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PAPST FRANZISKUS

GENERALAUDIENZ

Petersplatz
Mittwoch, 19. Juni 2019

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Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!

50 Tage nach Ostern erleben die Apostel in jenem Abendmahlssaal, der nunmehr ihr Zuhause ist und wo die Gegenwart Mariens, der Mutter des Herrn, das Element ist, das Zusammenhalt schafft, ein Ereignis, das ihre Erwartungen übertrifft. Im Gebet versammelt – das Gebet ist die »Lunge«, die den Jüngern aller Zeiten Atem gibt: Ohne Gebet kann man kein Jünger Jesu sein; ohne Gebet können wir keine Christen sein! Es ist die Luft, es ist die Lunge des christlichen Lebens – werden sie überrascht vom Einbrechen Gottes. Es ist ein Einbrechen, das keine Verschlossenheit duldet: Es öffnet die Türen weit durch die Kraft eines Windes, der an die »Ruach«, den ursprünglichen Hauch, erinnert, und erfüllt die Verheißung der »Kraft«, die der Auferstandene vor seinem Abschied gemacht hat (vgl. Apg 1,8). Da kam plötzlich vom Himmel her »ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen« (Apg 2,2).

Zum Wind kommt dann das Feuer hinzu, das an den brennenden Dornbusch und den Sinai erinnert, mit dem Geschenk der zehn Worte (vgl. Ex 19,16-19). In der biblischen Überlieferung begleitet das Feuer die Offenbarung Gottes. Im Feuer übergibt Gott sein lebendiges und wirksames Wort (vgl. Hebr 4,12), das zur Zukunft hin öffnet; das Feuer drückt symbolisch sein Werk aus, die Herzen zu erwärmen, zu erleuchten und zu prüfen, und seine Fürsorge, indem er die menschlichen Werke auf ihre Widerstandsfähigkeit prüft, sie läutert und neu belebt. Während man am Sinai die Stimme Gottes hört, spricht in Jerusalem am Pfingstfest Petrus, der Fels, auf den Christus beschlossen hat, seine Kirche zu bauen. Sein Wort, das schwach und sogar fähig ist, den Herrn zu verleugnen, bekommt, vom Geist durchdrungen, Kraft und wird fähig, die Herzen zu durchbohren und zur Umkehr zu bewegen. Denn Gott erwählt das Schwache in der Welt, um das Starke zuschanden zu machen (vgl. 1 Kor 1,27).

Die Kirche entsteht also aus dem Feuer der Liebe und aus einem »Brand«, der an Pfingsten auflodert und die Kraft des Wortes des Auferstandenen, vom Heiligen Geist getränkt, zum Ausdruck bringt. Der neue und endgültige Bund ist nicht mehr auf ein Gesetz gegründet, das in Steintafeln geschrieben ist, sondern auf das Wirken des Geistes Gottes, der alles neu macht und in Herzen aus Fleisch eingeschrieben ist.

Das Wort der Apostel wird vom Geist des Auferstandenen durchtränkt und wird zum neuen, anderen Wort, das man jedoch versteht, gleichsam als werde es simultan in alle Sprachen übersetzt: Denn »jeder hörte sie in seiner Sprache reden « (Apg 2,6). Es ist die Sprache der Wahrheit und der Liebe, die universale Sprache: Auch die Analphabeten können sie verstehen. Alle verstehen die Sprache der Wahrheit und der Liebe. Wenn du mit der Wahrheit deines Herzens, mit Aufrichtigkeit hingehst und mit Liebe hingehst, werden alle dich verstehen. Auch wenn du nicht sprechen kannst, aber mit einer Liebkosung, die wahrhaftig und liebevoll ist.

Der Heilige Geist offenbart sich nicht nur durch eine Symphonie der Klänge, die die Vielfalt harmonisch vereint und zusammensetzt, sondern er tritt als Kapellmeister auf, der die Partituren des Lobpreises der »großen Werke« Gottes spielen lässt. Der Heilige Geist ist der Urheber der Gemeinschaft, er ist der Künstler der Versöhnung, der es versteht, die Schranken zwischen Juden und Griechen, zwischen Sklaven und Freien hinweg zu nehmen, um sie zu einem Leib zu machen. Er erbaut die Gemeinschaft der Gläubigen, indem er die Einheit des Leibes und die Vielfalt der Glieder in Einklang bringt. Er lässt die Kirche wachsen und hilft ihr, über die menschlichen Grenzen, über die Sünden und über jeden Skandal hinauszugehen.

Das Staunen ist groß, und manch einer fragt sich, ob jene Männer betrunken seien. Da greift Petrus im Namen aller Apostel ein und legt jenes Ereignis im Licht von Joël 3 aus, wo ein neues Ausgießen des Heiligen Geistes angekündigt wird. Die Jünger Jesu sind nicht betrunken, sondern leben das, was der heilige Ambrosius als »nüchterne Trunkenheit des Geistes« bezeichnet, die im Volk die Prophetie durch Träume und Visionen entzündet. Diese prophetische Gabe ist nicht einigen wenigen vorbehalten, sondern allen, die den Namen des Herrn anrufen.

Von jetzt an, von diesem Augenblick an, bewegt der Geist Gottes die Herzen, das Heil anzunehmen, das durch eine Person geht: Jesus Christus, den die Menschen an das Holz des Kreuzes genagelt haben und den Gott von den Toten auferweckt und »von den Wehen des Todes befreit« hat (Apg 2,24). Er ist es, der jenen Geist ausgegossen hat, der die Polyphonie des Lobpreises orchestriert und den alle hören können. Benedikt XVI. sagte: »Das ist Pfingsten: Jesus, und durch ihn Gott selbst, kommt zu uns und zieht uns in sich hinein« (Predigt in der Pfingstvigil, 3. Juni 2006; in O.R. dt., Nr. 24, S. 8). Der Geist wirkt die göttliche Anziehung: Gott verführt uns mit seiner Liebe und bezieht uns so ein, um die Geschichte zu bewegen und Prozesse in Gang zu setzen, durch die er das neue Leben filtert. Denn nur der Geist Gottes hat die Macht, jedes Umfeld menschlicher und brüderlicher zu machen, begonnen bei denen, die ihn annehmen.

Bitten wir den Herrn, uns ein neues Pfingsten erfahren zu lassen, das unsere Herzen weitet und unseren Sinn mit dem Sinn Christi in Einklang bringt, damit wir ohne Scham sein verwandelndes Wort verkündigen und die Kraft der Liebe bezeugen, die alles, dem sie begegnet, zum Leben ruft.

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Herzlich heiße ich alle Brüder und Schwestern deutscher Sprache willkommen. Der Heilige Geist macht lebendig und führt uns in Christus als seine Kirche zusammen. Lassen wir uns von seiner Kraft verwandeln, um das Heil des Herrn zu verkünden und seinen Frieden und seine Versöhnung zu bezeugen, die die Welt so sehr braucht. Der Heilige Geist erleuchte und führe uns allezeit.

 

 



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