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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Katholisch, aber nicht zu sehr

 Dienstag, 28. Oktober 2014

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 45, 7. November 2014

 

Es gibt Christen, die am »Empfangsschalter« der Kirche anhalten und an der Türe stehenbleiben, ohne einzutreten, um sich ja nicht zu etwas zu verpflichten. Das ist die Verhaltensweise von Leuten, die erklären, »katholisch« zu sein, »aber nicht zu sehr«. Vor dieser Einstellung warnte Papst Franziskus in der Predigt der Frühmesse am 28. Oktober, die er in der Kapelle des Hauses Santa Marta feierte.

Am Gedenktag der Heiligen Simon und Judas, so merkte der Papst gleich eingangs an, »fordert uns die Kirche auf, über sie selbst nachzusinnen«, indem sie uns zu der Reflexion anrege, »wie die Kirche ist, was die Kirche ist«. Im Epheserbrief (2,19-22) »sagt uns Paulus als allererstes, dass wir weder Fremde ohne Bürgerrecht noch Gäste sind: wir sind in dieser Stadt, die die Kirche ist, nicht auf der Durchreise, sondern wir sind Mitbürger«. Also »beruft uns der Herr mit vollem Bürgerrecht in seine Kirche: wir sind keine Durchreisenden, sondern wir haben da unsere Wurzeln. Unser Leben spielt sich dort ab.«

Und Paulus »bedient sich des Bildes eines Hauses oder Tempels«, wenn er schreibt: »Ihr seid auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut; der Eckstein ist Christus Jesus selbst.« Genau das sei die Kirche, unterstrich der Papst. »Denn wir sind über den Säulen der Apostel erbaut: der Eckstein, das Fundament ist Jesus Christus selbst, und wir befinden uns innerhalb des Baus.«

Der heilige Paulus fahre fort, indem er erläutere, dass »durch Christus der ganze Bau zusammengehalten (wird) und zu einem heiligen Tempel im Herrn wächst. Durch ihn werdet auch ihr im Geist zu einer Wohnung Gottes erbaut.« Das also sei »die Definition der Kirche, die uns Paulus heute schenkt: ein errichteter Tempel.« Und ebenso »werden auch wir zu einer Wohnung des Heiligen Geistes erbaut«: Wir seien, wie Franziskus erläuterte, »über den Säulen der Apostel und auf diesem Eckstein erbaut, der Jesus Christus ist.«

Dieselbe Sicht der Kirche, so fuhr der Papst fort, »können wir auch im Evangelium (Lk 6,12- 19) ausgeführt sehen«, wo berichtet werde, wie Jesus seine Apostel erwählt habe. Der Evangelist »sagt, dass Jesus auf einen Berg ging, um zu beten. Und dann rief er diese zwölf zu sich, er wählte sie aus.« Darauf sei Jesus mit ihnen den Berg hinabgestiegen. In der Ebene habe er »eine große Schar von Jüngern vorgefunden, die auf ihn warteten und die er später ausgesandt hat«, sowie »viele Menschen, die versuchten, ihn zu berühren, um von ihren Krankheiten geheilt zu werden«.

Kurzum, so erläuterte der Papst, »Jesus betet, Jesus beruft, Jesus erwählt, Jesus sendet seine Jünger aus, Jesus heilt die Menschenmenge.« »Jesus, der der Eckstein ist, tut all dies in diesem Tempel: er ist es, der die Kirche auf diese Weise voranbringt. « Gerade so wie Paulus schreibe: »Diese Kirche ist auf das Fundament der Apostel gebaut, die er erwählt hat.« Das bestätige das Evangelium, wenn es sage, dass der Herr »Zwölf auserwählte: sie waren alle Sünder, alle«. Judas, so bemerkte der Bischof von Rom, »war nicht der größte Sünder« und »ich weiß nicht, wer der größte Sünder war.« Aber »Judas, der Ärmste, war der, der sich vor der Liebe verschloss und der deshalb zum Verräter wurde.« Es bleibe aber die Tatsache bestehen, dass »alle Apostel im schwierigen Augenblick des Leidens geflohen sind und Jesus allein gelassen haben: Sie alle sind Sünder.«

Und trotzdem habe Jesus selbst sie erwählt. Franziskus fuhr fort: So »errichtet Jesus durch sein Gebet die Kirche; er tut dies durch die Wahl der Apostel; er tut es durch die Wahl der Jünger, die er dann aussendet; er tut es durch seine Begegnung mit den Menschen.« Jesus habe »sich niemals von den Menschen abgewandt: er ist stets mitten in der Menge, die ihn zu berühren suchte, weil von ihm eine Kraft ausging, die alle heilte«, wie Lukas in seinem Evangelium betone.

»Wir sind Bürger, Mitbürger dieser Kirche«, präzisierte der Papst. Daher »sind wir dann, wenn wir nicht in diesen Tempel eintreten und kein Teil dieses Bauwerks werden, damit der Heilige Geist in uns wohnen kann, nicht in der Kirche.« Vielmehr »stehen wir dann in der Tür und schauen herein«, und vielleicht sagen wir: »Aber wie schön, ja, das ist schön!« Und so enden wir dann als »Christen, die nicht weitergehen als bis zum ›Empfangsschalter‹ der Kirche. Dort, unter der Tür, in der typischen Haltung eines Menschen, der denke: »Aber ja, ich bin katholisch, ja, aber nicht zu sehr, so!«

Franziskus zufolge »ist vielleicht das Schönste, was man darüber sagen kann, wie die Kirche erbaut wird, gerade das erste und das letzte Wort des Evangeliumsabschnitts: ›Jesus betet‹. ›Er ging auf einen Berg, um zu beten. Und er verbrachte die ganze Nacht im Gebet zu Gott.‹« Also »betet Jesus und Jesus heilt«, denn von ihm ging »eine Kraft aus, die alle heilte«. Gerade »in diesem Rahmen – Jesus, der betet, und Jesus, der heilt – ist all das enthalten, was man über die Kirche sagen kann: Jesus, der für die Seinen betet, für die Säulen, für die Jünger, für das Volk; und Jesus, der heilt, der die Menschen wieder in Ordnung bringt, der Seele und Geist Gesundheit schenkt.«

In diesem Kontext erinnerte der Papst wieder an das Zwiegespräch, das Jesus mit Petrus, »der Säule«, führe. Der Herr »hatte ihn in diesem Augenblick erwählt« und er habe ihn beruhigt, indem er ihm gesagt habe: »Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt.« Jesus betet für Petrus. »Dieser Dialog«, so bekräftigte der Papst, »endet, nachdem Petrus Jesus verleugnet hat.« Und deshalb frage ihn der Herr in Tiberias: »Simon, liebst du mich mehr als diese?« In diesem Dialog sei gut zu sehen, wie »Jesus betet und Jesus das Herz des Petrus heile, das durch einen Verrat verwundet worden« sei. Und doch »macht er ihn zur tragenden Säule«. Das bedeute, dass »die Sünde des Petrus Jesus nichts ausmachte: er suchte das Herz.« Aber »um dieses Herz zu finden, und um es zu heilen, betete er«.

Die Wirklichkeit von »Jesus, der betet, und Jesus, der heilt« gelte auch heute für einen jeden von uns. Denn »wir können die Kirche nicht verstehen ohne diesen Jesus, der betet, und diesen Jesus, der heilt.« So schloss Franziskus seine Gedanken mit einem Gebet zum Heiligen Geist ab, damit er »uns alle diese Kirche verstehen lassen möge, deren Kraft aus dem Gebet Jesu für uns kommt, das fähig ist, uns alle zu heilen.«

 



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