PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Graue Christen
Montag, 27. Oktober 2014
aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 45, 7. November 2014
Die Gewissensprüfung, der wir nach dem heiligen Paulus unsere Worte unterziehen sollen, kann uns helfen, eine entscheidende Frage zu beantworten, die uns selbst betrifft: Sind wir Christen, die Kinder des Lichts sind, Kinder der Finsternis oder, schlimmer noch, Kinder der Grauzone? So lautete die Frage, die Papst Franziskus im Lauf der Frühmesse am 27. Oktober in der Kapelle des Hauses Santa Marta stellte. Um zu dieser grundlegenden Gewissensprüfung anzuregen, bezog sich Franziskus auf die Lesung aus dem Epheserbrief (4,32-5,8): »Der heilige Paulus sagt uns Christen, dass wir uns wie Kinder des Lichts verhalten sollen, nicht wie die Kinder der Finsternis, die wir einst waren.« Und »um das zu erläutern – das finden wir sowohl bei ihm als auch im Evangelium (Lk 13,10-17) –, nimmt er eine Katechese des Wortes vor: Wie ist das Wort eines Kindes des Lichts beschaffen, und wie sieht das Wort eines Kindes der Finsternis aus?«
Folglich, so erläuterte der Papst, indem er die Katechese des heiligen Paulus aufgriff, »kann das Wort von jemandem, der kein Kind des Lichts ist, aus einem obszönen Wort, einem vulgären Wort bestehen«. In der Tat sage der Apostel: »Von Unzucht aber und Schamlosigkeit jeder Art oder von Habgier soll bei euch nicht einmal die Rede sein.« Und deshalb, so merkte Franziskus an, »bedient sich ein Kind des Lichts nicht dieser vulgären, schmutzigen Sprache«.
Da sei aber noch »ein zweites Wort, das weltliche Wort«. Daher empfehle Paulus, gar nicht erst über »Vulgarität, über Plattitüden, über Triviales zu reden«. Und »die Weltlichkeit ist vulgär und trivial«, so der Papst. »Ein Kind des Lichts ist weder weltlich noch spricht es über weltliche, über vulgäre Dinge.« Aber der heilige Paulus gehe noch weiter und sage: »Gebt acht: Niemand täusche euch mit leeren Worten.« Eine Botschaft, die keineswegs an Aktualität verloren habe, weshalb der Papst sogleich hinzufügte, dass wir heutzutage »sehr viele leere Worte hören«. Und einige seien auch »schön, gut vorgebracht, aber leer, völlig sinnentleert «. Daher »kann auch das kein Wort eines Kindes des Lichtes sein«.
Dann gebe es »im Evangelium noch ein weiteres Wort«, betonte Franziskus, und es sei gerade jenes Wort, »das Jesus zu den Schriftgelehrten sagt: ›Heuchler‹.« Ja, es sei gerade »das Wort Heuchler«. Und daher, so regte er an, könnten auch wir »darüber nachdenken, wie unser Wort ist: Ist es heuchlerisch? Ist es ein wenig wetterwendisch, um es allen recht zu machen? Ist es ein leeres Wort, ohne Gehalt, völlige Leere? Ist es ein vulgäres, albernes, also weltliches Wort? Ist es ein schmutziges, ein obszönes Wort?« Der heilige Paulus sage uns ganz eindeutig, so erläuterte der Bischof von Rom, dass »diese vier Worte nicht zum Wortschatz der Kinder des Lichts gehören. Sie kommen nicht vom Heiligen Geist, sie kommen nicht von Jesus, es sind keine Worte des Evangeliums.« »Diese Art zu sprechen, immer über schmutzige oder weltliche oder sinnentleerte Dinge zu sprechen oder heuchlerisch zu reden«, gezieme sich nicht für Kinder des Lichts.
Wie sehe hingegen »das Wort der Heiligen, also das Wort der Kinder des Lichts aus?« Paulus gebe auch hier eine Antwort: »Ahmt Gott nach als seine geliebten Kinder, und liebt einander, geht in der Güte, geht in der Sanftmut.« Wer seinen Weg so gehe, sei tatsächlich ein Kind des Lichts. Und weiter: »Seid gütig zueinander«, sage Paulus, »seid barmherzig, vergebt einander, weil auch Gott euch durch Christus vergeben hat. Ahmt Gott nach als seine geliebten Kinder und liebt einander.« Eine Ermahnung, die uns im Grunde dazu auffordere, den Weg der »Barmherzigkeit, der Vergebung, der Liebe« zu gehen. Gerade »das ist das Wort eines Kindes des Lichts«, bekräftigte Franziskus in Anlehnung an den Epheserbrief.
»Die Kirche lässt uns heute darüber nachdenken, wie wir reden, und dieser Denkanstoß hilft uns zu sehen, ob wir Kinder des Lichts oder Kinder der Finsternis sind«, präzisierte der Papst. Und er gab ganz konkrete Anhaltspunkte als Orientierungshilfe: »Erinnert euch daran: Keine obszönen Worte! Keine vulgären und weltlichen Ausdrücke! Kein leeres Geschwätz! Keine Heuchelei, nichts davon!« In der Tat kämen Worte dieser Art »nicht von Gott, sie kommen nicht vom Herrn, sondern sie sind des Teufels«.
Es sei wahr, so räumte der Papst ein, dass man die Unterschiede zwischen den Kindern des Lichts und den Kindern der Finsternis gut verstehen und erkennen könne. »Die Kinder des Lichts leuchten«, wie Jesus zu seinen Jüngern sage: »Euer Licht soll vor den Menschen leuchten und euren Vater im Himmel preisen.« Es sei eine offenbare Tatsache, dass »das Licht leuchtet und den anderen Menschen den Weg weist«. Und »es gibt leuchtende Christen, die voller Licht sind, die sich bemühen, dem Herrn mit diesem Licht zu dienen«. So wie es andererseits »auch finstere Christen gibt, die nichts mit Gott zu schaffen haben wollen und die ein Leben der Sünde führen, ein Leben fern vom Herrn«. Und diese Christen »bedienen sich dieser vier Worte«, die Paulus aufgezählt habe.
Nicht alles sei aber immer so klar abgegrenzt und leicht erkennbar: auf der einen Seite die Kinder der Finsternis und auf der anderen die Kinder des Lichts. »Es gibt eine dritte Gruppe von Christen «, so erläuterte er, »die die schwierigste und komplizierteste von allen ist: jene Christen, die weder leuchtend noch finster sind.« Und das »sind die grauen Christen«, die »einmal auf dieser Seite stehen und einmal auf jener«. Deshalb »sagen die Menschen über diese Art von Leuten: ›Auf welcher Seite steht denn diese Person, auf jener Gottes oder der des Teufels?‹« Und das sagten sie deshalb, weil das Christen seien, »die sich immer in der Grauzone bewegen: es sind die lauen Christen« und »sie sind weder leuchtend noch finster.«
Aber »für diese Menschen hat Gott nichts übrig«. Das könne man in der Offenbarung nachlesen, wo »der Herr zu diesen grauen Christen sagt: ›Du bist weder kalt noch heiß. Wärest du doch kalt oder heiß! Weil du aber lau bist‹ – grau! – › will ich dich aus meinem Mund ausspeien!‹« Also, so sagte der Papst, »geht der Herr hart mit den grauen Christen ins Gericht«. Und der Versuch, zu seiner Selbstverteidigung vorzubringen: ›Ich bin ein Christ, aber ohne zu übertreiben«, nütze nichts.
In der Tat richteten diese grauen Menschen »sehr großen Schaden an, denn das Zeugnis, das sie als Christen ablegen, ist ein Zeugnis, das letzten Endes Verwirrung stiftet, es bringt ein negatives Zeugnis hervor.« Und Paulus werde in diesem Kontext ausgesprochen deutlich: »Denn einst wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr durch den Herrn Licht geworden. Lebt als Kinder des Lichts!« Paulus redet von »Kindern des Lichts«, und nicht von »Kindern der Finsternis, nicht von Kindern der Grauzone«.
Der Abschnitt des heiligen Paulus, so schloss Franziskus, sei ein gutes Thermometer, an dem wir »unsere Sprache« ablesen könnten. Und es könne hilfreich sein, die folgenden Fragen zu beantworten: »Wie sprechen wir? Welcher dieser vier Worte bedienen wir uns? Obszöner Worte, weltlicher Worte, leerer Worte, heuchlerischer Worte?« Und die Antwort auf diese Fragen, so fügte der Papst hinzu, führe zu einer weiteren Frage: »Bin ich ein Christ des Lichts? Bin ich ein Christ der Finsternis? Bin ich ein grauer Christ?« Diese ganz konkrete Gewissensprüfung helfe uns dabei, »einen Schritt voranzukommen, um dem Herrn zu begegnen«.
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