PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Gerettet, aber auf unsere eigene Art und Weise
Freitag, 3. Oktober 2014
aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 42, 17. Oktober 2014
Der Mensch lebt »in seinem Inneren das Drama, das Heil Gottes nicht anzunehmen«, weil er »auf seine eigene Art gerettet werden« will. Und Jesus weint sogar über diesen »Widerstand« des Menschen, dem er immer aufs Neue seine Barmherzigkeit und seine Vergebung anbietet. Wir dürfen also nicht sagen: »Rette mich, Herr, aber auf unsere Weise!«. Daran erinnerte Papst Franziskus im Rahmen der Messe, die er am Freitag, 3. Oktober, in der Kapelle des Hauses Santa Marta feierte.
In dem Abschnitt aus dem Evangelium, der Gegenstand der heutigen Lesung war, spreche Lukas (10,13-16) von Jesus, der »etwas verärgert scheint«. Und »er spricht mit diesen Menschen, um sie zur Vernunft zu bringen«, indem er sage: »Wenn einst in Tyrus und in Sidon die Wunder geschehen wären, die bei euch geschehen sind – man hätte dort in Sack und Asche Buße getan. Ihr hingegen nicht.« So skizziere Jesus »eine Zusammenfassung der gesamten Heilsgeschichte: Es ist das Drama, nicht gerettet werden zu wollen; es ist das Drama, das Heil Gottes nicht anzunehmen.« Es sei so, als sagten wir: »Rette uns, Herr, aber auf unsere Art und Weise!« Jesus selbst erinnere oft daran, »dass dieses Volk die Propheten abgewiesen und jene gesteinigt habe, die zu ihnen gesandt wurden, weil sie ihnen unbequem waren.« Der Gedanke sei immer derselbe: »Wir wollen das Heil, aber so, wie wir es uns vorstellen! Nicht so, wie es der Herr will.«
Wir hätten es, wie der Papst präzisierte, mit »dem Drama des Widerstandes dagegen, gerettet zu werden, zu tun.« Es handle sich um »ein Erbe, das wir alle erhalten haben«, weil »dieser Same des Widerstandes dagegen, so gerettet zu werden, wie uns der Herr retten will, auch in unserem Herzen ausgesät ist.«
Der Kontext der Lesung aus dem Lukasevangelium zeigt Jesus, der »mit seinen Jüngern redet, die von einer Mission zurückkamen.« Und er sage auch zu ihnen: »Wer euch hört, der hört mich, und wer euch ablehnt, der lehnt mich ab; wer aber mich ablehnt, der lehnt den ab, der mich gesandt hat. Dasselbe haben eure Väter mit den Propheten getan.« Gewiss, »der Herr rettet uns in unserer Freiheit«, so präzisierte der Papst, wobei er allerdings hinzufügte, dass »wir nicht mit der Freiheit gerettet werden wollen, sondern mit unserer Autonomie: die Regeln schaffen wir uns selbst.«
Genau »das«, so merkte Franziskus an, »ist das Drama der Heilsgeschichte, vom ersten Augenblick an.« Es sei vor allem »ein Drama des Volkes«, weil »das Volk sich oft auflehnt, beispielsweise in der Wüste«. Gleichwohl, so fügte er hinzu, »reift das Volk dank der Prüfungen: es ist reifer.« Und so »vermag es in Jesus einen großen Propheten zu erkennen, und es sagt auch: Gott hat sein Volk besucht.«
Andererseits, so fuhr er fort, »ist es gerade die Führungsschicht, die der Art und Weise, auf die Gott uns retten will, die Tür ins Gesicht schlägt.« In diesem Sinne »sind die sehr klaren Gespräche zu verstehen, die Jesus mit der Führungsschicht seiner Zeit führt: sie streiten, sie stellen ihn auf die Probe, sie stellen ihm Fallen, um zu sehen, ob er zu Fall komme«, denn in ihnen gebe es, wie gesagt, »den Widerstand dagegen, gerettet zu werden.«
Angesichts dieser Verhaltensweise sage Jesus zu ihnen: »Aber ich verstehe euch nicht! Ihr seid wie diese Kinder: ›Wir haben für euch auf der Flöte gespielt, und ihr habt nicht getanzt; wir haben Klagelieder gesungen, und ihr habt euch nicht an die Brust geschlagen.‹ Was wollt Ihr denn?« Die Antwort laute nach wie vor: »Wir wollen auf unsere Art und Weise gerettet werden.« »Diese Ablehnung« der Vorgehensweise Gottes kehre also »immer wieder.« Dann, »als der Herr weitergeht«, so erinnerte der Papst, »beginnen auch in der Gruppe, die ihnen nahe steht, Zweifel aufzukommen.« Das berichte Johannes im 6. Kapitel seines Evangeliums, wo er die zu Wort kommen lasse, die zu Jesus sagen: »Aber dieser Mann ist ein wenig seltsam, ›wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?‹ Aber vielleicht ist er ein bisschen komisch.« Wahrscheinlich habe jemand diese Dinge gesagt, so bekräftigte Franziskus, und selbst »seine Jünger begannen, sich zurückzuziehen.« So »schaut Jesus die Zwölfe an« und sage zu ihnen: »Wollt auch ihr weggehen…«
Es bestehe kein Zweifel darüber, so erläuterte der Papst, dass »das ein hartes Wort ist: das Wort des Kreuzes ist immer hart.« Aber es sei auch »die einzige Tür zum Heil.« Und »das gläubige Volk nahm es an: es suchte Jesus auf, um geheilt zu werden« und »um sein Wort zu hören.« In der Tat habe es gesagt: »Dieser Mann spricht mit Vollmacht. Nicht wie unsere Führungsschicht, die Pharisäer, die Gesetzeslehrer, die Sadduzäer, die in einer Sprache redeten, die keiner verstand.« Für all diese Leute habe der Weg zum Heil darin bestanden, die unzähligen Gebote zu erfüllen, »die ihr intellektuelles und theologisches Fieber geschaffen hatte.« Aber »das arme Volk fand keinen rettenden Ausweg.« Den habe es hingegen in Jesus gefunden.
Dennoch, so bekräftigte der Papst, habe es am Schluss »dasselbe getan wie seine Vorfahren: sie haben beschlossen, Jesus zu töten.« Der Herr tadle diese Art, vorzugehen: »Eure Väter haben die Propheten getötet, ihr aber errichtet ihnen ein schönes Denkmal, um euer Gewissen zu erleichtern.« Aus diesem Grunde also »fällen sie die Entscheidung, Jesus zu töten, also, ihn umzubringen «, denn sie hätten gesagt, »dieser Mann wird uns Probleme bereiten: dieses Heil da wollen wir nicht! Wir wollen ein wohlgeordnetes, sicheres Heil. Dieses da wollen wir nicht!« Folglich »beschließen sie, auch Lazarus zu töten, denn er ist der Zeuge für das, was Jesus bringt: das Leben«, insofern er »von den Toten auferstanden ist.«
Durch diese Entscheidung löscht die Führungsschicht Gottes Allmacht aus«, kommentierte der Bischof von Rom, der daran erinnerte, dass »wir heute im Tagesgebet die Allmacht Gottes sehr schön gepriesen haben: Heiliger Gott, in Christus hast du den Völkern deine ewige Herrlichkeit geoffenbart. Gib uns die Gnade, das Geheimnis unseres Erlösers immer tiefer zu erfassen.« Das »Drama des Widerstandes gegen das Heil« führe dazu, nicht »an die Barmherzigkeit und die Vergebung« zu glauben, sondern an die Opfer. Und das führe dazu, dass man »alles schön systematisiert, alles klar geordnet« wolle.
Das sei »ein Drama«, so erinnerte Franziskus, das »auch jeder von uns in sich trägt.« Daher suggerierte er einige Fragen, mit deren Hilfe man eine Gewissenprüfung vornehmen könne: »Auf welche Art und Weise will ich gerettet werden? Auf meine Weise? In der Art einer Spiritualität, die gut ist, die mir wohl tut, aber die festgeschrieben ist, in der alles klar ist, und es kein Risiko gibt? Oder auf die Art Gottes, also auf dem Weg Jesu, der uns immer überrascht, der uns immer die Tore öffnet hin zu jenem Geheimnis der göttlichen Allmacht, das in der Barmherzigkeit und in der Vergebung besteht?«
Jesus, so versicherte der Papst, »weint, wenn er das Drama dieses Widerstands sieht, auch wenn er den unseren sieht.« Er »weinte vor dem Grab des Lazarus; er hat geweint, als er Jerusalem ansah« und als er gesagt habe: »Du aber, du tötest die Propheten und steinigst die Boten, die zu dir gesandt sind. Wie oft wollte ich deine Kinder um mich sammeln, so wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt!« Und er weine auch »angesichts dieses Dramas, sein Heil nicht anzunehmen, wie es der Vater will.«
Papst Franziskus forderte daher dazu auf, an dieses Drama zu denken, das in unserem Herzen wohnt«, und bestand darauf, dass ein jeder von uns sich selbst fragen solle: »Wie denke ich, dass der Weg meines Heils aussieht: ist es derjenige Jesu, oder ein anderer? Bin ich frei, das Heil anzunehmen, oder verwechsle ich die Freiheit mit der Autonomie, und will mein eigenes Heil, das, von dem ich meine, dass es das richtige sei?
Glaube ich, dass Jesus der Meister ist, der uns das Heil lehrt, oder gehe ich herum, um Gurus anzuheuern, die mich ein anderes Heil lehren? Ein sicherer Weg, oder flüchte ich mich unter das Dach der Vorschriften und der vielen Gebote, die der Mensch gemacht hat? Und fühle ich mich so sicher, und erkaufe mit dieser – es ist etwas hart, das auszusprechen – Sicherheit mein Heil, das Jesus mir unentgeltlich schenkt, mit der Unentgeltlichkeit Gottes?« All diese Fragen, »die uns heute zu stellen uns wohl tut« gipfeln in der letzten Frage des Papstes: »Widersetze ich mich dem Heil Jesu?«
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