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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Gottes Geschenk ist kostenlos

 Dienstag, 4. November 2014

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 47, 21. November 2014

 

Wir dürfen keine Angst haben vor der Tatsache, dass Gott ohne Gegenleistung schenkt. Auch wenn das alle menschlichen Anstandsregeln und das Prinzip der Gegenseitigkeit durcheinanderbringt. Dies hob Papst Franziskus in der Predigt hervor, die er am 4. November in Santa Marta hielt. Die Meditation des Papstes bezog sich auf den Abschnitt aus dem Lukasevangelium (14,15-24), der unmittelbar auf jenen folgt, in dem Jesus erläutert, dass in Gottes Gesetz »das do ut des nicht funktioniert«, und empfiehlt: »Wenn du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein. Du wirst selig sein, denn sie können es dir nicht vergelten; es wird dir vergolten werden bei der Auferstehung.«

Die Antwort »eines der Tischgenossen« – der rief: »Selig, wer im Reich Gottes am Mahl teilnehmen darf!«, also: »Das wäre schön!« – erwidere Jesus mit »dem Gleichnis von dem Mann, der ein großes Festmahl ausrichtet« und dessen Einladungen von den geladenen Gästen nicht angenommen wurden. Der Papst erläuterte anschließend die Antworten, die drei Geladene dem Hausherrn gegeben hatten: »Jeder geht gern auf ein Fest. Man freut sich, wenn man eingeladen wird. Aber hier gab es irgend etwas, das diesen dreien nicht zusagte.« Das Problem sei gewesen: »Eingeladen wozu?« Einer der Geladenen habe sich in der Tat gerühmt, vor kurzem einen Acker gekauft zu haben. Er habe also seine Sucht nach »Eitelkeit«, nach »Stolz« und »Macht« an die erste Stelle gesetzt und die Besichtigung seines Ackers vorgezogen, um sich lieber »etwas mächtiger zu fühlen«, »als einer von Vielen am Tisch dieses Herrn zu sitzen.« Ein anderer habe über seine Geschäfte gesprochen – »Ich habe fünf Ochsengespanne gekauft, und bin auf dem Weg, sie mir genauer anzusehen« – und denke mehr an seine künftigen Gewinne als daran, »mit diesen Leuten Zeit zu verschwenden«, wobei er denke: »Da wird von Vielem die Rede sein, aber ich stehe nicht im Mittelpunkt, ich werde nur einer von Vielen sein.« Schließlich sei da der Mann, der als Ausrede die Tatsache vorbringe, dass er soeben geheiratet habe. Er könnte zwar auch seine Frau zu dem Fest mitbringen, aber er wolle »nur Liebe für ihn selbst«. In diesem Fall gewinne »der Egoismus «. Schließlich, so betonte der Papst, »haben alle drei sich selbst vorgezogen« und wollen nicht »mit anderen zusammen feiern«. Denn in Wirklichkeit »haben sie keine Ahnung davon, was ein Fest ist«.

Die Männer aus diesem Gleichnis – »die als Exempel für viele andere stehen« – haben alle ein »Interesse«, die Suche nach einer »Gegenleistung «. Der Papst erläuterte: »Wenn die Einladung zum Beispiel so gelautet hätte: ›ommt, ich habe zwei oder drei Freunde, die Geschäftsleute aus einem anderen Land sind, eingeladen, wir könnten zusammen Geschäfte machen‹, dann hätte bestimmt keiner eine Ausrede vorgebracht.« In der Tat »war das, was sie erschreckte, die Unentgeltlichkeit «, die Tatsache, dass »alle gleich viel wert waren«. Es sei »der Egoismus«, der Wunsch, »im Mittelpunkt der Dinge zu stehen«. Wenn man in dieser Dimension lebe, wenn »man nur um sich selbst kreist«, dann habe man schließlich keine Horizonte mehr. »Denn der Horizont ist man selbst.« Dann sei es »schwer, die Stimme Jesu, die Stimme Gottes zu vernehmen«. Und, so fügte Franziskus hinzu, »hinter diesem Verhaltensmuster« stecke noch etwas anderes, noch »viel tieferes «: die »Angst vor der Unentgeltlichkeit«. Die Unentgeltlichkeit Gottes sei in der Tat im Vergleich zu vielen Lebenserfahrungen, die uns leiden gemacht haben, »so groß, dass sie uns Angst macht«.

Der Mensch sei orientierungslos. Ein derartiges Verhalten, so der Papst, hätten auch die Emmaus-Jünger an den Tag gelegt, als sie aus Jerusalem fortgegangen seien. Sie hätten zueinander gesagt: »Aber wir hatten gehofft, dass er der Befreier Israels sein würde.« Und weiter: »Das Geschenk war so groß, dass wir enttäuscht wurden. Und wir haben Angst.« Dasselbe sei im Grunde auch dem »sehr viel praktischeren« Thomas widerfahren, der denen, die mit ihm über den auferstandenen Jesus sprachen, geantwortet habe: »Aber komm mir doch nicht mit diesen Geschichten«, denn »wenn ich es nicht sehe, es nicht mit Händen fasse… Ich habe einst geglaubt, dann ist alles zunichte geworden! Nichts. Nie wieder!« Also habe auch Thomas »Angst vor der Unentgeltlichkeit Gottes«. Hierzu erinnerte der Papst an eine Redensart: »Wenn das Angebot gar zu groß ist, dann kommt das selbst einem Heiligen verdächtig vor.« Das heißt: Wenn ein Geschenk unproportional groß ist, dann werde man misstrauisch, denn »die Unentgeltlichkeit ist zuviel « für uns. Und wenn »Gott uns ein derartiges Gastmahl ausrichtet«, dann denken wir: »Besser nichts damit zu tun haben«, besser, wir blieben »wir selbst«. In der Tat fühlten wir uns »sicherer in unseren Sünden, in unseren Begrenztheiten«, denn zumindest »sind wir da bei uns zuhause«. Dagegen »macht es uns Angst«, herauszukommen »aus unserem Haus, um zusammen mit den anderen zu Gottes Fest zu gehen, in Gottes Haus«. Und »wir Christen«, so tadelte der Bischof von Rom, »wir hegen alle diese Angst, die in uns verborgen ist«, aber gar nicht so sehr verborgen. In der Tat seien wir allzu oft »katholisch, aber nicht allzu sehr, haben Vertrauen in den Herrn, aber nicht allzu viel«. Und dieses »aber nicht zu viel« zeichne letztendlich unser Leben, es »lässt uns kleiner werden«.

Papst Franziskus dachte dann über das Verhalten des Herrn in dem biblischen Gleichnis nach, als ihm der Diener die Absage der Gäste ausgerichtet habe. Er sei »zornig, weil er missachtet wurde«. Und da »lässt er all diese Außenseiter der Gesellschaft und die Kranken einladen, von den Straßen und Gassen der Stadt: die Armen, die Krüppel, die Blinden und die Lahmen«. Und als der Diener ihn darauf aufmerksam mache, dass im Saal immer noch Platz sei, da sage er zu ihm: »Dann geh auf die Landstraßen und vor die Stadt hinaus und nötige die Leute, zu kommen. « Dieses Verb »nötigen« mache nachdenklich: »Sehr oft«, so betonte der Papst, »muss der Herr auch mit uns so verfahren: mit Prüfungen, vielen Prüfungen.« Er »nötigt dieses Herz, diese Seele daran zu glauben, dass es« bei ihm »Unentgeltlichkeit gibt«, dass sein Geschenk »unentgeltlich ist, dass das Heil nicht erkauft werden kann: es ist ein großes Geschenk.« In der Tat sei die Liebe Gottes »das größte aller Geschenke.«

Und doch, so schloss der Papst, hätten wir Angst und »denken, dass wir die Heiligkeit mit  unseren eigenen Mitteln erreichen könnten, und so werden wir langfristig ein wenig zu Pelagianern.« Dagegen »ist das Heil unentgeltlich«, auch wenn wir starrköpfig erwiderten: »Ich verstehe nicht, Herr, aber sage mir doch: Wer bezahlt denn dieses Fest da, das für alle ist? Soll etwa ich dafür zahlen?« Wir merkten nicht, dass dies alles, wie Paulus im Philipperbrief erinnere (2,5-11), »unentgeltlich ist, weil Jesus Christus, obwohl ›er Gott gleich war, nicht daran festhielt, wie Gott zu sein, sondern sich entäußerte und wie ein Sklave wurde. Er erniedrigte sich.‹« Und Jesus, so erinnerte der Papst, hat »das Fest bezahlt, durch seine Erniedrigung bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz«. Das sei die »große Unentgeltlichkeit« Gottes.

Franziskus bekräftigte: »Wenn wir das Kreuz betrachten, dann sagen wir: ›Das ist der Eingang zum Fest. Ja, Herr, ich bin ein Sünder, ich habe viele Dinge, aber ich blicke auf dich und gehe zum Fest des Vaters. Ich habe Vertrauen. Ich werde nicht enttäuscht werden, denn du hast für alles bezahlt.‹« So »bittet die Kirche uns, keine Angst zu haben vor der Unentgeltlichkeit Gottes«, die »verrückt zu sein scheint. Aber Paulus sagt: ›Das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit. Sie können es nicht verstehen. Er aber hat dafür bezahlt, dass alles für uns unentgeltlich ist.‹« Das einzige, was wir tun müssten, sei »unser Herz zu öffnen und unsererseits all das zu tun, wozu wir imstande sind. Aber das große Festmahl wird von ihm ausgerichtet.«

 



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