PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Depression oder Hoffnung?
Donnerstag, 27. November 2014
aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 50, 12. Dezember 2014
Franziskus lud zur »Hoffnung« ein und dazu, sich von einer Wirklichkeit aus »Krieg und Leid« nicht entmutigen oder erschrecken zu lassen. Er erinnerte daran, dass die großen Bauwerke, bei deren Errichtung man ohne Gott auskommen zu können meine, zum Einsturz verurteilt seien: So sei es dem »bösen Babylon« ergangen, das wegen der Verderbtheit der geistlichen Weltlichkeit zu Fall gekommen sei. Und dasselbe Schicksal habe das »unaufmerksame Jerusalem« ereilt: es sei zu Fall gekommen, weil es sich selbst »genügen« zu können glaubte und außerstande gewesen sei, die Besuche des Herrn zu bemerken. So sei die angemessene Haltung des Christen stets »die Hoffnung« und niemals »die Depression«, so der Papst in der heiligen Messe am 27. November. Er widmete sie Unserer Lieben Frau von der Wundertätigen Medaille, die von den Barmherzigen Schwestern des heiligen Vinzenz von Paul sehr verehrt wird, der Ordenskongregation, die im Haus Santa Marta Dienst verrichtet.
»In diesen letzten Tagen des Kirchenjahres«, bemerkte Franziskus gleich zu Beginn, »will uns die Kirche anregen, über das Ende nachzudenken, über das Ende der Zeiten, über das Ende der Welt.« Und »sie tut das mit verschiedenen Bildern, mit unterschiedlichen Themen: morgen ist das Thema der Zeichen der Zeit an der Reihe.« Aber, so fuhr er fort, »sie lenkt unsere Aufmerksamkeit stets auf das Ende: der Schein dieser Welt wird vergehen und es wird eine neue Erde und einen neuen Himmel geben; dies aber wird vergehen, es wird verwandelt werden.« Daher, so erläuterte er, »stellt sie uns heute zur Meditation das Bild zweier Städte vor Augen, den Fall zweier Städte: zweier Städte, die den Herrn nicht aufgenommen haben, die sich vom Herrn entfernt haben; zwei Städte, die mit sich selbst zufrieden waren.«
Und so spreche Johannes in der ersten Lesung aus der Offenbarung (18,1-2.21-23; 19,1-3.9) über den Fall Babylons. Der Abschnitt aus dem Lukasevangelium (21,20-28) hingegen überliefere uns die Worte Jesu über den Fall Jerusalems. Allerdings, so präzisierte Franziskus, »erfolgt der Fall dieser beiden Städte aus unterschiedlichen Gründen«. Einerseits sei da Babylon, »das Symbol des Bösen, der Sünde«, das, wie in der Offenbarung stehe, zur »Wohnung von Dämonen, zur Behausung aller unreinen Geister und zum Schlupfwinkel aller unreinen und abscheulichen Vögel « geworden sei. Der Apostel selbst sage am Schluss: »Sie, die große Hure, hat mit ihrer Unzucht die Erde verdorben.« Babylon, so betonte Franziskus, »war verdorben, es hielt sich für den Herrn der Welt und seiner selbst, durch die Macht der Sünde.« Und »wenn man Sünden anhäuft, dann kommt einem die Fähigkeit abhanden zu reagieren, und man beginnt zu verderben«.
»Das widerfährt auch den Menschen, den verdorbenen Menschen, die keine Kraft haben, um zu reagieren«, präzisierte der Papst. Denn »die Verderbtheit schenkt dir ein wenig Glück, sie verleiht dir Macht und führt dazu, dass du mit dir selbst zufrieden bist«; aber »sie lässt keinen Raum für den Herrn, für die Umkehr«. So sehe also das Profil der »verdorbenen Stadt« aus. Und gerade »das Wort ›Korruption‹ sagt uns heute sehr viel: nicht nur die wirtschaftliche Korruption, sondern Korruption durch zahlreiche unterschiedliche Sünden; Korruption durch diesen heidnischen Geist, durch diesen weltlichen Geist.« Im Übrigen, so bekräftigte der Papst, »ist die hässlichste Form der Korruption der Geist der Weltlichkeit«. Und in der Tat »hatte Jesus den Vater gebeten, seine Jünger vor der Welt zu schützen, vor dem Geist der Welt, der dir das Gefühl verleiht, hier im Paradies zu sein, ganz erfüllt, im Überfluss«. Dagegen »ist diese verdorbene Kultur in ihrem Inneren eine verweste Kultur: tot, und mehr noch als das… Aber man sieht es nicht.«
Daher sei Babylon, wie der Papst sagte, das »Symbol für jede Gesellschaft, für jede Kultur, für alle Menschen, die sich von Gott entfernt haben; auch für die Menschen, die sich von der Nächstenliebe entfernt haben und schließlich zu verfaulen beginnen, die in ihrem Inneren verfaulen.« Und am Schluss »fällt dieses Babylon, das zur Wohnung von Dämonen geworden war, durch den Geist der Weltlichkeit, es fällt durch seine Verderbtheit, es entfernt sich vom Herrn durch die Verderbtheit.« »Jerusalem« hingegen, so erläuterte Franziskus, »fällt aus einem anderen Grund.« Vor allem »ist Jerusalem die Braut, es ist die Verlobte des Herrn: Er sehnte sich sehr nach ihr!« Aber »es bemerkte die Besuche des Herrn nicht« und »es brachte den Herrn zum Weinen«. So sehr, dass es ihn veranlasst habe, zu sagen: »Wie oft wollte ich deine Kinder um mich sammeln, so wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt: Du hast meine Besuche nicht bemerkt, die vielen Male, als Gott dich besucht hat.«
Also falle »Babylon durch Verderbtheit und Jerusalem durch Zerstreuung, weil es den Herrn nicht aufnimmt, als dieser kommt, um es zu retten «. Es habe praktisch »nicht das Gefühl gehabt, der Erlösung zu bedürfen: es hatte die Schriften der Propheten, die Bücher Mose, und das genügte ihm«. Aber diese Schriften seien »verschlossen« gewesen. Folglich »ließ es keinen Platz für die Erlösung, es hatte seine Tore vor dem Herrn verschlossen«. Und so »klopfte der Herr an die Türe, aber niemand war bereit, ihn zu empfangen, ihn zu hören, sich von ihm retten zu lassen«. Und schließlich sei Jerusalem zu Fall gekommen. Der Papst sagte, dass »diese beiden Beispiele uns dazu bringen können, an unser Leben zu denken: Auch wir werden dereinst den Schall der Posaune vernehmen.« Aber »in welcher Stadt werden wir uns an jenem Tag aufhalten? Im verdorbenen und sich selbst genügenden Babylon? Im abgelenkten Jerusalem mit den verschlossenen Toren?« Wie dem auch sei, beide würden am Ende zerstört.
Gleichwohl »endet die Botschaft der Kirche in diesen Tagen nicht mit der Zerstörung«, so Franziskus: »In beiden Texten ist eine Verheißung der Hoffnung gegeben.« Tatsächlich sei im selben Augenblick, in dem Babylon falle, »der Siegesruf zu vernehmen: Halleluja! Selig, wer zum Hochzeitsmahl des Lammes geladen ist. Halleluja, denn gekommen ist die Hochzeit des Lammes, nun, wo alle rein ist!« Diese Stadt, so fügte er hinzu, »war dieses Festmahls nicht würdig«. Andererseits »tröstet uns der Text über den Fall Jerusalems sehr, dank dieses Wortes Jesu: Erhebt euer Haupt!« Die Aufforderung des Herrn laute, zu »schauen« und uns nicht »von den Heiden erschrecken zu lassen«. Denn »die Heiden haben ihre Zeit, und wir müssen sie geduldig ertragen, so wie der Herr sein Leiden ertragen hat.« Daher behalte die Aufforderung Jesu ihre Gültigkeit: »Kopf hoch!«
Der Papst schloss seine Meditation mit diesem Aufruf zur Hoffnung. »Wenn wir an das Ende denken, an das Ende unseres Lebens, an das Ende der Welt«, so erläuterte er, »dann wird jedem Einzelnen von uns sein eigenes Ende zuteil; wenn wir an das Ende denken, mit all unseren Sünden, mit unserer ganzen Geschichte, dann denken wir an das Festmahl, das unentgeltlich für uns gegeben wird, und wir erheben das Haupt.« Daher: »keine Depression«, sondern »Hoffnung«. Es stimme, so räumte Franziskus ein, dass »die Wirklichkeit hässlich ist: es gibt viele, unzählig viele Völker, Städte und Menschen, sehr viele Menschen, die leiden; viele Kriege, viel Hass, viel Neid, viel geistliche Weltlichkeit und sehr viel Verderbtheit.« Aber »das alles wird zu Fall kommen «. Das sei der Grund dafür, so bekräftigte er, dass wir »den Herrn um die Gnade« bitten sollen, »bereit zu sein für das Festmahl, das uns erwartet, mit stets erhobenem Haupt«.
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