PAPST FRANZISKUS
GENERALAUDIENZ
Petersplatz
Mittwoch, 22. Mai 2024
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Katechesenreihe Laster und Tugenden. 20. Die Demut
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!
Wir schließen diese Katechesereihe ab, indem wir über eine Tugend sprechen, die nicht zur Siebenergruppe der Kardinaltugenden und göttlichen Tugenden gehört, aber eine wesentliche Grundlage christlichen Lebens ist: Diese Tugend ist die Demut. Sie ist die große Gegenspielerin des tödlichsten aller Laster: des Hochmuts. Während Stolz und Hochmut das menschliche Herz aufblähen und uns als mehr erscheinen lassen, als wir sind, bringt die Demut alles wieder in die richtige Dimension zurück; wir sind wunderbare, aber begrenzte Geschöpfe, mit Vorzügen und Fehlern. Die Bibel erinnert uns von Anfang an daran, dass wir Staub sind und zum Staub zurückkehren (vgl. Gen 3,19). Denn »humilis«, demütig, kommt von »humus«, also Erde. Dennoch kommt im menschlichen Herzen oft Größenwahn auf, der so gefährlich ist, und das schadet uns sehr.
Um uns vom Hochmut zu befreien, würde sehr wenig genügen, es würde genügen, einen Sternenhimmel zu betrachten, um das richtige Maß wiederzufinden, wie es im Psalm heißt: »Seh ich deine Himmel, die Werke deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigt: Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?« (8,4-5). Die moderne Wissenschaft gestattet uns, den Horizont noch viel mehr zu erweitern und das Geheimnis, das uns umgibt und das in uns wohnt, noch stärker zu spüren.
Selig sind die Menschen, die diese Wahrnehmung des eigenen Kleinseins im Herzen bewahren! Diese Menschen sind vor einem schlimmen Laster geschützt: der Arroganz. In seinen Seligpreisungen beginnt Jesus bei ihnen: »Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich« (Mt 5,3). Es ist die erste Seligpreisung, weil sie die Grundlage derer ist, die folgen: denn die Sanftmut, die Barmherzigkeit, die Reinheit im Herzen entstehen aus diesem inneren Bewusstsein des Kleinseins. Die Demut ist die Eingangstür zu allen Tugenden.
Auf den ersten Seiten der Evangelien scheinen die Demut und die Armut vor Gott die Quelle von allem zu sein. Die Verkündigung des Engels geschieht nicht vor den Toren Jerusalems, sondern in einem abgelegenen Dorf in Galiläa, das so unbedeutend ist, dass die Menschen sagten: »Kann aus Nazaret etwas Gutes kommen?« (Joh 1,46). Aber gerade von dort wird die Welt neu geboren. Die auserwählte Heldin ist keine Prinzessin, die behütet aufgewachsen ist, sondern ein unbekanntes Mädchen: Maria. Die erste, die erstaunt ist, ist sie selbst, als der Engel die Verkündigung Gottes bringt. Und in ihrem Lobpreis wird dieses Staunen deutlich: »Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut« (Lk 1,46-48). Gott ist – sozusagen – vom Kleinsein Marias angezogen, das vor allem ein inneres Kleinsein ist. Und er ist auch von unserem Kleinsein angezogen, wenn wir es annehmen.
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Fortan hütet Maria sich, in den Vordergrund zu treten. Ihre erste Entscheidung nach der Verkündigung des Engels besteht darin, hinzugehen, um ihrer Verwandten zu helfen, ihr zu dienen. Maria geht in die Berge von Judäa, um Elisabet zu besuchen: Sie steht ihr in den letzten Monaten der Schwangerschaft bei. Aber wer sieht das? Niemand außer Gott. Diese Verborgenheit scheint die Jungfrau Maria nie verlassen zu wollen. Wie dort, wo aus der Menge die Stimme einer Frau sie seligpreist: »Selig der Schoß, der dich getragen, und die Brust, die dich gestillt hat!« (Lk 11,27). Jesus aber erwidert sofort: »Ja, selig sind vielmehr, die das Wort Gottes hören und es befolgen« (Lk 11,28). Nicht einmal die heiligste Wahrheit ihres Lebens – die Mutter Gottes zu sein – wird für sie zum Grund, vor den Menschen zu prahlen. In einer Welt, die ein Wettrennen um Ansehen ist, darum, sich den anderen überlegen zu zeigen, geht Maria fest entschlossen, einzig mit der Kraft der Gnade Gottes, in die entgegengesetzte Richtung.
Wir können uns vorstellen, dass auch sie schwierige Augenblicke gekannt hat, Tage, in denen ihr Glaube in der Dunkelheit vorangegangen ist. Aber das hat ihre Demut nie wanken lassen, die bei Maria eine felsenfeste Tugend war. Das möchte ich hervorheben: Die Demut ist eine felsenfeste Tugend. Denken wir an Maria: Sie ist immer klein, immer frei von sich selbst, immer frei von Ehrgeiz. Dieses Kleinsein ist ihre unschlagbare Kraft: Sie ist es, die unter dem Kreuz bleibt, während die Illusion eines triumphierenden Messias zerschlagen wird. Maria ist es, die in den Tagen vor dem Pfingstfest die Herde der Jünger versammelt, die nicht in der Lage gewesen waren, auch nur eine Stunde mit Jesus zu wachen, und die ihn verlassen hatten, als der Sturm heraufzog.
Brüder und Schwestern, die Demut ist alles. Sie ist es, die uns vom Bösen rettet und aus der Gefahr, seine Komplizen zu werden. Und die Demut ist die Quelle des Friedens in der Welt und in der Kirche. Wo keine Demut ist, ist Krieg, ist Streit, ist Spaltung. Gott hat uns in Jesus und in Maria ein Vorbild gegeben, auf dass sie unser Heil und unsere Glückseligkeit sein möge. Und die Demut ist der Weg, der Pfad zum Heil. Danke!
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APPELL
Und beten wir für den Frieden. Wir brauchen Frieden. Die Welt ist im Krieg. Vergessen wir nicht die gequälte Ukraine, die sehr leidet. Vergessen wir nicht Palästina und Israel: dass dieser Krieg ein Ende haben möge. Vergessen wir nicht Myanmar. Und vergessen wir nicht die vielen Länder, die sich im Krieg befinden. Brüder und Schwestern, wir müssen in dieser Zeit des Weltkriegs für den Frieden beten.
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Liebe Brüder und Schwestern deutscher Sprache, lasst uns in diesem Marienmonat von der Mutter Gottes Demut lernen, damit der Allmächtige auch an uns und durch uns Großes vollbringen kann. Du demütige Magd des Herrn, bitte für uns!
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