt, das in dem Begriff »Weh!« zum Ausdruck komme.

Für die anderen Menschen ergehe dagegen eine Verheißung: »Dann werde ich die Lippen der Völker verwandeln in reine Lippen«, so schreibe der Prophet. Und er fahre fort: »Von jenseits der Ströme von Kusch bringen mir meine Verehrer dann als Gabe die Gemeinde meiner Verstreuten. An jenem Tag brauchst du dich nicht mehr zu schämen, wegen all deiner schändlichen Taten, die du gegen mich verübt hast.« Worüber rede Zefanja? Über die, so erläuterte der Papst, die sich »dem Herrn« nähern, »weil ihnen der Herr vergeben hat.« Das seien die »Erlösten «; die anderen hingegen seien »die trotzige Stadt, sie will nicht hören und nimmt sich keine Warnung zu Herzen. Sie verlässt sich nicht auf den Herrn.«

Denen, die bereuen, die es fertiggebracht hätten, einzugestehen: »Ja, wir sind Sünder«, so betonte Franziskus, vergebe der Herr, und er habe »dieses Wort« an sie gerichtet, »das eines jener Worte des Alten Testaments ist, die voller Hoffnung sind: ›Ich lasse in deiner Mitte übrig ein demütiges und armes Volk, das seine Zuflucht sucht beim Namen des Herrn.‹« Man könne hier »die drei Eigenschaften des Volks Gottes« erkennen: Demut, Armut und Gottvertrauen. Und gerade dies sei »der Weg zum Heil«. Die anderen Menschen dagegen »wollen nicht hören und nehmen sich keine Warnung zu Herzen. Sie verlassen sich nicht auf den Herrn«, deshalb »kann ihnen das Heil nicht zuteil werden «: sie hätten sich »vor dem Heil verschlossen«.

Dasselbe, so präzisierte der Papst, geschehe auch heute: »Wenn wir das demütige heilige Volk Gottes sehen, dessen Reichtum im Glauben an den Herrn besteht, im Vertrauen auf den Herrn; ein demütiges und armes Volk, das seine Zuflucht sucht beim Namen des Herrn«, dann begegnen wir den »Erlösten«, denn »das ist der Weg«, den die Kirche beschreiten müsse. Einer vergleichbaren Dynamik begegne man im Tagesevangelium (Mt 21, 28-32), wo Jesus »den Hohenpriestern, den Ältesten des Volks«, dieser ganzen »›Seilschaft‹ von Leuten, die ihn bekriegten«, ein »Urteil« präsentiere, über das sie nachdenken sollten. Er lege ihnen den Fall der beiden Söhne vor, die der Vater dazu aufgefordert habe, in den Weinberg zu gehen und zu arbeiten. Der eine habe geantwortet: »Ich gehe nicht aufs Feld. Ich will nicht«. Später sei er aber doch gegangen. Der andere dagegen habe gesagt: »Ja, Herr«, habe dann aber bei sich gedacht: »Der Alte hat keine Kraft mehr, ich tue das, was ich will, er kann mich nicht bestrafen.« Und folglich »ging er nicht, er gehorchte nicht.«

Jesus habe seine Gesprächspartner gefragt: »Wer von den beiden hat den Willen seines Vaters erfüllt? Der erste, der ›Nein!‹ gesagt hatte«, dieser »junge Aufmüpfige«, der dann »an seinen Vater gedacht hat« und beschlossen habe, zu gehorchen, oder der zweite? An diesem Punkt wird das Urteil gefällt: »Amen, das sage ich euch: Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr.« Sie »werden die ersten sein.« Und er habe auch erläutert, aus welchem Grund: »Denn Johannes ist gekommen, um euch den Weg der Gerechtigkeit zu zeigen, und ihr habt ihm nicht geglaubt. Ihr habt Johannes nicht zugehört: Die Taufe der Buße… Aber die Zöllner und die Dirnen haben ihm geglaubt. Ihr habt es gesehen, und doch habt ihr nicht bereut und ihm nicht geglaubt.«

Was »haben diese Leute getan«, um ein derartiges Urteil zu verdienen? »Sie haben die Stimme des Herrn nicht gehört«, so erläuterte der Papst, »sie haben den Tadel nicht akzeptiert, sie haben dem Herrn nicht vertraut.« Jemand könne einwenden: »Aber Vater, es ist schockierend, dass Jesus das sagt, dass die Zöllner, die Vaterlandsverräter sind, weil sie das Geld einnehmen, um den Römern die Steuern zu einzutreiben«, dass ausgerechnet diese Leute »vorher ins Himmelreich kommen«. Und dasselbe geschehe mit »den Dirnen, die gefallene Mädchen sind«? Daraus ziehe man die Schlussfolgerung: »Herr, bist du verrückt geworden? Wir sind lautere Leute, wir sind katholisch, wir gehen jeden Tag zur Kommunion, wir gehen zur Messe«. Und gleichwohl, so betonte Franziskus, seien gerade sie diejenigen, »die als erste in den Himmel kommen, wenn dein Herz kein reuiges Herz ist.« Und »wenn du nicht auf den Herrn hörst, wenn du seinen Tadel nicht annimmst und ihm nicht vertraust, dann ist dein Herz nicht reuig.«

Der Herr, so fuhr der Papst fort, »will« diese »Heuchler« nicht, »die sich schockiert zeigten« über das, was »Jesus über die Zöllner und die Dirnen sagte, die sie aber heimlich aufsuchten, sei es nun, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen, oder um Geschäfte zu machen.« Sie hielten sich für »rein«, in Wirklichkeit aber »will der Herr sie nicht.« Dieses Urteil, über das »uns die heutige Liturgie nachdenken lässt«, sei gleichwohl »ein Urteil, das uns Hoffnung schenkt, wenn wir auf unsere Sünden schauen.« Tatsächlich seien wir alle »Sünder«. Jeder von uns kenne sehr wohl die »Liste der eigenen Sünden«, so erläuterte Franziskus, »aber er kann sagen: Herr, ich bringe dir meine Sünden dar, sie sind das einzige, was wir dir anzubieten haben.«

Um das verständlicher zu machen, erinnerte der Papst an das »Leben eines Heiligen, der sehr großzügig war« und alles dem Herrn angeboten habe: »Der Herr verlangte etwas von ihm, und er tat es.« Er habe stets auf ihn gehört und immer seinen Willen getan. Und trotzdem habe der Herr einmal zu ihm gesagt: »Es gibt etwas, das du mir noch nicht gegeben hast.« Und er, »der sehr gut war«, habe erwidert: »Aber Herr, was habe ich dir noch nicht gegeben? Ich habe dir mein Leben geweiht, ich arbeite für die Armen, ich arbeite für die Katechese, ich arbeite hier, ich arbeite da…« Als Antwort habe ihm der Herr zugesetzt: »Etwas hast du mir noch nicht gegeben.« Aber »was denn, Herr?«, so habe der Heilige wiederholt. »Deine Sünden«, so habe der Herr geschlossen. Das ist die Lektion, der der Papst Nachdruck verleihen wollte: »Wenn wir soweit sind, dass wir zum Herrn sagen können: ›Herr, das hier sind meine Sünden, nicht die von diesem oder jenem… Es sind die meinen. Nimm sie du. Dadurch werde ich erlöst«, dann »werden wir dieses schöne Volk sein, dieses demütige und arme Volk, das seine Zuflucht sucht im Namen des Herrn.«

 

 


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