PÄPSTLICHER RAT FÜR DIE FAMILIE
MENSCHLICHE SEXUALITÄT: WAHRHEIT UND BEDEUTUNG
Orientierungshilfen für die Erziehung in der Familie
EINLEITUNG
Situation und Problematik 1. Zu den vielfältigen Schwierigkeiten, mit denen sich Eltern heutzutage konfrontiert sehen — wobei man natürlich das jeweilige kulturelle Umfeld gebührend in Betracht ziehen muss —, zählt sicherlich auch die, den Kindern eine angemessene Vorbereitung auf das Erwachsenenalter bieten zu können, vor allem, wenn es darum geht, ihnen in der Erziehung die wahre Bedeutung von Sexualität zu vermitteln. Die Gründe für diese Schwierigkeit, die im übrigen nicht ganz neu ist, sind unterschiedlich. In früheren Zeiten gab es zwar von der Familie aus noch keine eigentliche geschlechtliche Erziehung, doch war die Allgemeinbildung vom Respekt vor den grundlegenden Werten geprägt und somit auch geeignet, diese in objektiver Weise zu schützen und zu erhalten. Seit die traditionellen Modelle in groben Teilen der Gesellschaft zunehmend an Bedeutung verlieren, und zwar in den entwickelten ebenso wie in den Schwellenländern, suchen die Jugendlichen vergebens nach einer eindeutigen und konkreten Orientierung, während die Eltern sich häufig außerstande sehen, die richtigen Antworten zu geben. Ferner verschärft sich diese neuartige Situation noch dadurch, dass die Wahrheit über den Menschen vor unseren Augen verdunkelt wird, und zwar unter anderem aufgrund einer Tendenz zur Banalisierung der Geschlechtlichkeit. Und so hat sich eine Kultur entwickelt, in der die Gesellschaft und die Massenmedien dem Betrachter in den meisten Fällen eine unpersönliche, oberflächliche, häufig pessimistische Form der Information bieten, die außerdem die unterschiedlichen Bildungs- und Entwicklungsstufen der Kinder und Jugendlichen nicht berücksichtigt, und dies alles unter dem Einfluss einer verzerrten Auffassung von Individualität und in einem Umfeld, dem sämtliche grundlegenden Wertbegriffe vom Leben, von der menschlichen Liebe und von der Familie verlorengegangen sind. Die Schule schließlich, die sich bereit erklärt hat, Programme zur sexuellen Aufklärung zu entwickeln, tritt dabei häufig an die Stelle der Familie, und zwar in aller Regel mit rein informativen Absichten. Und so kommt es zuweilen zu einer regelrechten Verbildung des Gewissens. Die Eltern selbst haben in vielen Fällen wegen der Schwierigkeit und mangelnder Vorbereitung darauf verzichtet, ihrer Aufgabe in diesem Bereich nachzukommen, oder sie sind damit einverstanden, sie anderen zu überlassen. In dieser Lage wenden sich zahlreiche katholische Eltern an die Kirche, damit sie es übernimmt, Richtlinien und Anregungen für die Erziehung der Kinder anzubieten, die sich vor allem auf die Phase der Kindheit und Jugend beziehen sollen. In manchen Fällen äußern die Eltern selbst ihr Unverständnis insbesondere gegenüber den Informationen, die in der Schule erteilt und dann von den Kindern mit nach Hause gebracht werden. So ist der Päpstliche Rat für die Familie wiederholt und dringend darum gebeten worden, den Eltern einen Leitfaden an die Hand zu geben, der geeignet ist, sie in diesem heiklen Bereich der Erziehung zu unterstützen. 2. Unser Dikasterium ist sich der Rolle bewusst, die die Familie bei der Erziehung zur Liebe und zum richtigen Umgang mit der eigenen Sexualität spielt, und wir beabsichtigen daher, einige Leitlinien seelsorgerischer Art vorzulegen. Wir werden dabei aus der Weisheit schöpfen, die dem Wort des Herrn entströmt, und aus den Werten, von denen die Lehre der Kirche erleuchtet ist, und wir werden auch die »Erfahrung mit der menschlichen Natur« bedenken, die der Gemeinschaft der Gläubigen eigen ist. Wir wollen diese Orientierungshilfe also vor allem in den Zusammenhang der grundlegenden Aussagen zur Wahrheit und Bedeutung der Geschlechtlichkeit stellen und sie in eine ursprüngliche und reiche Anthropologie einbetten. Wenn wir diese Wahrheit anbieten, so ist uns bewusst, dass »jeder, der aus der Wahrheit ist« (Joh 18,37), auf das Wort Dessen hört, der in Person die Wahrheit schlechthin ist (vgl. Joh 14,6). Dieser Leitfaden versteht sich weder als eine moraltheologische Abhandlung noch als ein Handbuch der Psychologie, sondern er will in gebührendem Maße die Errungenschaften der Wissenschaft, das sozio-kulturelle Umfeld der Familie und die Wertvorstellungen des Evangeliums berücksichtigen, die sich jeder Altersstufe als erfrischende Quelle und als Gelegenheit darbieten, sie in die konkrete Wirklichkeit umzusetzen. 3. Einige unbezweifelbare Gewissheiten dienen der Kirche auf diesem Gebiet als Stütze und waren auch bei der Abfassung des vorliegenden Dokuments richtungweisend. Die Liebe, die im Zusammenkommen von Mann und Frau ihre Nahrung und ihren Ausdruck findet, ist ein Geschenk Gottes; deshalb ist sie eine positive Kraft, die an die Reife der Persönlichkeit gebunden ist; sie ist aber auch erhabene Zurückhaltung in der Hingabe des eigenen Selbst, zu der alle, Männer und Frauen, aufgefordert sind, wenn sie in dem Lebensbereich, der für jeden einzelnen eine Berufung darstellt, Glück und Selbstverwirklichung finden wollen. Denn der Mensch ist als Geist im Fleisch, das heißt als Seele und Leib in der Einheit der Person, zur Liebe berufen. Die menschliche Liebe schließt ja den Leib mit ein, und der Leib bringt auch die geistige Liebe zum Ausdruck.1 Folglich ist die Geschlechtlichkeit nichts rein Biologisches, sie betrifft vielmehr den innersten Kern der Person. Sexualität als physische Hingabe ist dann verwirklicht und erfüllt ihren eigentlichen Sinn, wenn sie Ausdruck der personalen Hingabe von Mann und Frau bis an ihr Lebensende ist. Diese Liebe allerdings ist wie das ganze Leben des Menschen der Hinfälligkeit ausgesetzt, die eine Folge der Erbsünde ist, und sie wird in vielen soziokulturellen Bereichen als negativ, zuweilen auch als abwegig und traumatisch eingestuft. Doch das Erlösungswerk des Herrn hat den positiven Umgang mit der Keuschheit zu einer realen Möglichkeit und einem Grund zur Freude gemacht. Dies gilt sowohl für die zur Ehe Berufenen — sei es vorher, in der Vorbereitung, oder nachher, im Verlauf des ehelichen Lebens —, als auch für die, die das Geschenk einer besonderen Berufung zum gottgeweihten Leben erhalten haben. 4. Unter dem Blickwinkel der Erlösung und im Rahmen der Entwicklung der Heranwachsenden und Jugendlichen wird die Tugend der Keuschheit, die in der Mäßigung enthalten ist — eine der Kardinaltugenden, die bei der Taufe durch das Wirken der Gnade emporgehoben und bereichert worden ist —, nicht als eine Einschränkung verstanden, sondern im Gegenteil als das Sichtbarmachen und zugleich das Bewahren eines kostbaren und reichen Geschenkes, der Liebe, die man empfangen hat im Hinblick auf die Selbsthingabe, die sich in der besonderen Berufung eines jeden verwirklicht. Die Keuschheit ist demnach jene »geistige Kraft, die die Liebe gegen die Gefahren von Egoismus und Aggressivität zu schützen und zu ihrer vollen Entfaltung zu führen versteht«2. Im Katechismus der Katholischen Kirche wird die Keuschheit so beschrieben und in gewisser Hinsicht auch definiert: »Keuschheit bedeutet die geglückte Integration der Geschlechtlichkeit in die Person und folglich die innere Einheit des Menschen in seinem leiblichen und geistigen Sein.«3 5. Die Anleitung zur Keuschheit im Rahmen der Erziehung der Jugendlichen zur Selbstverwirklichung und Selbsthingabe setzt voraus, dass insbesondere die Eltern auch bei der Ausbildung anderer Tugenden mitwirken wie etwa der Mäßigung, der Tapferkeit und der Klugheit. Die Keuschheit als Tugend kann nicht bestehen ohne die Fähigkeit zum Verzicht, zum Opfer, zum Warten. Indem sie das Leben weitergeben, arbeiten die Eltern mit der Schöpferkraft Gottes zusammen und empfangen das Geschenk einer neuartigen Verantwortung: diese besteht für sie nicht allein darin, ihre Kinder zu ernähren und ihre materiellen und kulturellen Bedürfnisse zu befriedigen, sondern vor allem darin, ihnen die gelebte Wahrheit des Glaubens zu vermitteln und sie zur Gottes- und Nächstenliebe zu erziehen. Dies ist ihre erste Aufgabe im Schoße der »Hauskirche«4. Die Kirche hat immer daran festgehalten, dass die Eltern das Recht und die Pflicht haben, die ersten und eigentlichen Erzieher ihrer Kinder zu sein. In Anlehnung an das Zweite Vatikanische Konzil mahnt der Katechismus der Katholischen Kirche: »Jugendliche sollen über die Würde, die Aufgaben und den Vollzug der ehelichen Liebe am besten im Kreis der Familie selbst rechtzeitig in geeigneter Weise unterrichtet werden.«5 6. Von den Provokationen, die aus der heutigen Mentalität und dem gesellschaftlichen Umfeld kommen, dürfen sich Eltern nicht entmutigen lassen. Zum einen dürfen wir nicht vergessen, dass die Christen seit den Anfängen der Evangelisierung mit ähnlichen Herausforderungen des materialistischen Hedonismus zu kämpfen hatten. Und zum anderen »müsste sich unsere Zivilisation, obschon so viele positive Aspekte auf materieller wie auf kultureller Ebene zu verzeichnen sind, bewusst werden, dass sie unter verschiedenen Gesichtspunkten eine kranke Zivilisation ist, die tiefgreifende Entstellungen im Menschen erzeugt. Warum kommt es dazu? Der Grund liegt darin, dass unsere Gesellschaft sich von der vollen Wahrheit über den Menschen losgelöst hat, von der Wahrheit über das, was der Mann und die Frau als Personen sind. Infolgedessen vermag sie nicht angemessen zu begreifen, was die Hingabe der Personen in der Ehe, eine dem Dienst der Elternschaft verantwortliche Liebe, die authentische Größe der Elternschaft und der Erziehung wirklich sind«6. 7. Deshalb ist das erzieherische Wirken der Eltern unersetzlich, die »im Weiterschenken des Lebens am Schöpfungswerk Gottes teilnehmen«; sie haben »vermittels der Erziehung Anteil an seiner väterlichen und zugleich mütterlichen Erziehung (...) Durch Christus wird alle Erziehung, innerhalb der Familie wie außerhalb, in die heilschaffende Dimension der göttlichen Pädagogik hineingestellt, die auf die Menschen und auf die Familien ausgerichtet ist und ihren Gipfel findet im österlichen Geheimnis von Tod und Auferstehung des Herrn«7. Die Eltern dürfen sich also bei ihrer zuweilen schwierigen und heiklen Aufgabe nicht entmutigen lassen, sondern auf die Hilfe Gottes, des Schöpfers, und Christi, des Erlösers, vertrauen und daran denken, dass die Kirche für sie betet mit den Worten, die Papst Klemens I. an den Herrn richtete für alle, die in Seinem Namen Autorität ausüben: »Gib ihnen, Herr, Gesundheit, Frieden, Eintracht, Beständigkeit, damit sie die von dir ihnen gegebene Herrschaft untadelig ausüben! Denn du, himmlischer Herr, König der Äonen, gibst den Menschenkindern Herrlichkeit und Ehre und Gewalt über das, was auf Erden ist; du, Herr, lenke ihren Willen nach dem, was gut und wohlgefällig ist vor dir, damit sie in Frieden und Milde frommen Sinnes die von dir ihnen gegebene Gewalt ausüben und so deiner Huld teilhaftig werden!«8 Darüber hinaus verfügen die Eltern, die das Leben in einem Klima der Liebe geschenkt und empfangen haben, über eine erzieherische Kraft, wie sie niemand sonst in sich trägt: in einzigartiger Weise kennen sie ihre eigenen Kinder in ihrer unwiederholbaren Einmaligkeit, und aus Erfahrung besitzen sie die Geheimnisse und die Schätze der wahren Liebe.
I.
ZUR WAHREN LIEBE BERUFEN
8. Der Mensch als Ebenbild Gottes ist geschaffen, um zu lieben. Diese Wahrheit ist uns im Neuen Testament in aller Deutlichkeit offenbart worden, und zwar im Zusammenhang mit dem Geheimnis des Lebens innerhalb der Dreifaltigkeit: »Gott ist Liebe (1 Joh 4,8) und lebt in sich selbst ein Geheimnis personaler Liebesgemeinschaft. Indem er den Menschen nach seinem Bild erschafft (...), prägt Gott der Menschennatur des Mannes und der Frau die Berufung und daher auch die Fähigkeit und die Verantwortung zu Liebe und Gemeinschaft ein. Die Liebe ist demnach die grundlegende und naturgemäße Berufung jedes Menschen.«1 Der ganze Sinn der persönlichen Freiheit und der aus ihr folgenden Selbstbeherrschung ist also auf die Selbsthingabe in der Gemeinschaft und der Freundschaft mit Gott und den Menschen ausgerichtet.2 Die menschliche Liebe als Selbsthingabe 9. Der Mensch ist also zu einer höheren Form der Liebe fähig: nicht der Begierde, die ihr Gegenüber einzig als Objekt zur Befriedigung der eigenen Triebe betrachtet, sondern der Freundschaft und Opferbereitschaft, die die Menschen um ihrer selbst willen zu lieben und zu achten vermag. Es ist eine Liebe, die grobzügig sein kann, ähnlich wie die Liebe Gottes; man ist dem anderen zugetan, weil man erkennt, dab er würdig ist, geliebt zu werden. Es ist eine Liebe, die zur Gemeinschaft zwischen den Menschen führt, weil jeder das Gute im anderen als sein eigenes betrachtet. Es ist Selbsthingabe an die Person, die uns liebt, eine Selbsthingabe, in der unsere eigene Güte sich zeigt und erfüllt in der Gemeinschaft, und in der man lernt, was es bedeutet, geliebt zu werden und zu lieben. Jeder Mensch ist berufen zur freundschaftlichen und aufopfernden Liebe; und er wird durch die Liebe der anderen von seiner Neigung zum Egoismus befreit: zunächst von den Eltern oder ihren Stellvertretern und letztlich von Gott, von dem jede wahre Liebe ausgeht und in dessen Liebe allein der Mensch erkennen kann, wie sehr er geliebt wird. Hier liegt die Wurzel der erzieherischen Kraft des Christentums: »Gott liebt den Menschen! Diese einfache und erschütternde Verkündigung ist die Kirche dem Menschen schuldig.«3 So hat Christus dem Menschen seine wahre Identität enthüllt: »Christus, der neue Adam, macht eben in der Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe dem Menschen den Menschen selbst voll kund und erschließt ihm seine höchste Berufung.«4 Die von Christus offenbarte Liebe, »welcher der Apostel Paulus im Brief an die Korinther sein Hohelied gewidmet hat (...), ist gewiss eine anspruchsvolle Liebe. Doch genau darin besteht ihre Schönheit: in der Tatsache, dass sie anspruchsvoll ist, denn auf diese Weise baut sie das wahre Gute des Menschen auf«5 und lässt es auch auf die anderen ausstrahlen. Deshalb ist sie eine Liebe, die die Person des einzelnen respektiert und erhöht, denn »die Liebe ist wahr, wenn sie das Gute der Personen und der Gemeinschaften hervorruft, es hervorruft und es an die anderen weitergibt«6. Liebe und menschliche Geschlechtlichkeit 10. Der Mensch ist in seiner Einheit aus Körper und Geist zur Liebe und Selbsthingabe berufen. Weiblichkeit und Männlichkeit sind einander ergänzende Gaben, die der menschlichen Geschlechtlichkeit bedürfen als eines wesentlichen Bestandteils der konkreten Fähigkeit zur Liebe, die Gott in Mann und Frau angelegt hat. »Die Geschlechtlichkeit ist eine grundlegende Komponente der Persönlichkeit; sie ist eine ihrer Weisen zu sein, sich kundzutun, in Beziehung zu anderen zu treten, menschliche Liebe zu empfinden, auszudrücken und zu leben.«7 Diese Fähigkeit zur Liebe als Selbsthingabe ist also unter anderem »verkörpert« in der ehelichen Veranlagung des Leibes, in der die Männlichkeit und die Weiblichkeit der Person ihre Bestimmung haben. »Der menschliche Körper mit seiner Geschlechtlichkeit, seiner Männlichkeit und Weiblichkeit, ist, vom Geheimnis der Schöpfung her gesehen, nicht nur Quelle der Fruchtbarkeit und Fortpflanzung wie in der gesamten Naturordnung, sondern umfasst von "Anfang" an auch die Eigenschaft des "Bräutlichen", das heißt die Fähigkeit, der Liebe Ausdruck zu geben: jener Liebe, in der der Mensch als Person Geschenk wird und — durch dieses Geschenk — den eigentlichen Sinn seines Seins und seiner Existenz verwirklicht.«8 Jede Form der Liebe wird stets an diese Begriffe des Männlichen und des Weiblichen gebunden sein. 11. Die menschliche Geschlechtlichkeit ist folglich ein Gut: Teil jenes Schöpfungsgeschenkes, von dem Gott sah, dass es »sehr gut« war: er schuf den Menschen nach seinem Bilde und ihm ähnlich, und »als Mann und Frau schuf er sie« (Gen 1,27). Die Geschlechtlichkeit ist ein Weg, sich dem anderen zu nähern und zu öffnen, und somit ist ihr eigentliches Ziel die Liebe, genauer gesagt, die Liebe als Geschenk und Annahme, als Geben und Nehmen. Das Verhältnis zwischen einem Mann und einer Frau ist seinem Wesen nach ein Verhältnis der Liebe: »Die Geschlechtlichkeit, welche Ausrichtung, Überhöhung und Ergänzung von der Liebe erfährt, wird zu etwas wahrhaft Menschlichem.«9 Wenn eine solche Liebe sich in der Ehe erfüllt, bringt die leibliche Selbsthingabe die Wechselseitigkeit und Ganzheit der Hingabe zum Ausdruck; die eheliche Liebe wird also zu einer Kraft, die die Personen bereichert und weiterentwickelt, und zugleich trägt sie dazu bei, die Zivilisation der Liebe zu fördern; wenn dagegen Sinn und Bedeutung der Geschlechtlichkeit verlorengehen, tritt an ihre Stelle »eine Zivilisation der "Dinge" und nicht der "Personen"; eine Zivilisation, in der von "Personen" wie von "Dingen" Gebrauch gemacht wird. Im Zusammenhang mit der Zivilisation des Genusses kann die Frau für den Mann zu einem Objekt werden, die Kinder zu einem Hindernis für die Eltern«10. 12. Eine grobe Wahrheit und grundlegende Tatsache muss im Mittelpunkt des christlichen Gewissens der Eltern und Kinder stehen: das Geschenk Gottes. Es handelt sich um das Geschenk, das Gott uns gemacht hat, als er uns zum Leben berief und zum Dasein als Mann oder Frau in einer unwiederholbaren Existenz, die unerschöpfliche Möglichkeiten geistiger und moralischer Entwicklung in sich trägt: »Das menschliche Leben ist ein Geschenk, um seinerseits weitergeschenkt zu werden.«11 »Denn das Sich-Schenken bringt sozusagen ein besonderes Kennzeichen der personalen Existenz, ja des eigentlichen Wesens der Person zum Ausdruck. Wenn Gott (Jahwe) sagt, es sei "nicht gut, dass der Mensch allein bleibe" (Gen 2,18), bestätigt er, dass der Mensch "allein" dieses Wesen nicht vollständig verwirklicht. Er verwirklicht es nur, wenn er "mit irgend jemandem" lebt, und noch tiefer und vollkommener, wenn er "für irgend jemanden" da ist.«12 Wenn der Mensch sich dem anderen öffnet und sich ihm schenkt, erfüllt sich die eheliche Liebe in der Form völliger Selbsthingabe, die dem Ehestand eigen ist. Und auch die Berufung zum gottgeweihten Leben, »einer hervorragenden Weise, sich leichter mit ungeteiltem Herzen allein Gott hinzugeben«13, um ihm in der Kirche besser dienen zu können, erhält ihren Sinn in der von einer besonderen Gnade getragenen Selbsthingabe. In jeder Umgebung und Lebenssituation aber wird diese Hingabe noch wunderbarer durch das Wirken der befreienden Gnade, durch die wir »an der göttlichen Natur Anteil« erhalten (2 Petr 1,4) und berufen sind, gemeinsam die übernatürliche Liebesgemeinschaft mit Gott und den Brüdern zu leben. Auch in den schwierigsten Situationen dürfen christliche Eltern nicht vergessen, dass am Anfang der gesamten personalen und häuslichen Entwicklung das Geschenk Gottes steht. 13. »Als Geist im Fleisch, das heißt als Seele, die sich im Leib ausdrückt und als Leib, der von einem unsterblichen Geist durchlebt wird, ist der Mensch in dieser geeinten Ganzheit zur Liebe berufen. Die Liebe schließt auch den menschlichen Leib ein, und der Leib nimmt an der geistigen Liebe teil.«14 Ebenso muss die Bedeutung der Geschlechtlichkeit als Beziehung von Person zu Person im Licht der christlichen Offenbarung betrachtet werden: »Die Geschlechtlichkeit kennzeichnet Mann und Frau nicht nur im Biologischen, sondern auch im Psychologischen und Geistigen und prägt sie in jedem Vollzug ihres Lebens. Diese Verschiedenheit zusammen mit der gegenseitigen Ergänzung der beiden Geschlechter entspricht voll und ganz dem Plan Gottes je nach der Berufung eines jeden.«15 Die eheliche Liebe 14. Wenn die Liebe in der Ehe gelebt wird, schließt sie die Freundschaft in sich ein und geht über sie hinaus, und sie wird verwirklicht zwischen einem Mann und einer Frau, die sich in der Ganzheit ihrer eigenen Männlichkeit und Weiblichkeit hingeben und mit dem Ehebund jene Gemeinschaft der Personen begründen, die Gott gewollt hat, damit in ihr das menschliche Leben empfangen, geboren und zur Entfaltung gebracht werde. Zu dieser ehelichen Liebe und nur zu ihr gehört die sexuelle Hingabe, die »auf wahrhaft menschliche Weise nur vollzogen wird, wenn sie in jene Liebe integriert ist, mit der Mann und Frau sich bis zum Tod vorbehaltlos einander verpflichten«.16 Im Katechismus der Katholischen Kirche heißt es: »In der Ehe wird die leibliche Intimität der Gatten zum Zeichen und Unterpfand der geistigen Gemeinschaft. Das Eheband zwischen Getauften wird durch das Sakrament geheiligt.«17 Die für das Leben offene Liebe 15. Ein deutliches Kennzeichen für die Echtheit der ehelichen Liebe ist ihre Offenheit für das Leben: »In ihrer tiefsten Wirklichkeit ist die Liebe wesenhaft Gabe, und wenn die eheliche Liebe die Gatten zum gegenseitigen "Erkennen" führt (...), erschöpft sie sich nicht in der Gemeinschaft der beiden, sondern befähigt sie zum größtmöglichen Geben, zum Schenken des Lebens an eine neue menschliche Person, wodurch sie zu Mitarbeitern Gottes werden. Während sich die Eheleute einander schenken, schenken sie über sich selbst hinaus die Wirklichkeit des Kindes: lebender Widerschein ihrer Liebe, bleibendes Zeichen ihrer ehelichen Gemeinschaft, lebendige und unauflösliche Einheit ihres Vater- und Mutterseins.«18 Ausgehend von dieser Gemeinschaft der Liebe und des Lebens gelangen die Eheleute zu jenem menschlichen und geistigen Reichtum und jener positiven Atmosphäre, die es ihnen ermöglicht, ihren Kindern durch eine Erziehung zur Liebe und zur Keuschheit beizustehen.
II.
WAHRE LIEBE UND KEUSCHHEIT
16. Sowohl die jungfräuliche als auch die eheliche Liebe, die, wie wir später noch ausführen werden, die beiden Formen sind, in welchen sich die Berufung der Person zur Liebe verwirklicht, setzen, um sich entfalten zu können, voraus, dass ein jeder sich seinem Stand entsprechend zur Keuschheit verpflichtet. Die Geschlechtlichkeit — so formuliert es der Katechismus der Katholischen Kirche — »wird persönlich und wahrhaft menschlich, wenn sie in die Beziehung von Person zu Person, in die vollständige und zeitlich unbegrenzte wechselseitige Hingabe von Mann und Frau eingegliedert ist«1. Es versteht sich von selbst, dass das Wachsen in der Liebe, insofern es die aufrichtige Selbsthingabe einschließt, gefördert wird von jener Zügelung der Empfindungen, der Leidenschaften und der Gefühle, die uns zur Selbstbeherrschung hinführt. Niemand kann etwas geben, was er nicht besitzt: wenn der Mensch nicht Herr seiner selbst ist — aufgrund der Tugenden und, konkret, aufgrund der Keuschheit —, dann gehört er nicht sich selbst und kann sich mithin auch nicht verschenken. Die Keuschheit ist die geistige Kraft, die die Liebe von Egoismus und Aggressivität befreit. In dem Maße, in dem die Keuschheit im Menschen nachlässt, wird seine Liebe zunehmend egoistischer, das heißt, sie ist nicht länger Selbsthingabe, sondern Befriedigung einer Lust. Die Keuschheit als Selbsthingabe 17. Die Keuschheit ist das frohe Bekenntnis dessen, der die Selbsthingabe frei von jeder Knechtschaft des Egoismus zu leben vermag. Dies setzt voraus, dass der Mensch gelernt hat, die Person des anderen wahrzunehmen, sich auf sie einzulassen und dabei ihre Würde in der Andersartigkeit zu achten. Der keusche Mensch kreist weder um sich selbst, noch sind seine Beziehungen zu anderen Personen egoistischer Natur. Die Keuschheit bringt die Persönlichkeit zur Harmonie, lässt sie reifen und erfüllt sie mit innerem Frieden. Diese Reinheit des Geistes und des Körpers hilft uns, zu echter Selbstachtung zu finden, und befähigt uns gleichzeitig dazu, die anderen zu achten, denn in ihnen zeigt sie uns Personen, die Anspruch haben auf unsere Ehrerbietung, weil sie nach dem Bilde Gottes geschaffen und durch die Gnade Kinder Gottes sind, neugeschaffen von Christus, »der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat« (1 Petr 2,9). Die Selbstbeherrschung 18. »Die Keuschheit erfordert das Erlernen der Selbstbeherrschung, die eine Erziehung zur menschlichen Freiheit ist. Die Alternative ist klar: Entweder ist der Mensch Herr über seine Triebe und erlangt so den Frieden, oder er wird ihr Knecht und somit unglücklich.«2 Jeder weiß, auch aus Erfahrung, dass die Keuschheit es erforderlich macht, gewisse sündhafte Gedanken, Worte und Werke von sich zu weisen, wozu der heilige Paulus uns häufig genug in aller Deutlichkeit ermahnt (vgl. Röm 1,18; 6,12-14; 1 Kor 6,9-11; 2 Kor 7,1; Gal 5,16-23; Eph 4,17-24; 5,3-13; Kol 3,5-8; 1 Thess 4,1-18; 1 Tim 1,8-11; 4,12). Deshalb bedarf es einer Fähigkeit und einer Bereitschaft zur Selbstbeherrschung, die Zeichen von innerer Freiheit und Verantwortung sich selbst und den anderen gegenüber sind und zugleich von gläubigem Bewusstsein zeugen; diese Selbstbeherrschung besteht darin, dass man entweder die Gelegenheiten meidet, die zur Sünde herausfordern und verleiten, oder dass man die triebhaften Regungen der eigenen Natur zu unterdrücken vermag. 19. Wenn die Familie wertvolle erzieherische Hilfe leistet und zur Übung aller Tugenden ermutigt, dann wird die Erziehung zur Keuschheit erleichtert und von inneren Konflikten befreit, auch wenn die Jugendlichen in bestimmten Augenblicken in besonders heikle Situationen geraten können. Für einige, in deren Umfeld die Keuschheit beleidigt und beschimpft wird, kann das keusche Leben ein harter, zuweilen heroischer Kampf sein. Doch mit der Gnade Christi, die seiner Liebe zur Kirche als seiner Braut entströmt, können alle keusch leben, auch wenn sie sich in einer dafür wenig günstigen Lage befinden. Die Tatsache, dass alle zur Heiligkeit berufen sind, wie das Zweite Vatikanische Konzil erklärt, macht es leichter begreiflich, dass man in Situationen geraten kann — ja, es gerät tatsächlich jeder einmal in irgendeiner Weise für kürzere oder längere Zeit in eine solche —, in denen heroische Akte der Tugend unumgänglich sind.3 Und so birgt auch das Leben in der Ehe einen freudenreichen und anspruchsvollen Weg zur Heiligkeit in sich. Die eheliche Keuschheit 20. »Verheiratete sind berufen, in ehelicher Keuschheit zu leben; die anderen leben keusch, wenn sie enthaltsam sind.«4 Eltern wissen, dass die wirksamste Voraussetzung einer Erziehung ihrer Kinder zur keuschen Liebe und zur Heiligkeit des Lebens dann gegeben ist, wenn sie selbst die eheliche Keuschheit leben. Das heißt, sie sind sich dessen bewusst, dass in ihrer Liebe die Liebe Gottes gegenwärtig ist und dass deshalb auch ihre geschlechtliche Hingabe in der Ehrfurcht vor Gott und Seinem Plan der Liebe vollzogen werden muss, in Treue, Ehre und Grobzügigkeit dem Ehepartner und dem Leben gegenüber, das vielleicht aus ihrem Akt der Liebe hervorgehen wird. Nur so wird diese Hingabe zu einem Ausdruck der Caritas;5 deshalb ist der Christ in der Ehe dazu berufen, sie im Rahmen seiner eigenen, persönlichen Beziehung zu Gott zu vollziehen — als Ausdruck seines Glaubens und seiner Liebe zu Gott und folglich auch mit der Treue und der reichen Fruchtbarkeit, die Kennzeichen der göttlichen Liebe sind.6 Nur so wird sie der Liebe Gottes und seinem Willen gerecht, den wir mit Hilfe der Gebote erkennen können. Es gibt keine rechtmäßige Liebe, die nicht in ihrer höchsten Form auch Liebe Gottes wäre. Den Herrn lieben heißt, seine Gebote erfüllen: »Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten« (Joh 14,15).7 21. Um in Keuschheit zu leben, bedürfen Mann und Frau der immerwährenden Erleuchtung durch den Heiligen Geist. »Im Mittelpunkt der Ehespiritualität steht (...) die Keuschheit nicht nur als (von der Liebe geformte) sittliche Tugend, sondern ebenso als Tugend, die mit den Gaben des Heiligen Geistes verbunden ist — vor allem mit der Gabe der Ehrfurcht vor allem, was von Gott kommt (Gabe der Frömmigkeit — donum pietatis) (...) So ist also die innere Ordnung des ehelichen Zusammenlebens, die es den "Liebesäuberungen" gestattet, sich in ihrem richtigen Ausmaß und in ihrer Bedeutung zu entfalten, nicht nur Frucht der Tugend, in der sich die Eheleute üben, sondern auch der Gaben des Heiligen Geistes, mit dem sie zusammenwirken.«8 Die Eltern, die davon überzeugt sind, dass ihr eigenes keusches Leben und ihre Bemühungen, im Alltag Zeugen der Heiligkeit zu sein, die Voraussetzung und die Bedingung für ihr erzieherisches Wirken darstellen, müssen andererseits auch jeden Angriff auf die Tugend und die Keuschheit ihrer Kinder als eine Gefährdung ihres eigenen Glaubenslebens und als drohende Beeinträchtigung ihrer eigenen Gemeinschaft des Lebens und der Gnade betrachten (vgl. Eph 6,12). Die Erziehung zur Keuschheit 22. Durch die Erziehung der Kinder zur Keuschheit sollen drei Ziele erreicht werden: a) in der Familie ein positives Klima der Liebe, der Tugend und der Ehrfurcht vor den Gaben Gottes, insbesondere der Gabe des Lebens, zu bewahren;9 b) den Kindern schrittweise den Wert der Geschlechtlichkeit und der Keuschheit begreiflich zu machen und sie in ihrem Erwachsenwerden durch Unterweisung, vorbildliches Verhalten und Gebet zu unterstützen; c) ihnen dabei helfen, unter Berücksichtigung ihrer Anlagen, Neigungen und Geistesgaben und im Einklang mit diesen die eigene Berufung zur Ehe oder zur gottgeweihten Jungfräulichkeit im Dienste des Himmelreiches zu begreifen und zu entdecken. 23. Bei dieser Aufgabe können andere Erzieher zwar Hilfestellung leisten, doch können sie sie den Eltern nicht abnehmen, es sei denn aus schwerwiegenden Gründen wie etwa physischer oder moralischer Unfähigkeit. Zu diesem Punkt hat sich das kirchliche Lehramt klar geäubert,10 und zwar in bezug auf die Kindererziehung insgesamt: »Ihr (der Eltern) Erziehungswirken ist so entscheidend, dass es dort, wo es fehlt, kaum zu ersetzen ist. Den Eltern obliegt es, die Familie derart zu einer Heimstätte der Frömmigkeit und Liebe zu Gott und den Menschen zu gestalten, dass die gesamte Erziehung der Kinder nach der persönlichen wie der gesellschaftlichen Seite hin davon getragen wird. So ist die Familie die erste Schule der sozialen Tugenden, deren kein gesellschaftliches Gebilde entraten kann.«11 Die Erziehung ist Aufgabe der Eltern, denn das Erziehungswirken ist eine Fortsetzung der Zeugung und ein Schenken ihrer Menschlichkeit,12 zu der sie sich feierlich bei ihrer Eheschließungszeremonie verpflichtet haben. »Die Eltern sind die ersten und hauptsächlichen Erzieher der eigenen Kinder und haben auch in diesem Bereich grundlegende Zuständigkeit: sie sind Erzieher, weil sie Eltern sind. Sie teilen ihren Erziehungsauftrag mit anderen Personen und Institutionen wie der Kirche und dem Staat; dies muss jedoch immer in korrekter Anwendung des Prinzips der Subsidiarität geschehen. Dieses impliziert die Legitimität, ja die Verpflichtung, den Eltern Hilfe anzubieten, findet jedoch in deren vorgängigem Recht und in ihren tatsächlichen Möglichkeiten aus sich heraus seine unüberschreitbare Grenze. Das Prinzip der Subsidiarität stellt sich also in den Dienst der Liebe der Eltern und kommt dem Wohl der Familie in ihrem Innersten entgegen. In der Tat sind die Eltern nicht in der Lage, allein jedem Erfordernis des gesamten Erziehungsprozesses zu entsprechen, insbesondere was die Ausbildung und das breite Feld der Sozialisation betrifft. So vervollständigt die Subsidiarität die elterliche Liebe, indem sie deren Grundcharakter bestätigt, denn jeder andere Mitwirkende am Erziehungsprozess kann nur im Namen der Eltern, auf Grund ihrer Zustimmung und in einem gewissen Maße sogar in ihrem Auftrag tätig werden.«13 24. Insbesondere im Hinblick auf Geschlechtlichkeit und wahre, zur Selbsthingabe fähige Liebe muss sich die erzieherische Absicht mit einer positivistisch orientierten Kultur auseinandersetzen, wie es der Heilige Vater in seinem Brief an die Familien darlegt: »Die Entwicklung der modernen Zivilisation ist an einen naturwissenschaftlich-technologischen Fortschritt gebunden, der sich oft als einseitig erweist und demzufolge rein positivistische Wesensmerkmale aufweist. Der Positivismus hat bekanntlich auf theoretischem Gebiet den Agnostizismus und auf praktischem und sittlichem Gebiet den Utilitarismus zum Ergebnis (...) Der Utilitarismus ist eine "Zivilisation" der Produktion und des Genusses, eine Zivilisation der Dinge und nicht der "Personen"; eine Zivilisation, in der von "Personen" wie von "Dingen" Gebrauch gemacht wird (...) Um sich davon zu überzeugen«, — so führt der Heilige Vater weiter aus »braucht man nur manche Programme der Sexualerziehung zu prüfen, die häufig trotz gegenteiliger Meinung und des Protestes vieler Eltern in den Schulen eingeführt werden.«14 In einer solchen Situation ist es notwendig, dass die Eltern unter Rückbesinnung auf die Lehre der Kirche und mit ihrer Unterstützung die ihnen zustehende Aufgabe wieder übernehmen; dass sie sich, wo immer es nötig oder hilfreich ist, zusammenschließen und so eine erzieherische Tätigkeit entfalten, die auf die wahren Werte der Person und der christlichen Liebe ausgerichtet ist und durch klare Positionen den ethischen Utilitarismus zu überwinden vermag. Damit die Erziehung den objektiven Anforderungen der wahren Liebe entsprechen kann, muss sie der Eigenverantwortlichkeit der Eltern überlassen werden. 25. Auch bezüglich der Vorbereitung auf den Stand der Ehe sagt das kirchliche Lehramt, dass diese erzieherische Aufgabe in erster Linie Sache der Familie bleiben mub.15 Gewiss, »die inzwischen eingetretenen Veränderungen im sozialen Gefüge fast aller modernen Staaten erfordern jedoch, dass nicht nur die Familie, sondern auch die Gesellschaft und die Kirche daran mitwirken, die jungen Menschen auf die Verantwortung für ihre Zukunft richtig vorzubereiten«16. Gerade deshalb gewinnt die Erziehung durch die Familie schon in frühester Kindheit noch gröbere Bedeutung: »Die entferntere Vorbereitung beginnt schon in der Kindheit mit einer klugen Familienerziehung, deren Ziel es ist, die Kinder dahin zu führen, sich selbst als Menschen zu entdecken, die ein reiches und vielschichtiges seelisches Leben und eine besondere Persönlichkeit mit je eigenen Stärken und Schwächen besitzen.«17
III.
VOR DEM HINTERGRUND DER BERUFUNG
26. Die Familie spielt eine entscheidende Rolle bei der Entfaltung und Entwicklung aller Berufungen, wie das Zweite Vatikanische Konzil lehrt: »Aus diesem Ehebund nämlich geht die Familie hervor, in der die neuen Bürger der menschlichen Gesellschaft geboren werden, die durch die Gnade des Heiligen Geistes in der Taufe zu Söhnen Gottes gemacht werden, um dem Volke Gottes im Fluss der Zeiten Dauer zu verleihen. In solch einer Art Hauskirche sollen die Eltern durch Wort und Beispiel für ihre Kinder die ersten Glaubensboten sein und die einem jeden eigene Berufung fördern, die geistliche aber mit besonderer Sorgfalt.«1 Ja, gerade die Tatsache, dass die Berufungen sich frei entfalten können, ist ein Zeichen für eine angemessene Seelsorge in der Familie: »Wo es eine erleuchtete und wirksame Seelsorge durch die Familie gibt, ist es ebenso natürlich, dass das Leben freudig willkommen geheißen wird, wie es leichter ist, dass die Stimme Gottes erklingt und gröbere Aufmerksamkeit erhält.«2 Ob es sich nun um Berufungen zur Ehe oder zu Jungfräulichkeit und Zölibat handelt, immer sind es Berufungen zur Heiligkeit. Denn im Dokument Lumen gentium legt das Zweite Vatikanische Konzil seine Lehre von der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit dar: »Mit so reichen Mitteln zum Heile ausgerüstet, sind alle Christgläubigen in allen Verhältnissen und in jedem Stand je auf ihrem Wege vom Herrn berufen zu der Vollkommenheit in Heiligkeit, in der der Vater selbst vollkommen ist.«3 1. Die Berufung zur Ehe 27. Die Erziehung in der wahren Liebe ist die beste Vorbereitung auf die Berufung zur Ehe. In der Familie können die Kinder und Jugendlichen lernen, die menschliche Geschlechtlichkeit in der Kraft und dem Sinnzusammenhang eines christlichen Lebens zu leben. Schritt für Schritt entdecken sie, dass ein fester christlicher Ehebund nicht als das Ergebnis von Übereinkünften oder bloßer sexueller Anziehung betrachtet werden kann. Aufgrund der Tatsache, dass sie eine Berufung ist, kann die Ehe nicht ohne eine wohlüberlegte Entscheidung, das Eingehen einer gegenseitigen Verpflichtung vor Gott und die ständige Anrufung seiner Hilfe im Gebet zustande kommen. Zur ehelichen Liebe berufen 28. Die christlichen Eltern, die verpflichtet sind, ihre Kinder zur Liebe zu erziehen, können sich dabei vor allem auf das Bewusstsein ihrer eigenen ehelichen Liebe stützen. Wie es die Enzyklika Humanae vitae formuliert, »zeigt sich uns (die eheliche Liebe) in ihrem wahren Wesen und Adel, wenn wir sie von ihrem Quellgrund her sehen; von Gott, der "Liebe ist" (vgl. 1 Joh 4,8), von ihm, dem Vater, "nach dem alle Vaterschaft im Himmel und auf Erden ihren Namen trägt" (vgl. Eph 3,15). Weit davon entfernt, das bloße Produkt des Zufalls oder Ergebnis des blinden Ablaufs von Naturkräften zu sein, ist die Ehe in Wirklichkeit vom Schöpfergott in weiser Voraussicht so eingerichtet, dass sie in den Menschen seinen Liebesplan verwirklicht. Darum streben Mann und Frau durch ihre gegenseitige Hingabe, die ihnen in der Ehe eigen und ausschließlich ist, nach jener personalen Gemeinschaft, in der sie sich gegenseitig vollenden, um mit Gott bei der Weckung und Erziehung neuen menschlichen Lebens zusammenzuwirken. Darüber hinaus hat für die Getauften die Ehe die hohe Würde eines sakramentalen Gnadenzeichens und bringt darin die Verbundenheit Christi mit seiner Kirche zum Ausdruck«4. In seinem Brief an die Familien betont der Heilige Vater: »Die Familie ist tatsächlich eine Gemeinschaft von Personen, für welche die spezifische Existenzform und Art des Zusammenlebens die Gemeinsamkeit ist: communio personarum«5; und unter Berufung auf die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils weist der Heilige Vater darauf hin, dass eine solche Gemeinschaft »eine gewisse Ähnlichkeit« in sich birgt »(...) zwischen der Einheit der göttlichen Personen und der Einheit der Kinder Gottes in der Wahrheit und der Liebe«6. »Diese besonders reichhaltige und prägnante Formulierung stellt vor allem heraus, was für die tiefste Identität jedes Mannes und jeder Frau entscheidend ist. Diese Identität besteht in der Fähigkeit, in der Wahrheit und in der Liebe zu leben; ja, noch mehr, sie besteht im Verlangen nach Wahrheit und Liebe als bestimmende Dimension des Lebens der Person. Dieses Verlangen nach Wahrheit und Liebe macht den Menschen sowohl offen für Gott wie für die Geschöpfe: es macht ihn offen für die anderen Menschen, für das Leben "in Gemeinschaft", vor allem für die Ehe und die Familie.«7 29. Die eheliche Liebe hat nach Aussage der Enzyklika Humanae vitae vier Merkmale: sie ist menschliche Liebe (sinnenhaft und geistig), sie ist uneingeschränkte, treue und fruchtbare Liebe.8 Diese Merkmale stützen sich auf die Tatsache, dab »Mann und Frau sich in der Ehe so innig miteinander vereinen, dass sie — nach den Worten der Genesis — "ein Fleisch" werden (Gen 2,24). Die zwei Menschenwesen, die auf Grund ihrer physischen Verfassung männlich und weiblich sind, haben trotz körperlicher Verschiedenheit in gleicher Weise teil an der Fähigkeit, "in der Wahrheit und der Liebe" zu leben. Diese Fähigkeit, die für das menschliche Wesen, insofern es Person ist, charakteristisch ist, hat zugleich eine geistige und körperliche Dimension (...) Die aus dieser Vereinigung hervorgegangene Familie gewinnt ihre innere Festigkeit aus dem Bund zwischen den Ehegatten, den Christus zum Sakrament erhoben hat. Sie empfängt ihren Gemeinschaftscharakter, ja ihre Wesensmerkmale als "Gemeinschaft" aus jener grundlegenden Gemeinsamkeit der Ehegatten, die sich in den Kindern fortsetzt. "Seid ihr bereit, in Verantwortung und Liebe die Kinder, die Gott euch schenken will, anzunehmen und zu erziehen?" — fragt der Zelebrant während des Trauungsritus. Die Antwort der Brautleute entspricht der tiefsten Wahrheit der Liebe, die sie verbindet.«9 Und mit derselben Formel der Eheschließungszeremonie verpflichten sich die Brautleute und versprechen, "einander ihr Leben lang treu zu bleiben"10, eben deswegen, weil die Treue der Eheleute aus jener Gemeinschaft der Personen hervorgeht, die verankert ist im Plan des Schöpfers, in der Liebe der Dreifaltigkeit und im Sakrament, das die treue Einheit Christi mit der Kirche zum Ausdruck bringt. 30. Die christliche Ehe ist ein Sakrament, das die Geschlechtlichkeit in einen Weg der Heiligkeit einbindet, mit einem Band, das durch die untrennbare eheliche Einheit noch verstärkt wird: »Das Geschenk des Sakraments ist für die christlichen Ehegatten zugleich Berufung und Gebot, einander über alle Prüfungen und Schwierigkeiten hinweg für immer treu zu bleiben, in hochherzigem Gehorsam gegen den heiligen Willen des Herrn: "Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen."«11 Die Eltern stehen vor einer besorgniserregenden aktuellen Situation 31. Auch in den christlichen Gesellschaften haben Eltern heutzutage leider allen Grund, sich um die Beständigkeit der zukünftigen Ehen ihrer Kinder zu sorgen. Und doch müssen sie trotz der steigenden Scheidungsrate und der sich verschärfenden Krise in den Familien mit Optimismus reagieren und daraus für sich die Verpflichtung ableiten, die eigenen Kinder zutiefst christlich zu erziehen, damit sie in der Lage sind, die mannigfaltigen Schwierigkeiten zu überwinden. Konkret gesprochen, begünstigt die Liebe zur Keuschheit, die sie in ihnen erwecken können, die gegenseitige Achtung zwischen Mann und Frau und befähigt zu Mitgefühl, Zärtlichkeit, Toleranz, Grobzügigkeit und vor allem zu jener Opferbereitschaft, ohne die keine dauerhafte Liebe möglich ist. Und so werden die Kinder mit jenem klugen Realismus in den Stand der Ehe eintreten, von dem der heilige Paulus spricht, der uns lehrt, dass jeder Ehepartner die Liebe des anderen ständig neu gewinnen muss und dass ihr Umgang miteinander von wechselseitiger Zuneigung und Geduld getragen sein soll (vgl. 1 Kor 7,3-6; Eph 5,21-23). 32. Durch diese früheste Erziehung zur Keuschheit in der Familie lernen die Heranwachsenden und die Jugendlichen, die Geschlechtlichkeit in ihrem Bezug auf die Person zu leben, das heißt, jegliche Trennung der Geschlechtlichkeit von der — als Selbsthingabe verstandenen — Liebe und jegliche Trennung der ehelichen Liebe von der Familie abzulehnen. Die Achtung der Eltern vor dem Leben und dem Geheimnis der Fortpflanzung bewahrt das Kind oder den Jugendlichen vor der irrigen Annahme, man könne die beiden Dimensionen des ehelichen Akts, also die Vereinigung und die Fortpflanzung, nach eigenem Gutdünken voneinander trennen. Somit wird die Familie als fester Bestandteil der Berufung zur Ehe erkannt. Eine christliche Erziehung zur Keuschheit in der Familie darf nicht verschweigen, wie schwer es moralisch gesehen wiegt, die beiden Dimensionen der Vereinigung und Fortpflanzung innerhalb des ehelichen Lebens voneinander zu trennen, was vor allem bei der Empfängnisverhütung und der künstlichen Befruchtung geschieht: im ersten Fall sucht man die sexuelle Lust und greift in die Erfüllung des ehelichen Akts ein, um eine Empfängnis zu verhindern; im zweiten Fall sucht man die Empfängnis und ersetzt den ehelichen Akt durch einen technischen Vorgang. Beides steht im Gegensatz zur wahren Bedeutung der ehelichen Liebe und zur völligen Gemeinschaft der Eheleute. Deshalb mub die Erziehung der Jugendlichen zur Keuschheit Vorbereitung auf die verantwortungsvolle Elternschaft sein, die »direkt den Augenblick betrifft, wo der Mann und die Frau dadurch, dass sie sich zu "einem Fleisch" vereinen, Eltern werden können. Es ist ein an besonderem Wert reicher Augenblick, sei es für ihre interpersonale Beziehung, sei es für ihren Dienst am Leben: sie können Eltern — Vater und Mutter — werden und das Leben an ein neues menschliches Wesen weitergeben. Die beiden Dimensionen der ehelichen Vereinigung, nämlich Vereinigung und Zeugung, lassen sich nicht künstlich trennen, ohne die tiefste Wahrheit des ehelichen Akts selbst anzugreifen«12. Es ist auch notwendig, den Jugendlichen die noch schlimmeren Folgen vor Augen zu halten, die aus der Trennung von Geschlechtlichkeit und Fortpflanzung erwachsen, wenn es zur Sterilisierung oder Abtreibung kommt, oder dazu, dass man die Sexualität vor und neben der Ehe getrennt von der ehelichen Liebe praktiziert. Von diesem erzieherischen Moment, das im Plan Gottes, in der Struktur der Geschlechtlichkeit an sich, im innersten Wesen der Ehe und der Familie festgeschrieben ist, hängt ein grober Teil der sittlichen Ordnung und der ehelichen Harmonie innerhalb der Familie ab — und somit auch das wirkliche Wohl der Gesellschaft. 33. Die Eltern, die ihrem ureigenen Recht und ihrer Pflicht nachkommen, ihre Kinder zur Keuschheit zu erziehen, können versichert sein, dass sie diesen helfen, ihrerseits dauerhafte und einträchtige Familien zu gründen und so die Freuden des Paradieses, soweit dies möglich ist, vorwegzunehmen: »Wie vermag ich das Glück jener Ehe zu schildern, die von der Kirche geeint, vom Opfer gestärkt und vom Segen besiegelt ist, von den Engeln verkündet und vom Vater anerkannt? (...) Die beiden Eheleute sind wie Geschwister, sie dienen einander, ohne dass es eine Trennung zwischen ihnen geben kann, weder im Fleisch noch im Geist (...) In ihnen freut Christus sich und sendet ihnen seinen Frieden; wo zwei sind, da ist auch Er, und wo Er ist, da kann das Böse nicht mehr sein.«13 2. Die Berufung zur Jungfräulichkeit und zum Zölibat 34. Die christliche Offenbarung stellt uns zwei Berufungen zur Liebe vor Augen: die Ehe und die Jungfräulichkeit. In einigen Gesellschaften der Gegenwart befinden sich neben Ehe und Familie nicht selten auch die Berufungen zum Priestertum und zum Ordensleben in einer Krise. Die beiden Bereiche sind nicht voneinander zu trennen: »Ohne Achtung für die Ehe kann es auch keine gottgeweihte Jungfräulichkeit geben; wenn die menschliche Sexualität nicht als ein hoher, vom Schöpfer geschenkter Wert betrachtet wird, verliert auch der um des Himmelreiches willen geleistete Verzicht auf sie seine Bedeutung.«14 Auf den Zerfall der Familie folgt der Mangel an Berufungen; wo aber die Eltern in grobzügiger Weise das Leben annehmen, da sind auch die Kinder eher bereit, wenn es darum geht, es Gott zu weihen: »Die Familien müssen zu einer hochherzigen Liebe zum Leben zurückkehren und sich in seinen Dienst stellen, vor allem dadurch, dass sie mit Verantwortungsbewußtsein, das fest verbunden ist mit frohem Vertrauen, die Kinder annehmen, die der Herr ihnen schenken möchte«; und dass sie diese Bereitschaft, die Kinder anzunehmen, vollenden, nicht nur »durch fortgesetztes erzieherisches Handeln (...), sondern auch durch die gebotene, manchmal vielleicht vernachlässigte Aufgabe, vor allem den heranwachsenden jungen Menschen zu helfen, dass sie die berufliche Dimension jedes Lebens nach dem Plan Gottes auffassen (...) Das menschliche Leben kommt zu seiner vollen Erfüllung, wenn es zur Hingabe seiner selbst wird: einer Hingabe, die in der Mutterschaft, in der gottgeweihten Jungfräulichkeit, in der Hingabe an den Nächsten um eines Ideals willen, in der Entscheidung für das Priestertum zum Ausdruck kommen kann. Die Eltern werden dem Leben ihrer Kinder einen wirklichen Dienst erweisen, wenn sie ihnen helfen, aus ihrem Leben eine Gabe zu machen, und wenn sie ihre reifen Entscheidungen achten und mit Freude jede Berufung fördern, auch die zum Ordensleben und Priesterdienst.«15 Im Zusammenhang mit der Geschlechtserziehung betont Papst Johannes Paul II. daher in seinem Schreiben Familiaris consortio: »Die christlichen Eltern werden sogar — sollten sie die Zeichen einer göttlichen Berufung erkennen — der Erziehung zur Jungfräulichkeit eine besondere Aufmerksamkeit und Sorge widmen und in ihr die höchste Form jener Selbsthingabe sehen, welche den Sinn der menschlichen Geschlechtlichkeit bildet.«16 Die Eltern und die Berufungen zum Priester- und Ordensstand 35. Deshalb sollen die Eltern sich freuen, wenn sie in einem ihrer Kinder Anzeichen dafür erkennen, dab Gott es ausersehen hat zur höchsten Berufung der Jungfräulichkeit oder des Zölibats aus Liebe zum Reich Gottes. Also müssen sie die Erziehung zur keuschen Liebe den Bedürfnissen solcher Kinder anpassen, indem sie sie ermutigen, ihren Weg zu gehen bis zum Eintritt ins Seminar oder Ordenshaus, oder sie müssen diese besondere Berufung zur Selbsthingabe mit ungeteiltem Herzen in den Kindern zur Reife bringen. Sie müssen ferner die Freiheit jedes ihrer Kinder respektieren und anerkennen und sie in ihrer persönlichen Berufung bestärken, ohne ihnen eine bestimmte Berufung aufdrängen zu wollen. Das Zweite Vatikanische Konzil weist ausdrücklich auf diese besondere und ehrenvolle Aufgabe der Eltern hin, die in ihrem Wirken von den Lehrern und den Geistlichen unterstützt werden: »Die Eltern sollen eine Berufung ihrer Kinder zum Ordensleben durch eine christliche Erziehung pflegen und schützen.«17 »Berufe zu fördern ist Aufgabe der gesamten christlichen Gemeinde (...) Den wichtigsten Beitrag dazu leisten einmal die Familien; durchdrungen vom Geist des Glaubens, der Liebe und der Frömmigkeit werden sie gleichsam zum ersten Seminar; zum anderen die Pfarrgemeinden, an deren blühendem Leben die Jugendlichen selbst teilnehmen.«18 »Die Eltern, Lehrer und alle, die in irgendeiner Weise an der Unterweisung der Jugend und der jungen Männer beteiligt sind, sollen diese so erziehen, dab sie die Sorge des Herrn für seine Herde erkennen, die Erfordernisse der Kirche erwägen und bereit sind, wenn der Herr ruft, mit dem Propheten hochherzig zu antworten: "Hier bin ich, sende mich" (Jes 6,8).«19 Diese für das Reifen der Berufungen zum Ordens- und Priesterstand notwendige familiäre Umgebung gemahnt uns an die insbesondere in bestimmten Ländern sehr ernste Situation vieler Familien, in denen nur wenig Leben herrscht, weil sie gewollt entweder gar keine Kinder oder nur ein einziges Kind haben, und wo ein Aufkeimen von Berufungen und auch eine angemessene soziale Erziehung nur schwerlich möglich ist. 36. Ferner wird eine wirklich christliche Familie imstande sein, den Wert der christlichen Ehelosigkeit und Keuschheit auch denjenigen ihrer Kinder begreiflich zu machen, die nicht verheiratet oder aus Gründen, die außerhalb ihres eigenen Willens liegen, nicht zur Ehe fähig sind. Wenn sie von Kindheit an und im Jugendalter richtig unterwiesen werden, dann sind sie eher in der Lage, sich ihrer eigenen Situation zu stellen. Mehr noch, sie können in dieser Situation den Willen Gottes recht erkennen und so in ihrem eigenen Leben einen Sinn der Berufung und des Friedens finden.20 Diese Menschen sind, insbesondere wenn sie unter körperlichen Beeinträchtigungen leiden, dazu bestimmt, die groben Möglichkeiten der Selbstverwirklichung und der geistigen Fruchtbarkeit zu entdecken, die mit Hilfe des Glaubens und der Liebe Gottes dem offenstehen, der sich für seine ärmeren und bedürftigeren Brüder einsetzt.
IV.
VATER UND MUTTER ALS ERZIEHER
37. Gott, der den Eheleuten das Vorrecht und die grobe Verantwortung der Elternschaft verliehen hat, schenkt ihnen auch die Gnade, ihre Sendung in angemessener Weise zu erfüllen. Außerdem sind die Eltern bei ihrer Aufgabe der Kindererziehung erleuchtet von »zwei grundlegenden Wahrheiten (...): die erste ist, dass der Mensch zum Leben in der Wahrheit und in der Liebe berufen ist; die zweite Grundwahrheit besagt, dass sich jeder Mensch durch die aufrichtige Hingabe seiner Selbst verwirklicht«.1 Als Eheleute, Eltern und Verwalter der sakramentalen Gnade der Ehe werden die Eltern Tag für Tag von Jesus Christus, der die Kirche, Seine Braut, liebt und ernährt, mit besonderen geistigen Kräften unterstützt. Als Eheleute, die durch das Band der Ehe »ein Fleisch« geworden sind, teilen sie sich in die Pflicht, ihre Kinder zu erziehen in bereitwilliger Zusammenarbeit und lebendigem wechselseitigem Dialog, der »eine neue und spezifische Quelle im Ehesakrament hat, das sie für eine wahrhaft christliche Erziehung der Kinder weiht, das heißt dazu beruft, an der Autorität und der Liebe Gottes, des Vaters und Christi, des Göttlichen Hirten, wie auch an der mütterlichen Liebe der Kirche teilzunehmen, und sie mit der Gabe der Weisheit, des Rates, der Stärke und jeder anderen Gabe des Heiligen Geistes ausstattet, damit sie den Kindern in ihrem menschlichen und christlichen Reifungsprozess beistehen können«2. 38. Im Zusammenhang mit der Erziehung zur Keuschheit umfasst die »Vater-Mutterschaft« selbstverständlich auch den Alleinerziehenden und die Adoptiveltern. Die Aufgabe des Alleinerziehenden ist gewiss nicht leicht, weil ihm die Unterstützung des anderen Ehepartners fehlt und damit die Rolle und das Beispiel eines Elternteils anderen Geschlechts. Gott aber steht den alleinerziehenden Eltern mit besonderer Liebe bei und ruft sie dazu auf, sich dieser Aufgabe mit derselben Grobzügigkeit und Feinfühligkeit zu stellen, mit der sie ihre Kinder in den anderen Bereichen des Familienlebens lieben und umsorgen. 39. Es gibt noch weitere Personen, die in manchen Fällen dazu berufen sind, den Platz der Eltern einzunehmen: jene, die beispielsweise bei Waisen oder bei ausgesetzten Kindern auf Dauer eine Elternrolle übernommen haben. Ihnen fällt die Aufgabe zu, die Kinder und Jugendlichen in allen Bereichen, auch in dem der Keuschheit, zu erziehen, und sie werden die Standesgnade erhalten, um dies nach denselben Prinzipien zu tun, denen auch die christlichen Eltern folgen. 40. Die Eltern dürfen sich in ihren Bemühungen niemals alleingelassen fühlen. Die Kirche unterstützt und ermutigt sie, weil sie zuversichtlich glaubt, dass sie besser als jeder andere in der Lage sind, diese Aufgabe zu erfüllen. Gleichermaßen bestärkt sie diejenigen Männer und Frauen, die elternlosen Kindern häufig unter groben Opfern eine Form von elterlicher Liebe und von Familienleben schenken. In jedem Fall aber müssen sich alle dieser Aufgabe nähern in einem Geist des Gebets, der Offenheit und des Gehorsams gegenüber den moralischen Wahrheiten des Glaubens und der Vernunft, die die Lehre der Kirche ergänzen, und dabei müssen sie die Kinder und Jugendlichen als Personen betrachten, als Kinder Gottes und Erben des Reiches. Die Rechte und Pflichten der Eltern 41. Ehe wir auf die praktischen Details der Erziehung der Jugendlichen zur Keuschheit zu sprechen kommen, ist es von größter Wichtigkeit, dass die Eltern sich ihrer Rechte und Pflichten bewusst sind, vor allem einem Staat und einer Schule gegenüber, die dazu neigen, auf dem Gebiet der sexuellen Aufklärung die Initiative zu ergreifen. In seinem Schreiben Familiaris consortio bekräftigt der Heilige Vater Johannes Paul II.: »Das Recht und die Pflicht der Eltern zur Erziehung sind als wesentlich zu bezeichnen, da sie mit der Weitergabe des menschlichen Lebens verbunden sind; als unabgeleitet und ursprünglich, verglichen mit der Erziehungsaufgabe anderer, aufgrund der Einzigartigkeit der Beziehung, die zwischen Eltern und Kindern besteht; als unersetzlich und unveräußerlich, weshalb sie anderen nicht völlig übertragen noch von anderen in Beschlag genommen werden können«3; der oben erwähnte Fall körperlichen oder seelischen Unvermögens bildet natürlich eine Ausnahme. 42. Diese Lehre stützt sich auf das Zweite Vatikanische Konzil4 und ist auch in der Charta der Familienrechte formuliert worden: »Weil sie ihren Kindern das Leben geschenkt haben, besitzen die Eltern das ursprüngliche, erste und unveräußerliche Recht, sie zu erziehen; sie (...) haben das Recht, ihre Kinder in Übereinstimmung mit ihren moralischen und religiösen Überzeugungen zu erziehen und dabei die kulturellen Traditionen ihrer Familie zu berücksichtigen, die Wohl und Würde des Kindes fördern; sie sollten auch die notwendige Hilfe und Unterstützung der Gesellschaft erhalten, um ihre Erziehungsaufgabe richtig zu erfüllen.«5 43. Der Papst betont, dass dies insbesondere für die Geschlechtlichkeit gilt: »Die Geschlechtserziehung, Grundrecht und -pflicht der Eltern, muss immer unter ihrer sorgsamen Leitung erfolgen, sei es zu Hause, sei es in den von ihnen für ihre Kinder gewählten Bildungsstätten, deren Kontrolle ihnen zusteht. In diesem Sinn betont die Kirche das Prinzip der Subsidiarität, das die Schule beobachten muss, wenn sie sich an der Geschlechtserziehung beteiligt; sie hat sich dabei vom gleichen Geist leiten zu lassen wie die Eltern.«6 Der Heilige Vater fügt hinzu: »Aufgrund der engen Verbindungen zwischen der geschlechtlichen Dimension der Person und ihren ethischen Werten muss die Erziehung der Kinder dazu führen, die sittlichen Normen als notwendige und wertvolle Garantie für ein verantwortliches persönliches Wachsen in der menschlichen Geschlechtlichkeit zu erkennen und zu schätzen.«7 Niemand vermag die sittliche Erziehung auf diesem schwierigen Gebiet besser durchzuführen als die Eltern, wenn sie in gebührender Weise darauf vorbereitet sind. Die Bedeutung der elterlichen Pflicht 44. Dieses Recht schließt auch eine erzieherische Aufgabe mit ein: wenn Eltern ihren Kindern keine angemessene Erziehung zur Keuschheit zuteil werden lassen, kommen sie einer klar umrissenen Pflicht nicht nach; und ebenso würden sie sich schuldig machen, wenn sie es zulieben, dass ihre Kinder außerhalb ihres Zuhauses eine unsittliche oder unangemessene Erziehung erhalten. 45. Besonders schwierig ist diese Aufgabe heute auch wegen der über die sozialen Kommunikationsmittel ausgestrahlten Pornographie, die sich nach kommerziellen Kriterien richtet und das Zartgefühl der Heranwachsenden abstumpft. Dagegen müssen sich die Eltern in zweifacher Hinsicht zur Wehr setzen: durch eine vorbeugende und kritische Erziehung den Kindern gegenüber und durch energische Beschwerden bei der Staatsgewalt. Die Eltern haben als einzelne oder zu mehreren das Recht und die Pflicht, für das Wohl ihrer Kinder Sorge zu tragen und von der Staatsgewalt Gesetze zu verlangen, die es unterbinden und verhindern, dass auf Kosten des Zartgefühls der Kinder und Jugendlichen solche Geschäfte gemacht werden.8 46. Der Heilige Vater unterstreicht diese Aufgabe der Eltern und umreibt sie in ihrer Richtung und Zielsetzung: »Angesichts einer Kultur, die in weiten Kreisen die menschliche Geschlechtlichkeit "banalisiert", weil sie diese in verkürzter und verarmter Weise interpretiert und lebt, indem sie sie einzig mit dem Leib und dem egoistisch verstandenen Vergnügen in Verbindung setzt, muss der erzieherische Dienst der Eltern entschieden auf eine Kultur der Geschlechtlichkeit hinzielen, die wahrhaft und vollmenschlich ist; die Geschlechtlichkeit ist ja ein Reichtum der ganzen Person — Leib, Gemüt und Seele — und zeigt ihre tiefste Bedeutung darin, dass sie die Person zur Hingabe ihrer selbst in der Liebe führt.«9 47. Wir dürfen keinesfalls vergessen, dass es sich bei der Geschlechtserziehung um ein Pflicht-Recht handelt, das die christlichen Eltern früher nur wenig wahrgenommen und ausgeübt haben, vielleicht, weil das Problem nicht so ernst war wie heute; oder weil ihre Bemühungen teilweise ersetzt wurden durch den Einfluss der herrschenden gesellschaftlichen Leitbilder und außerdem durch die ergänzende Arbeit, die die Kirche und die katholische Schule auf diesem Gebiet leisteten. Es ist heutzutage für die Eltern nicht leicht, diese erzieherische Aufgabe zu übernehmen, weil sie sich als sehr vielschichtig erweist und selbst die Möglichkeiten der Familie übersteigt und weil es in den meisten Fällen nicht möglich ist, auf dem erzieherischen Wirken der eigenen Eltern aufzubauen. Deswegen hält die Kirche es für ihre Pflicht, auch mit diesem Dokument dazu beizutragen, dass die Eltern das Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten wiedergewinnen, und ihnen bei der Erfüllung ihrer Aufgabe beizustehen.
V.
WEGWEISER ZUR ERZIEHUNG IM SCHOSS DER FAMILIE
48. Die familiäre Umgebung ist also der normale und übliche Ort, um die Kinder und Jugendlichen zur Festigung und Übung in den Tugenden der Liebe, der Mäßigung, der Tapferkeit und folglich auch der Keuschheit heranzubilden. Als Hauskirche ist die Familie in der Tat die Schule reich entfalteter Humanität.1 Dies gilt insbesondere für die sittliche und geistige Erziehung, vor allem in einem so schwierigen Punkt wie dem der Keuschheit: in ihr nämlich kreuzen sich körperliche, seelische und geistige Aspekte, freiheitliche Bestrebungen und Einflüsse gesellschaftlicher Leitbilder, natürliche Scham und heftige Triebe, die in der Leiblichkeit des Menschen angelegt sind; alle diese Faktoren stehen in Zusammenhang mit dem möglicherweise nur im Unterbewusstsein vorhandenen Wissen um die Würde der menschlichen Person, die berufen ist zur Zusammenarbeit mit Gott und doch zugleich auch gezeichnet von ihrer eigenen Zerbrechlichkeit. In einem christlichen Haushalt haben die Eltern die Kraft, die Persönlichkeit ihrer Kinder im christlichen Sinne zur Reife zu führen, in der Nachfolge Christi und innerhalb seines mystischen Leibes, der Kirche.2 Obwohl die Familie über diese Kräfte verfügt, bedarf sie doch auch der Unterstützung durch Staat und Gesellschaft gemäß dem Subsidiaritätsprinzip: »Es kommt jedoch vor, dass die Familie, wenn sie bereit ist, ihrer Berufung voll zu entsprechen, ohne die nötige Unterstützung von Seiten des Staates bleibt und daher nicht über ausreichende Mittel verfügt. Es ist dringend notwendig, nicht nur die Familienpolitik, sondern auch die Sozialpolitik zu fördern, deren Hauptziel die Familie selbst sein muss. Ihr muss durch die Gewährung entsprechender Hilfsmittel und wirksamer Formen der Unterstützung bei der Erziehung der Kinder wie bei der Sorge für die alten Menschen geholfen werden.«3 49. In Anbetracht dessen und angesichts der unübersehbaren Schwierigkeiten, die für die Jugendlichen heutzutage in nicht wenigen Ländern bestehen, vor allem dann, wenn Faktoren des moralischen und sozialen Verfalls zum Tragen kommen, sollten die Eltern den Mut haben, mehr vorzuschlagen und mehr zu verlangen. Sie dürfen sich nicht damit zufriedengeben, dass nichts Schlimmeres geschieht — dass die Kinder keine Drogen nehmen, dass sie keine Verbrechen begehen —, sondern sie müssen alles geben, um sie zu den wahren, in den Tugenden von Glauben, Hoffnung und Liebe erneuerten Werten der Person zu erziehen: Freiheit, Verantwortung, Vaterschaft und Mutterschaft, Dienen, die Arbeit im Beruf, Solidarität, Ehrlichkeit, Kunst, Sport, die Freude, Kinder Gottes und damit Brüder aller Menschen zu sein, usw. Die besondere Bedeutung der häuslichen Umgebung 50. In ihren jüngsten Resultaten stimmen Psychologie und Pädagogik mit der Erfahrung dahingehend überein, dass sie die entscheidende Bedeutung unterstreichen, die das liebevolle Klima in der Familie für eine harmonische und segensreiche Geschlechtserziehung hat, und zwar vor allem in den ersten Jahren des Kleinkind- und des Kindesalters und vielleicht auch schon vor der Geburt, also in den Zeitabschnitten, in denen sich die Gefühlswelt der Kinder in ihrer Dynamik und Tiefe ausprägt. Ausgeglichenheit, Akzeptanz und Verständnis zwischen Mann und Frau werden in ihrer Bedeutung hervorgehoben. Man betont ferner den Wert einer ungetrübten Beziehung zwischen den Eheleuten, ihrer positiven Gegenwart — der des Vater ebenso wie der der Mutter — in den für den Identifikationsprozess entscheidenden Jahren und ihrer vertrauenerweckenden Liebe zu den Kindern. 51. Gewisse schwerwiegende Mängel oder Unausgeglichenheiten im Verhältnis der Eltern zueinander (beispielsweise die Nichtbeteiligung eines oder beider Eltern am Familienleben, erzieherisches Desinteresse oder übertriebene Strenge) rufen in den Gefühlen und Emotionen der Kinder Störungen hervor, die in ihrer Jugend zu ernsten Beeinträchtigungen führen und sie zuweilen für ihr ganzes Leben zeichnen können. Es ist nötig, dass die Eltern die Zeit finden, um mit ihren Kindern zusammen zu sein und sich ihnen im Gespräch zu widmen. Die Kinder, Geschenk und Verpflichtung, sind ihre wichtigste Aufgabe, mag auch diese Aufgabe dem Anschein nach nicht immer sehr einträglich sein: sie ist wichtiger als der Beruf, wichtiger als das Vergnügen, wichtiger als die gesellschaftliche Stellung. In solchen Gesprächen muss man — und zwar mit den Jahren in immer höherem Maße — aufmerksam zuhören können, man muss sich bemühen, die Kinder zu verstehen, und in der Lage sein, die Berechtigung, die in manchen Formen der Auflehnung enthalten sein kann, anzuerkennen. Es geht nicht darum, bestimmte Verhaltensweisen durchzusetzen, sondern die übernatürlichen und menschlichen Gründe aufzuzeigen, die diese Verhaltensweise nahelegen. Den größten Erfolg werden diejenigen Eltern haben, die ihren Kindern ihre Zeit widmen und sich liebevoll und wirklich in sie hineinversetzen. Erziehung in der Gemeinschaft des Lebens und der Liebe 52. Die christliche Familie ist in der Lage, eine von jener Liebe zu Gott durchdrungene Atmosphäre zu schaffen, die eine echte wechselseitige Hingabe ermöglicht.4 Kinder, die diese Erfahrung machen, sind eher bereit, nach den sittlichen Wahrheiten zu leben, die sie im Leben der Eltern verwirklicht sehen. Sie vertrauen auf sie und lernen jene Liebe kennen — nichts befähigt so zur Liebe wie das Wissen, dass man geliebt wird —, die alle Furcht besiegt. So wird das Band der gegenseitigen Liebe, die die Eltern ihren Kindern gegenüber bezeugen, zu einem sicheren Schutz ihrer ungetrübten Gefühlswelt. Dieses Band verfeinert den Intellekt, den Willen und die Emotionen und hält alles fern, was das Geschenk der menschlichen Geschlechtlichkeit entwürdigen oder herabsetzen könnte, denn in einer Familie, in der die Liebe herrscht, wird die menschliche Geschlechtlichkeit immer begriffen als ein Teil der Berufung zur Selbsthingabe in der Liebe zu Gott und den anderen: Die Familie ist die erste und grundlegende Schule sozialen Verhaltens: als Gemeinschaft der Liebe findet sie in der Selbsthingabe das Gesetz, das sie leitet und wachsen läßt. Die von der Liebe der Ehegatten zueinander angeregte Selbsthingabe dient als Vorbild und Norm der Selbsthingabe, die sich in den Beziehungen zwischen Geschwistern und zwischen den unterschiedlichen Generationen vollzieht, die in der Familie zusammenleben. Und die Tag für Tag zu Hause gelebte Gemeinschaft und Anteilnahme in freudigen und schwierigen Momenten stellt die anschaulichste und wirksamste Vorbereitung auf die aktive, verantwortungsvolle und erfolgreiche Eingliederung der Kinder in den gröberen Raum der Gesellschaft dar.5 53. Schließlich lehrt die Erziehung in der wahren Liebe — und wahr kann sie nur sein, wenn sie gütig ist —, die geliebte Person anzunehmen und ihr Wohl als das eigene zu betrachten, und deshalb ist sie naturgemäß auch Erziehung zum richtigen Umgang mit den anderen. Den Kindern, den Heranwachsenden und den Jugendlichen muss beigebracht werden, wie sie ein unbefangenes Verhältnis zu Gott, zu ihren Eltern, zu ihren Geschwistern, zu ihren Kameraden gleichen oder anderen Geschlechts und zu den Erwachsenen finden können. 54. Man darf auch nicht vergessen, dass die Erziehung in der Liebe eine allumfassende Wahrheit ist: es ist nicht möglich, im richtigen Umgang mit einer Person Fortschritte zu machen, ohne dass sich dies auch auf jede beliebige andere Person auswirkt. Wie bereits erwähnt, ist die Erziehung zur Keuschheit als Erziehung zur Liebe zugleich eine Ausbildung des Geistes, der Sensibilität und der Gefühle. Die Einstellung zu anderen Menschen hängt nicht zuletzt davon ab, in welche Bahnen man die spontanen Gefühle ihnen gegenüber lenkt, wie man die einen zum Wachsen bringt und die anderen unterdrückt. Die Keuschheit als Tugend beschränkt sich niemals allein auf die Frage nach der Fähigkeit, Dinge zu tun, die äußeren Verhaltensmaßregeln entsprechen, sondern sie verlangt die Freisetzung und Entfaltung von Kräften der Natur und der Gnade, die das wichtigste und immanente Element bilden bei unserer Entdeckung des göttlichen Gesetzes, das Wachstum und Freiheit garantiert.6 55. Es ist daher hervorzuheben, dass die Erziehung zur Keuschheit untrennbar mit der Aufgabe verbunden ist, auch alle anderen Tugenden zu pflegen, vor allem die christliche Liebe, die gekennzeichnet ist von Respekt, Selbstlosigkeit und Dienst, und die man, alles einschließend, Caritas nennt. Die Geschlechtlichkeit ist ein Gut von grober Wichtigkeit, das gemäß den Weisungen der vom Glauben erleuchteten Vernunft geschützt werden muss: »Je wichtiger etwas ist, um so mehr muss man dabei die Ordnung der Vernunft beobachten.«7 Daraus ergibt sich, dass es bei der Erziehung zur Keuschheit »Selbstbeherrschung braucht, welche Tugenden wie Schamhaftigkeit, Zucht und Maß, Achtung vor sich selbst und den anderen sowie Aufgeschlossenheit für den Nächsten voraussetzt«8. Und auch die Tugenden, die die christliche Tradition als die kleineren Schwestern der Keuschheit bezeichnet hat (Bescheidenheit, Bereitschaft zur Aufopferung der eigenen Launen), sind wichtig und werden vom Glauben und einem Leben im Gebet gestärkt. Die Schamhaftigkeit und die Bescheidenheit 56. Das Üben von Schamhaftigkeit und Bescheidenheit in Wort, Tat und Kleidung ist sehr wichtig, um ein der Entfaltung der Keuschheit angemessenes Klima zu schaffen, doch muss es gut in der Achtung vor dem eigenen Leib und vor der Würde der anderen verankert sein. Wie bereits erwähnt, müssen die Eltern darüber wachen, dass gewisse unsittliche Modeströmungen und Einstellungen das Zuhause in seiner Unversehrtheit nicht antasten, was vor allem durch einen falschen Umgang mit den Massenmedien geschehen kann.9 Der Heilige Vater hat in diesem Zusammenhang betont, wie notwendig es ist, »eine engere Zusammenarbeit zwischen den Eltern, denen an erster Stelle die Erziehungsaufgabe zukommt, den Verantwortlichen der Kommunikationsmittel auf verschiedener Ebene und den öffentlichen Behörden zu schaffen, damit die Familien nicht in einem wichtigen Sektor ihrer Erziehungsaufgabe sich selbst überlassen bleiben (...) Angebote, Inhalte und Programme gesunder Unterhaltung und solche, die der Information und Erziehung dienen und hierbei die Rolle der Familie und der Schule ergänzen, muss man wirklich anerkennen. Doch dies macht es leider nicht ungeschehen, dass vor allem in einigen Ländern Darbietungen und Schriften verbreitet werden, in denen sich jede Art von Gewalt häuft und die einen geradezu bombardieren mit Botschaften, die die moralischen Prinzipien untergraben und ein angemessenes Klima unmöglich machen, das es gestattet, Werte zu vermitteln, die der menschlichen Person würdig sind«10. Auch auf den Gebrauch des Fernsehens hat der Heilige Vater eigens Bezug genommen: »Die Lebensweise — besonders in den hochindustrialisierten Nationen — führt häufig dazu, dass sich die Familien ihrer Erziehungsverantwortlichkeit entledigen, indem sie in der Mühelosigkeit der Flucht (im Haus vor allem verkörpert durch das Fernsehen und bestimmte Publikationen) die Möglichkeit finden, die Kinder beschäftigt zu halten. Niemand kann leugnen, dass das bis zu einem gewissen Grad auch gerechtfertigt ist, da es ja nur allzu oft an ausreichenden Strukturen und Infrastrukturen fehlt, um die Freizeit der Kinder sinnvoll zu erschließen und auszubauen und ihre Kräfte in eine bestimmte Richtung zu lenken.«11 Ein weiterer erleichternder Umstand ist in der Tatsache gegeben, dass beide Eltern auch außer Haus mit Arbeit beschäftigt sind. »Unter den Folgen all dessen haben gerade diejenigen zu leiden, die in der Entwicklung ihrer "verantwortlichen Freiheit" am nötigsten Hilfe brauchen. Da ergibt sich nun — besonders für die Gläubigen, für die Frauen und Männer, welche die Freiheit lieben — die Pflicht, vor allem die Kinder und Jugendlichen vor den Aggressionen zu schützen, die sie auch durch die "Massenmedien" erfahren. Niemand versäume diese Pflicht, indem er allzu bequeme Gründe für ihre Nichteinlösung anführt!«12; »die Eltern als Empfänger (müssen) aktiv mitwirken im maßvollen, kritischen, wachsamen und klugen Umgang mit den Medien.«13 Die berechtigte Intimität 57. In engem Zusammenhang mit der Schamhaftigkeit und der Bescheidenheit, die eine spontane Abwehrhaltung der Person sind, die nicht will, dass man sie als Lustobjekt sieht und behandelt, statt sie um ihrer selbst willen zu achten und zu lieben, muss auch die Achtung vor der Intimität betrachtet werden: wenn ein Kind oder ein Jugendlicher sieht, dass man seine berechtigte Intimität respektiert, dann wird er erkennen, dass man auch von ihm dasselbe Verhalten anderen gegenüber erwartet. Auf diese Weise lernt er, seinen eigenen Verantwortungssinn Gott gegenüber zu pflegen, das heißt, sein inneres Leben und sein Bewusstsein für die innere Freiheit zu entwickeln, die es ihm ermöglichen, Gott und den Nächsten in besserer Weise zu lieben. Die Selbstbeherrschung 58. Allgemeiner gesprochen, erfordert all dies die Selbstbeherrschung, die eine notwendige Voraussetzung der Fähigkeit zur Selbsthingabe ist. Die Kinder und die Jugendlichen müssen dazu ermutigt werden, Selbstkontrolle und Zurückhaltung hochzuschätzen und zu üben, ein geregeltes Leben zu führen und persönliche Opfer zu bringen in einem Geist der Liebe zu Gott, der Achtung vor sich selbst und der Grobzügigkeit gegenüber den anderen, wobei sie ihre Gefühle und Neigungen nicht unterdrücken, sondern in ein tugendhaftes Leben einbetten sollen. Die Eltern als Vorbilder für ihre Kinder 59. Das gute Beispiel und die »Führungsrolle« der Eltern ist wesentlich, wenn es darum geht, die Erziehung der Jugendlichen zur Keuschheit zu unterstützen. Eine Mutter, die um den Wert ihrer mütterlichen Berufung und ihrer Stellung im Haus weiß, leistet einen groben Beitrag dazu, in ihren Töchtern die Qualitäten der Fraulichkeit und Mutterschaft zu entfalten, und stellt ihren Söhnen ein deutliches, starkes und edles Beispiel der Frau vor Augen.14 Ein Vater, der seinem Verhalten den Stil männlicher Würde aufprägt, ohne sich Vorrechte nach Art des »Machismo« anzumaßen, wird seinen Söhnen ein wirksames Vorbild sein und in seinen Töchtern Respekt, Bewunderung und ein Gefühl der Sicherheit erwecken.15 60. Dies gilt auch für die Erziehung zur Opferbereitschaft in den Familien, die heute mehr denn je den Einflüssen des Materialismus und des Konsumdenkens ausgesetzt sind. Nur so werden die Kinder aufwachsen »in angemessener Freiheit gegenüber den materiellen Gütern, indem sie sich einen einfachen und anspruchslosen Lebensstil aneignen in der Überzeugung, dab "der Wert des Menschen mehr in dem liegt, was er ist, als in dem, was er hat". In einer Gesellschaft, die aufgrund gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Individualismen und Egoismen von Spannungen und Konflikten erschüttert und zerstritten ist, müssen die Kinder sich nicht nur ein Gespür für wahre Gerechtigkeit aneignen, die allein die Achtung der personalen Würde eines jeden Menschen gewährleistet, sondern auch und vor allem das Gespür für wahre Liebe als aufrichtige Sorge und selbstlosen Dienst für die anderen, besonders für die Ärmsten und Bedürftigsten«16; »somit ordnet sich die Erziehung vollkommen in den Horizont der "Zivilisation der Liebe" ein; von ihr hängt sie ab und trägt in hohem Maße zu ihrem Aufbau bei.«17 Ein Heiligtum des Lebens und des Glaubens 61. Wer darüber hinwegsieht, dass für die Eltern die erste und größte Möglichkeit, ihren Kindern Hilfe und Vorbild zu sein, in der Grobzügigkeit besteht, mit der sie das Leben annehmen, der vergibt zugleich auch, dass sie ihnen so zu einem einfacheren Lebensstil verhelfen und dass es außerdem »gewiss weniger wichtig ist, ihren Kindern einen bestimmten Komfort oder materielle Vorteile zu verschaffen, als sie der Existenz von Geschwistern zu berauben, die ihnen beim Reifen als Menschen und bei der Wahrnehmung der Schönheit des Lebens in allen seinen Phasen und seiner ganzen Vielfalt helfen können«18. 62. Und schließlich wollen wir uns daran erinnern, dass die Familie, um alle diese Ziele erreichen zu können, vor allem anderen ein Haus des Glaubens und des Gebets sein muss, in dem man die Gegenwart Gottvaters wahrnimmt, das Wort Jesu hört, das Band der Liebe spürt, das ein Geschenk des Geistes ist, und in dem man die reinste Gottesmutter liebt und zu ihr betet.19 Der besondere Inhalt eines solchen Lebens im Glauben und im Gebet »ist das Familienleben selbst, das in all seinen verschiedenen Situationen als Anruf Gottes verstanden und als kindliche Antwort auf diesen Anruf vollzogen wird: Freude und Leid, Hoffnung und Enttäuschung, Geburten, Geburtstage und Hochzeitstage, Abschiede, Getrenntsein und Wiedersehen, wichtige und einschneidende Entscheidungen, Todesfälle im Kreis der Lieben und ähnliches mehr — all das sind Marksteine der Begegnung der Liebe Gottes mit der Geschichte der Familie, wie sie auch Anlass zur Danksagung sein sollen, des Bittens, der vertrauensvollen Überantwortung der Familie an den gemeinsamen Vater im Himmel«20. 63. In einer solchen Atmosphäre des Gebets und des Wissens um die Gegenwart und die Väterlichkeit Gottes werden die Wahrheiten des Glaubens und der Moral mit Ehrfurcht gelehrt, begriffen und verinnerlicht werden, und das Wort Gottes wird man mit Liebe lesen und leben. Dann wird die Wahrheit Christi eine Familiengemeinschaft aufbauen, die auf dem Vorbild und der Leitung der Eltern beruht: so »erreichen sie die Herzensmitte ihrer Kinder und hinterlassen dort Spuren, die von den Ereignissen des späteren Lebens nicht ausgelöscht werden können«21.
VI.
DIE SCHRITTE IN DER ERKENNTNIS
64. Pflicht der Eltern ist es vor allem, ihre Kinder mit den Geheimnissen des menschlichen Lebens vertraut zu machen, denn die Familie ist »das beste Umfeld, um der Pflicht, eine stufenweise Erziehung des geschlechtlichen Lebens sicherzustellen, nachzukommen. Sie hat einen Gefühlsreichtum, der geeignet ist, ohne seelische Wunden zu hinterlassen, auch die heikelsten Wirklichkeiten annehmbar zu machen und sie harmonisch in eine ausgeglichene und reife Persönlichkeit zu integrieren«.1 Diese der Familie vorbehaltene Aufgabe, von der wir bereits gesprochen haben, beinhaltet für die Eltern das Recht, dass ihre Kinder nicht verpflichtet werden können, in der Schule den Unterrichtsstunden zu diesem Thema beizuwohnen, wenn sie mit ihren eigenen religiösen und moralischen Überzeugungen nicht übereinstimmen.2 Es ist nämlich nicht Sache der Schule, die Familie zu ersetzen, sondern vielmehr »die Bemühungen der Eltern zu fördern und zu vervollständigen durch Vermittlung einer Sicht der Geschlechtlichkeit als Wert und Aufgabe der ganzen Person, die als Mann und Frau nach dem Bild Gottes geschaffen wurde«3. Hierzu wollen wir hinweisen auf das, was der Heilige Vater in seinem Schreiben Familiaris consortio lehrt: »Die Kirche wendet sich entschieden gegen eine gewisse, vielfach verbreitete Art sexueller Information; losgelöst von sittlichen Grundsätzen, ist sie nichts anderes als eine Einführung in die Erfahrung des Vergnügens und ein Anreiz, der den Kindern — schon in den Jahren der Unschuld — ihre Unbefangenheit nimmt und den Weg des Lasters öffnet.«4 Es ist also erforderlich, vier allgemeine Grundsätze vorzustellen und im Anschluss daran auf die verschiedenen Entwicklungsphasen der Kinder einzugehen. Vier Prinzipien zur Geschlechtserziehung 65. 1. Jedes Kind ist eine einzigartige und unwiederholbare Person und muss eine individualisierte Erziehung erhalten. Weil die Eltern jedes ihrer Kinder in seiner Unwiederholbarkeit kennen, verstehen und lieben, sind sie am besten in der Lage zu entscheiden, welcher Zeitpunkt geeignet ist, um ihnen entsprechend ihrer körperlichen und geistigen Reife die jeweiligen Informationen zu geben. Niemand darf gewissenhaften Eltern diese Urteilsfähigkeit absprechen.5 66. Der Reifeprozess jedes Kindes verläuft unterschiedlich, und deshalb müssen ihm die biologischen wie emotionalen Aspekte, die seine Intimität am meisten berühren, in einem auf seine Persönlichkeit ausgerichteten Dialog mitgeteilt werden.6 In einem auf Liebe und Vertrauen basierenden Dialog mit jedem ihrer Kinder teilen die Eltern etwas mit von ihrer eigenen Selbsthingabe, die sie in die Lage versetzt, von der gefühlsbedingten Seite der Geschlechtlichkeit zu sprechen, die den Kindern auf anderem Wege nicht vermittelt werden kann. 67. Die Erfahrung zeigt, dass dieser Dialog sich besser entwickelt, wenn der Elternteil, der die biologischen, emotionalen, moralischen und geistigen Informationen weitergibt, dasselbe Geschlecht hat wie das betreffende Kind oder der Jugendliche. Weil sie sich der Rolle, der Gefühle und der Probleme des eigenen Geschlechts bewusst sind, haben die Mütter eine besondere Bindung an ihre Töchter und die Väter an ihre Söhne. Diese natürliche Bindung muss respektiert werden; daher muss ein alleinerziehender Elternteil sehr behutsam vorgehen, wenn er mit einem Kind anderen Geschlechts spricht, und er kann sich entscheiden, die intimeren Einzelheiten einer Vertrauensperson zu überlassen, die dasselbe Geschlecht hat wie das Kind. Für diese Unterstützung subsidiärer Art können die Eltern erfahrene und gut ausgebildete Erzieher aus dem schulischen Bereich, der Gemeinde oder katholischen Vereinigungen heranziehen. 68. 2. Die sittliche Dimension muss stets in ihre Erklärungen einbezogen werden. Die Eltern können hervorheben, dass die Christen dazu berufen sind, das Geschenk der Geschlechtlichkeit gemäß dem Plan Gottes, der die Liebe ist, zu leben, dass heißt untrennbar verbunden mit der Ehe, der gottgeweihten Jungfräulichkeit oder auch dem Zölibat.7 Sie müssen den positiven Wert der Keuschheit betonen, die wahre Liebe zu den Menschen erzeugt: dies ist ihr ursprünglicher und wichtigster sittlicher Aspekt; nur wer zur Keuschheit fähig ist, ist auch fähig zur Liebe in Ehe oder Jungfräulichkeit. 69. Vom zartesten Kindesalter an können die Eltern eine beginnende Beschäftigung des Kindes mit seinen Geschlechtsteilen beobachten. Es kann nicht als Unterdrückung betrachtet werden, wenn man diese Gewohnheiten, die später sündhaft werden können, sanft korrigiert und, wann immer es nötig ist, das Kind seiner Entwicklung entsprechend zu sittsamem Verhalten anleitet. Es ist immer wichtig, die moralische Ablehnung gewisser Verhaltensweisen, die der Würde der Person und der Keuschheit widersprechen, zu rechtfertigen anhand angemessener, gültiger und überzeugender Begründungen auf der Ebene der Vernunft wie auch des Glaubens, das heißt eingebettet in eine positive Einstellung und eine hohe Meinung von der persönlichen Würde. Viele elterliche Belehrungen sind bloße Zurechtweisungen oder Ermahnungen, die in den Augen der Kinder aus der Angst vor bestimmten Konsequenzen für den sozialen Status oder das öffentliche Ansehen erwachsen und nicht aus einer Liebe, die auf ihr wahres Wohl bedacht ist. »Daher, bitte ich, lasset uns doch ernstlich alle diese Verkehrtheiten bessern und die Leidenschaften, die sich je nach dem Alter in uns regen, ins Gegenteil verwandeln. Wenn wir aber auf jeder Stufe unseres Lebens den Mühen, welche die Tugend fordert, ausweichen, dann werden wir überall Schiffbruch leiden, werden ohne geistliche Schätze in den Hafen einlaufen.«8 70. 3. Die Erziehung zur Keuschheit und die jeweils angebrachten Hinweise zur menschlichen Sexualität müssen im gröberen Zusammenhang der Erziehung zur Liebe erteilt werden. Es reicht nicht aus, Informationen über die Geschlechtlichkeit gemeinsam mit objektiven moralischen Grundsätzen zu vermitteln. Vielmehr bedarf auch das Wachstum des geistlichen Lebens der Kinder ständiger Unterstützung, damit die biologische Entwicklung und die Triebe, die sich zu regen beginnen, begleitet sind von einer wachsenden Liebe zu Gott, dem Schöpfer und Erlöser, und von einem zunehmend gröberen Bewusstsein der Würde jeder menschlichen Person und ihres Leibes. Im Licht des Geheimnisses Christi und der Kirche können die Eltern die positiven Werte der menschlichen Geschlechtlichkeit im Kontext der in der Person angelegten Berufung zur Liebe und der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit erklären. 71. In den Gesprächen mit den Kindern dürfen also niemals die Ratschläge fehlen, die ihnen helfen, in der Liebe zu Gott und dem Nächsten zu wachsen und die Schwierigkeiten zu überwinden: »Zucht der Sinne und des Geistes, Wachsamkeit und Klugheit, um die Gelegenheiten zur Sünde zu vermeiden, Wahrung des Schamgefühls, Maß im Genuss, gesunde Ablenkungen, eifriges Gebet und häufiger Empfang der Sakramente der Bube und der Eucharistie. Vor allem die Jugend soll die Verehrung der unbefleckt empfangenen Gottesmutter eifrig pflegen«.9 72. Damit die Kinder lernen, das Umfeld, in dem sie sich bewegen, in kritischer und wirklich selbständiger Einstellung zu beurteilen, und sich an einen unabhängigen Umgang mit den Massenmedien gewöhnen, müssen die Eltern ihnen durch ihr Verhalten immer positive Vorbilder und angemessene Möglichkeiten vor Augen stellen, wie man die eigene Tatkraft im Sinne der Freundschaft und Solidarität auf dem weiten Feld der Gesellschaft und der Kirche einsetzen kann. Angesichts abnormer Neigungen und Verhaltensweisen, denen man mit größter Vorsicht und Klugheit begegnen muss, um die Lage richtig zu erkennen und zu bewerten, können die Eltern sich auch an wissenschaftlich und moralisch qualifizierte und verlässliche Fachleute wenden, um hinter den Symptomen die Ursachen zu erforschen und den Betreffenden bei der Überwindung der Schwierigkeiten zu helfen. Die pädagogische Handlungsweise soll sich eher den Ursachen als der sofortigen Unterdrückung des Phänomens10 widmen und — wenn es nötig wird — auch bei qualifizierten Personen Hilfe suchen wie Ärzten, Pädagogen oder Psychologen von rechtgläubiger christlicher Einstellung. 73. Ziel des erzieherischen Wirkens ist es für die Eltern, den Kindern die Überzeugung zu vermitteln, dass die Keuschheit in ihrer eigenen Lebenssituation möglich ist und Freude bringt. Die Keuschheit entspringt dem Bewusstsein der Reife und Harmonie des eigenen Gefühlslebens, das als Geschenk Gottes und Geschenk der Liebe dazu bestimmt ist, die Selbsthingabe innerhalb der eigenen Berufung zu verwirklichen. Der Mensch nämlich, das einzige Geschöpf auf Erden, das Gott um seiner selbst willen gewollt hat, kann »sich selbst nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden«11. »Christus hat gemeinschaftliche Gesetze für alle gegeben (...) Ich hindere dich nicht zu heiraten, noch verbiete ich dir, dich zu vergnügen; aber ich will, dass es in Ehrbarkeit geschehe, nicht in jener schamlosen Weise, die Vorwürfe und tausendfachen Tadel verdient. Ich gebiete dir nicht, dich auf Berge und in Wüsten zurückzuziehen, sondern gütig, bescheiden und ehrbar zu sein, während du mitten in der Stadt wohnst.«12 74. Die Hilfe Gottes wird uns nie fehlen, wenn jeder den notwendigen Einsatz bringt, um der Gnade Gottes zu entsprechen. Die Eltern, die das Gewissen ihrer Kinder unterstützen, bilden und respektieren, müssen dafür sorgen, dass sie mit Andacht die Sakramente empfangen, indem sie ihnen mit gutem Beispiel vorangehen. Wenn die Kinder und Jugendlichen in den Sakramenten die Wirkungen der Gnade und Barmherzigkeit Gottes erfahren, werden sie in der Lage sein, die Keuschheit als Geschenk Gottes zu leben, zu seinem Ruhm und als Ausdruck der Liebe zu Ihm und den anderen Menschen. Eine notwendige und in übernatürlicher Weise wirksame Hilfe bietet das Sakrament der Wiederversöhnung, insbesondere wenn man sich dabei stets an denselben Beichtvater wenden kann. Die geistliche Leitung oder Führung ist, auch wenn sie nicht unbedingt mit der Rolle des Beichtvaters zusammenfällt, eine wertvolle Hilfe bei der mit zunehmender Reife fortschreitenden Unterweisung und der moralischen Unterstützung. Von grober Hilfe ist ferner die Lektüre ausgewählter und empfohlener Bücher, sei es, um die Bildung zu erweitern und zu vertiefen, oder um auf dem Weg der Tugend Beispiele und Zeugnisse anzuführen. 75. Da die Ziele der Geschlechtserziehung nun festgelegt sind, sollen, ausgehend vom Kindesalter, die geeigneten Zeitpunkte und Methoden näher bestimmt werden. 4. Die Eltern müssen diese Belehrung mit größtem Zartgefühl, aber unmissverständlich und zum geeigneten Zeitpunkt vornehmen. Sie wissen genau, dass die Kinder individuell verschieden behandelt werden müssen, entsprechend den persönlichen Umständen ihrer körperlichen und seelischen Entwicklung und unter gebührender Berücksichtigung auch des kulturellen Umfeldes und der Erfahrungen, die der Heranwachsende im täglichen Leben macht. Um beurteilen zu können, wie sie mit jedem ihrer Kinder sprechen müssen, ist es wichtig, dass sie zunächst selbst im Gebet den Herrn um Erleuchtung bitten und miteinander darüber reden, damit ihre Worte weder zu deutlich noch zu ungenau sind. Es ist der Sache abträglich, dem Kind gegenüber zu sehr ins Detail zu gehen, doch es ist auch unklug, die ersten Informationen zu sehr hinauszuzögern, weil jeder Mensch in dieser Hinsicht eine natürliche Neugier entwickelt und sich früher oder später Fragen stellt, vor allem in einer Kultur, in der man auch nebenbei allzu viel erfahren kann. 76. Im allgemeinen betreffen die ersten Hinweise auf die Geschlechtlichkeit, die einem kleinen Kind gegeben werden, nicht den sexuellen Verkehr, sondern die Schwangerschaft und die Geburt eines Bruders oder einer Schwester. Die natürliche Neugierde eines Kindes wird angeregt, wenn es beispielsweise an seiner Mutter die Anzeichen der Schwangerschaft wahrnimmt und begreift, dass sie ein Kind erwartet. Die Eltern können sich diese freudige Erfahrung zunutze machen, um dem Kind einige einfache Tendenzen zur Schwangerschaft mitzuteilen, doch immer im tieferen Zusammenhang mit dem Wunder des schöpferischen Wirkens Gottes, der es so eingerichtet hat, dass das neue, von Ihm geschenkte Leben im Leib der Mutter und in der Nähe ihres Herzens behütet wird. Die wichtigsten Phasen in der Entwicklung des Kindes 77. Es ist wichtig, dass die Eltern berücksichtigen, was für ihre Kinder in den verschiedenen Phasen ihrer Entwicklung wichtig ist. In dem Bewusstsein, dass jedes Kind eine individuelle Behandlung erfahren muss, können sie die einzelnen Schritte der Erziehung in der Liebe nach den besonderen Bedürfnissen jedes Kindes ausrichten. 1. Die Jahre der Unschuld 78. Vom Alter von etwa fünf Jahren bis zur Pubertät — deren Beginn für den Zeitpunkt anzusetzen ist, da die ersten Veränderungen am Körper des Jungen oder des Mädchens auftreten (sichtbares Ergebnis einer gesteigerten Produktion von Sexualhormonen) — sagt man, dab das Kind in einer Phase ist, die nach den Worten Johannes Paul II. als »die Jahre der Unschuld«13 bezeichnet wird. Diese Zeit der Ruhe und der Heiterkeit darf keinesfalls von einer unnötigen sexuellen Information getrübt werden. In diesen Jahren, bevor eine physische geschlechtliche Entwicklung sichtbar wird, ist es normal, dass das Interesse der Kinder auf andere Lebensbereiche gerichtet ist. Die rudimentäre, instinktive Sexualität des Kleinkindes ist verschwunden. In diesem Alter sind die Jungen und Mädchen an sexuellen Fragen nicht sonderlich interessiert und ziehen den Kontakt mit Kindern des eigenen Geschlechts vor. Die Eltern werden erkennen, dass, um diese wichtige natürliche Wachstumsphase nicht zu stören, in dieser Zeit eine vorsichtige Erziehung zur keuschen Liebe nur indirekt geschehen kann, als Vorbereitung auf die Pubertät, in der dann eine direkte Information vonnöten sein wird. 79. In dieser Entwicklungsphase fühlt sich das Kind normalerweise wohl in seinem Körper und dessen Funktionen. Es akzeptiert die Notwendigkeit der Sittsamkeit im Verhalten und in der Art, sich zu kleiden. Obwohl es sich der physischen Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern bewusst ist, zeigt das heranwachsende Kind im allgemeinen wenig Interesse für die Geschlechtsteile und ihre Funktionen. Die Entdeckung der Wunder der Schöpfung, die diese Altersstufe begleitet, und die dahingehenden Erfahrungen zu Hause und in der Schule müssen auch innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft mit den verschiedenen Phasen der Katechese und der Hinführung zu den Sakramenten verknüpft werden. 80. Und doch hat auch diese Periode der Kindheit ihre Bedeutung für die psychisch-sexuelle Entwicklung. Das heranwachsende Kind, Junge oder Mädchen, lernt am Beispiel der Erwachsenen und durch die Erfahrungen in der Familie, was es bedeutet, ein Mann oder eine Frau zu sein. Selbstverständlich sollte man die Jungen nicht daran hindern, eine natürliche Zärtlichkeit und Sensibilität an den Tag zu legen, noch sollte man umgekehrt die Mädchen von körperlichen Aktivitäten ausschließen, die eine gewisse Kraft erfordern. Andererseits jedoch sollten sich die Eltern in manchen Gesellschaften, die unter ideologischen Druck stehen, auch davor hüten, sich dem, was man als »Rollenstereotypisierung« bezeichnet, allzu sehr entgegenzustellen. Man sollte die tatsächlichen Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern nicht leugnen oder bagatellisieren, und in einer gesunden familiären Umgebung werden die Kinder lernen, dass es natürlich ist, wenn diesen Unterschieden eine gewisse Verschiedenheit in den normalen familiären und häuslichen Rollen von Männern und Frauen entspricht. 81. In dieser Phase entfalten die Mädchen im allgemeinen ein mütterliches Interesse für die kleineren Kinder, für die Mutterschaft und den Haushalt. Unter ständigem Hinweis auf das Vorbild der Mutterschaft der allerseligsten Jungfrau Maria sollten sie dazu ermutigt werden, die eigene Fraulichkeit als Wert zu begreifen. 82. Ein Junge ist in dieser Phase in einem verhältnismäßig ruhigen Stadium seiner Entwicklung. Dies ist oft der am besten geeignete Zeitabschnitt, um ein gutes Verhältnis zum Vater herzustellen. In dieser Periode sollte er lernen, dass seine Männlichkeit, auch wenn sie als göttliches Geschenk zu betrachten ist, kein Zeichen der Überlegenheit gegenüber den Frauen darstellt, sondern eine Berufung Gottes, gewisse Rollen und bestimmte Arten der Verantwortung zu übernehmen. Der Junge sollte daran gehindert werden, eine übertriebene Aggressivität zu entwickeln oder seine Männlichkeit mit körperlichen Heldentaten unter Beweis stellen zu wollen. 83. Dennoch können im Zusammenhang mit der geschlechtlichen und sittlichen Erziehung auch in dieser Phase der Kindheit verschiedene Probleme auftreten. Es gibt heute in einigen Gesellschaften programmatische und zielgerichtete Bestrebungen, den Kindern eine verfrühte sexuelle Aufklärung aufzuzwingen. In diesem Entwicklungsstadium aber sind sie noch nicht in der Lage, die gefühlsbedingte Seite der Geschlechtlichkeit in ihrer vollen Bedeutung zu begreifen. Sie können das Bild der Sexualität nicht verstehen und nicht mit einem entsprechenden Rahmen von sittlichen Normen umgeben, das heißt, sie können eine vorzeitige Sexualaufklärung nicht mit dem erforderlichen moralischen Verantwortungsbewußtsein aufnehmen. Eine solche Information droht also die Entwicklung ihrer Gefühlswelt und ihrer Bildung zu beeinträchtigen und die natürliche Unbefangenheit dieses Lebensabschnitts zu stören. Die Eltern sollten solche Versuche, die Unschuld ihrer Kinder zu verletzen, freundlich aber bestimmt ablehnen, weil derartige Bestrebungen die geistige, sittliche und gefühlsmäßige Entfaltung der Personen gefährden, die im Wachsen begriffen sind und ein Recht auf diese Unschuld haben. 84. Ein weiteres Problem stellt sich, wenn die Kinder von seiten der Massenmedien oder von irregeleiteten oder vorzeitig aufgeklärten Gleichaltrigen verfrühte Informationen zur Geschlechtlichkeit erhalten. Unter diesen Umständen sind die Eltern gezwungen, mit einer klar begrenzten sexuellen Aufklärung zu beginnen, und zwar in der Regel, um falsche Informationen zu korrigieren oder eine unanständige Ausdrucksweise einzudämmen. 85. Nicht selten werden Kinder sexuell missbraucht. Die Eltern müssen ihre Kinder schützen, das heißt, sie müssen sie vor allem zu Sittsamkeit und Zurückhaltung gegenüber Fremden anhalten und sie ferner in angemessener Weise über die Geschlechtlichkeit informieren, ohne jedoch Einzelheiten vorwegzunehmen, die sie verwirren oder erschrecken könnten. 86. Wie in den ersten Lebensjahren müssen die Eltern ihre Kinder auch während der Kindheit im Geist der Zusammenarbeit, des Gehorsams, der Grobzügigkeit und der Opferbereitschaft bestärken und außerdem die Anlagen zur Selbstbeherrschung und Sublimierung fördern. Denn es ist charakteristisch für diese Entwicklungsphase, dass intellektuelle Tätigkeiten einen starken Reiz ausüben: und aus der intellektuellen Bewältigung kann das Kind die Kraft und die Fähigkeit gewinnen, die umgebende Wirklichkeit — und in naher Zukunft auch die Triebe des Körpers — so zu beherrschen, dass sie in intellektuelle und rationale Aktivität umgesetzt werden können. Ein unbeherrschtes oder verzogenes Kind neigt später zu einer gewissen Unreife und moralischen Schwäche, weil die Keuschheit schwerlich aufrechtzuerhalten ist, wenn ein Mensch egoistische oder ungeordnete Gewohnheiten annimmt und nicht in der Lage ist, den anderen mit Interesse und Achtung zu begegnen. Die Eltern müssen objektive Normen dessen bieten, was richtig oder falsch ist, und so eine sichere moralische Lebensgrundlage schaffen. 2. Die Pubertät 87. Die Pubertät, die die erste Phase der Jugend darstellt, ist eine Zeit, in der die Eltern dazu aufgerufen sind, in besonderem Maße auf die christliche Erziehung ihrer Söhne und Töchter zu achten: in dieser Zeit entdeckt der Mensch »sich selbst und die Welt seines eigenen Inneren, er entwirft hochherzige Pläne, erwacht zum Empfinden der Liebe, wie er andererseits den biologischen Trieben der Sexualität begegnet; er erfährt den Wunsch nach Zusammensein und eine besonders tiefe Freude, die mit der berauschenden Entdeckung des Lebens verbunden ist. Oft ist dies aber auch das Alter der tiefer dringenden Fragen, des angstvollen Suchens, das sogar vergeblich erscheinen kann, eines gewissen Misstrauens gegen die anderen, eines gefährlichen Sichzurückziehens auf sich selber; es ist zuweilen das Alter der ersten Niederlagen und Enttäuschungen«14. 88. Die Eltern müssen der Entwicklung ihrer Kinder und ihren körperlichen und seelischen Veränderungen, die für die Reife der Persönlichkeit entscheidend sind, ihre besondere Aufmerksamkeit widmen. Zwar sollen sie keine Ängstlichkeit, Furcht und übertriebene Besorgnis an den Tag legen, aber sie dürfen auch nicht zulassen, dass Feigheit und Bequemlichkeit ihrer Einflussnahme im Wege stehen. Selbstverständlich ist dies eine wichtige Etappe in der zum Wert der Keuschheit hinführenden Erziehung, die sich ja auch in der Art und Weise der sexuellen Information bewähren muss. In dieser Phase betreffen die erzieherischen Anforderungen auch den Aspekt der Genitalität und seine Erläuterung auf der Ebene der Werte wie auch auf der Ebene der ganzheitlich begriffenen Wirklichkeit; dazu gehört überdies, dass man den Zusammenhang mit Fortpflanzung, Ehe und Familie erkennt, ein Zusammenhang, der innerhalb einer echten Geschlechtserziehung niemals außer acht gelassen werden darf.15 89. Ausgehend von den Veränderungen, die ihre Töchter und Söhne am eigenen Körper erfahren, ist es an den Eltern, detailliertere Erklärungen zur Geschlechtlichkeit zu geben, wann immer — in einem Verhältnis von Vertrauen und Freundschaft — die Mädchen sich ihrer Mutter und die Jungen sich ihrem Vater anvertrauen. Der Grundstein eines solchen Verhältnisses von Vertrauen und Freundschaft wird bereits in den ersten Lebensjahren gelegt. 90. Eine wichtige Aufgabe der Eltern besteht darin, die physiologische Entwicklung der Töchter zu begleiten und ihnen dabei zu helfen, die Entwicklung der Fraulichkeit in körperlicher, seelischer und geistiger Hinsicht freudig anzunehmen.16 Dabei wird man in der Regel auch von den Fruchtbarkeitszyklen und ihrer Bedeutung sprechen können; es wird jedoch noch nicht notwendig sein, es sei denn auf ausdrücklichen Wunsch, die sexuelle Vereinigung im einzelnen zu erklären. 91. Es ist sehr wichtig, dass auch den Jugendlichen männlichen Geschlechts dabei geholfen wird, die Stufen der physischen und physiologischen Entwicklung der Geschlechtsorgane zu verstehen, ehe sie diese Dinge von Spielkameraden oder von ungeeigneten Personen erfahren. Hinweise auf die physiologischen Gegebenheiten der männlichen Pubertät müssen in ungezwungenem, positivem und zurückhaltendem Ton erfolgen und in die Perspektive Ehe-Familie-Vaterschaft eingebettet sein. Die Unterweisung der Jugendlichen, der Mädchen ebenso wie der Jungen, muss demnach auch eine den Umständen angepasste und ausreichende Information über die körperlichen und seelischen Eigenarten des anderen Geschlechts beinhalten, auf das sich die Neugierde in zunehmendem Maße richtet. Auch der informative Beistand eines gewissenhaften Arztes und ebenso der eines Psychologen kann für die Eltern auf diesem Gebiet von Nutzen sein, wenn diese Informationen nicht aus dem Bezug zum Glauben und dem erzieherischen Wirken des Priesters herausgelöst werden. 92. Durch einen vertrauensvollen und offenen Dialog können die Eltern ihre Töchter nicht nur darauf vorbereiten, jeder emotionalen Verwirrung zu begegnen, sondern auch den Wert der christlichen Keuschheit dem anderen Geschlecht gegenüber vertreten. Die Mädchen und Jungen müssen dahingehend erzogen werden, dass sie die Schönheit der Mutterschaft und die wunderbare Wirklichkeit der Fortpflanzung ebenso erkennen wie den tiefen Sinn der Jungfräulichkeit. Auf diese Weise hilft man ihnen, sich dem heute in vielen Bereichen herrschenden Hedonismus zu widersetzen und vor allem in einem so entscheidenden Lebensabschnitt jener heute unglücklicherweise so weit verbreiteten »empfängnisfeindlichen Mentalität« vorzubeugen, mit der sich die Mädchen auch später, in der Ehe, noch auseinandersetzen werden müssen. 93. Während der Pubertät kann die psychische und emotionale Entwicklung des männlichen Jugendlichen ihn für erotische Phantasien anfällig werden lassen und ihn der Versuchung aussetzen, sexuelle Erfahrungen zu machen. Die Eltern müssen ihren Söhnen beistehen und die Neigung zu einem hedonistischen und materialistischen Genuss der Geschlechtlichkeit korrigieren. Sie werden ihnen also das Geschenk Gottes ins Bewusstsein rufen, das sie empfangen haben, um mit Ihm zusammenzuwirken und »im Laufe der Geschichte den Ursegen des Schöpfers zu verwirklichen«; und sie bestärken sie somit in dem Bewusstsein, dass »die Fruchtbarkeit Ausfluss und Zeichen der ehelichen Liebe ist, das lebendige Zeugnis der gegenseitigen Ganzhingabe der Ehegatten«17. Auf diese Weise lernen die Jugendlichen auch die der Frau gebührende Achtung. Das informierende und belehrende Wirken der Eltern ist nicht deshalb notwendig, weil die Jugendlichen die geschlechtlichen Gegebenheiten nicht auch anders erfahren könnten, sondern, damit sie sie im rechten Licht kennenlernen. 94. In positiver und kluger Weise werden die Eltern das tun, was die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils fordern: »Jugendliche sollen über die Würde, die Aufgaben und den Vollzug der ehelichen Liebe am besten im Kreis der Familie selbst rechtzeitig in geeigneter Weise unterrichtet werden, damit sie, an keusche Zucht gewöhnt, im entsprechenden Alter nach einer sauberen Brautzeit in die Ehe eintreten können.«18 Diese positive Belehrung über die Geschlechtlichkeit wird stets einzubetten sein in einen Bildungsplan, der jenen christlichen Zusammenhang herstellt, in dem sämtliche Informationen über das Leben, über die sexuelle Aktivität, über Anatomie und über Hygiene gegeben werden sollten. Die Dimensionen des Geistigen und des Sittlichen müssen daher immer Vorrang haben und auf zwei besondere Ziele ausgerichtet sein: die Vermittlung der göttlichen Gebote als eines Lebensweges und die Bildung eines redlichen Gewissens. Dem jungen Mann, der ihn fragt, was er tun müsse, um das ewige Leben zu erlangen antwortet Jesus: »Wenn du aber das Leben erlangen willst, halte die Gebote« (Mt 19,17); und nachdem er diejenigen aufgezählt hat, die sich auf die Nächstenliebe beziehen, fasst er sie in der griffigen Formel zusammen: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (Mt 19,19). Es ist sehr wichtig, das Wesen der Gebote als Geschenk Gottes (vom Finger Gottes geschrieben, vgl. Ex 31,18) und Ausdruck des Bundes mit Ihm aufzuzeigen, damit der Jugendliche sie nicht losgelöst von ihrem Bezug auf ein innerlich reiches und von Egoismen befreites Leben betrachtet.19 95. Als Ausgangspunkt für die Gewissensbildung ist ein erleuchtetes Wissen erforderlich: das Wissen um den Plan der Liebe, den Gott mit jedem einzelnen Menschen hat, um die positive und befreiende Bedeutung der sittlichen Normen, um die von der Sünde herrührende Hinfälligkeit ebenso wie um die Gnadenmittel, die den Menschen auf seinem Weg zum Guten und zum Heil stärken. »Im Innersten der Person wirkt das Gewissen« — das »die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen« ist, wie das Zweite Vatikanische Konzil es formuliert.20 »Es gebietet zum gegebenen Zeitpunkt, das Gute zu tun und das Böse zu unterlassen. Es urteilt auch über die konkreten Entscheidungen, indem es den guten zustimmt, die schlechten missbilligt. Es bezeugt die Wahrheit im Hinblick auf das höchste Gut, auf Gott, von dem der Mensch angezogen wird und dessen Gebote er empfängt.«21 Denn »das Gewissen ist ein Urteil der Vernunft, in welchem der Mensch erkennt, ob eine konkrete Handlung, die er beabsichtigt, gerade ausführt oder schon getan hat, sittlich gut oder schlecht ist«22. Also erfordert die Bildung des Gewissens Erleuchtung hinsichtlich der Wahrheit und des göttlichen Plans und darf nicht mit einem unklaren subjektiven Empfinden oder der persönlichen Meinung verwechselt werden. 96. Wenn sie auf die Fragen ihrer Kinder antworten, müssen Eltern wohlüberlegte Argumente für den Wert der Keuschheit bereithalten und die intellektuelle und menschliche Haltlosigkeit derjenigen Theorien deutlich machen, die zu zügellosen und hedonistischem Verhalten anregen; ihre Antworten sollen klar verständlich sein, und sie sollen weder der Problematik krankhaften sexuellen Verhaltens allzu grobe Bedeutung beimessen noch der falschen Auffassung, dass die Geschlechtlichkeit etwas Schändliches oder Schmutziges sei, da sie ja ein grobes Geschenk Gottes ist, der im Körper des Menschen die Zeugungsfähigkeit angelegt hat und ihn so an seiner Schöpferkraft teilhaben läbt. Mehr noch, sowohl in der Schrift (vgl. Hld 1-8; Hos 2; Jer 3,1-3; Ez 23, etc.) als auch in der Tradition christlicher Mystik ist die eheliche Liebe stets als Symbol und Abbild der Liebe Gottes zu den Menschen betrachtet worden.23 97. Da ein Junge oder ein Mädchen während der Pubertät für emotionale Einflüsse besonders anfällig ist, haben die Eltern die Pflicht, ihre Kinder durch das Gespräch und durch ihren Lebensstil im Widerstand gegen negative Einflüsse von außen zu bestärken, die sie vielleicht veranlassen könnten, die christliche Lebensgestaltung in Liebe und Keuschheit unter zu bewerten. Vor allem in den vom Konsumrausch mitgerissenen Gesellschaften müssen die Eltern sich zuweilen — ohne dies allzu sehr merken zu lassen — um die Beziehungen ihrer Kinder zu Jugendlichen des anderen Geschlechts kümmern. Mögen sie auch von der Gesellschaft akzeptiert werden, so sind doch manche Gepflogenheiten in der Sprechweise und der Wahl der Kleidung in moralischer Hinsicht unschicklich und dienen dazu, die Geschlechtlichkeit zu banalisieren, das heißt, sie auf einen bloßen Konsumgegenstand zu reduzieren. Die Eltern müssen ihren Kindern also den Wert christlicher Zurückhaltung, sittsamer Kleidung und der notwendigen Selbständigkeit gegenüber Modeströmungen vermitteln, die kennzeichnend ist für einen Mann oder eine Frau mit einer reifen Persönlichkeit.24 3. Die Jugendzeit innerhalb des Lebensentwurfs 98. Die Jugend stellt innerhalb der Entwicklung des Individuums die Phase der Selbstentwurfs und somit der Entdeckung der eigenen Berufung dar: diese Phase dauert heute — sei es aus physiologischen, sei es aus sozio-kulturellen Gründen — im allgemeinen länger als früher. Die christlichen Eltern müssen »die Kinder so für das Leben formen, dass jedes entsprechend der von Gott empfangenen Berufung seine Aufgabe ganz erfüllen kann«25. Es handelt sich hierbei um eine Verpflichtung von allergrößter Wichtigkeit, die im Grunde den Höhepunkt der elterlichen Sendung bildet. Diese Wichtigkeit besteht immer, doch in besonderem Maße während dieser Periode im Leben der Kinder: »Im Leben eines jeden Laien gibt es besonders bedeutende und entscheidende Momente, den Ruf Gottes zu erkennen: (...) dazu zählen die frühe Jugend und die Jugend.«26 99. Es ist sehr wichtig, dass die Jugendlichen bei der Suche nach ihrer persönlichen Berufung nicht alleine sind. Der Rat der Eltern und der Beistand eines Priesters oder anderer entsprechend ausgebildeter Personen — in den Pfarreien, den Verbänden, den neuen und fruchtbaren kirchlichen Bewegungen etc. —, die ihnen helfen können, den gottgewollten Sinn ihrer Existenz und die mannigfaltigen Formen der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit zu entdecken, ist von zuweilen sogar entscheidender Bedeutung, denn »der Ruf Christi "Folge mir nach" lässt sich auf verschiedenen Wegen vernehmen, auf denen Jünger und Bekenner des göttlichen Erlösers gehen«27. 100. Jahrhundertelang war der Begriff der Berufung einzig dem Priester- und Ordensstand vorbehalten. Eingedenk der Lehre des Herrn — »ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist« (Mt 5,48) — hat das Zweite Vatikanische Konzil den allgemeinen Aufruf zur Heiligkeit erneuert:28 »Diese nachdrückliche Einladung zur Heiligkeit« — so schrieb wenig später Paul VI. — »ist ein besonderer Zug der Lehre gerade dieses Konzils und gleichsam seine letzte Zielsetzung«29; und Johannes Paul II. bekräftigt: »Das Zweite Vatikanische Konzil hat Entscheidendes über die universelle Berufung zur Heiligkeit gesagt: Man kann sogar behaupten, dab dieser der wichtigste Auftrag eines Konzils, das die Erneuerung des christlichen Lebens im Sinn des Evangeliums zum Ziel hatte, an alle Söhne und Töchter der Kirche ist.30 Er ist nicht lediglich eine moralische Ermahnung, sondern eine unausweichliche Forderung, die sich aus dem Geheimnis der Kirche ergibt.«31 Gott beruft alle Menschen zur Heiligkeit, und für jeden von ihnen hat er klar umrissene Pläne: eine persönliche Berufung, die jeder erkennen, annehmen und entfalten mub. Für alle Christen — Priester und Laien, Verheiratete und Ledige — gelten die Worte des Völkerapostels: »Ihr seid von Gott geliebt, seid seine auserwählten Heiligen« (Kol 3,12). 101. Folglich darf weder in der Katechese noch in der innerhalb und außerhalb der Familie erteilten Erziehung jemals das fehlen, was das kirchliche Lehramt nicht nur von der herausragenden Bedeutung der Jungfräulichkeit und des Zölibats32, sondern auch von der Berufung zur Ehe sagt, die von einem Christen nie als bloßes menschliches Abenteuer betrachtet werden kann: »Dies ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche«, so sagt der heilige Paulus (Eph 5,32). Ob es gelingt, den Jugendlichen diese feste Überzeugung zu vermitteln, die für das Wohl der Kirche und der Menschheit von transzendentaler Bedeutung ist, hängt »großenteils von den Eltern und vom Familienleben ab, das sie in ihrem Heim entfalten«33. 102. Die Eltern müssen sich stets bemühen, mit ihrem eigenen Leben Beispiel und Zeugnis zu geben von der Treue Gottes und der gegenseitigen Treue im ehelichen Bund. Doch besonders entscheidend ist ihr Beispiel in der Jugend, einer Phase, in der die Heranwachsenden nach gelebten und ansprechenden Vorbildern für ihr Verhalten suchen. Da in dieser Zeit oft auch die sexuellen Probleme zum Tragen kommen, müssen die Eltern sie mit Rat und Klugheit lehren, die Schönheit und Kraft der Keuschheit zu lieben; dabei sollen sie ihnen erklären, dass sie, um keusch zu leben, im Gebet und im häufigen und heilsamen Empfang der Sakramente, insbesondere der persönlichen Beichte, über eine unschätzbare Hilfe verfügen. Ferner müssen sie in der Lage sein, ihren Kindern nach Bedarf eine positive und ausgeglichene Erläuterung der Fixpunkte der christlichen Moral zu geben, wie etwa der Unauflöslichkeit der Ehe und der Zusammenhänge zwischen Liebe und Fortpflanzung, doch auch der Verwerflichkeit des vorehelichen Verhältnisses, der Abtreibung, der Empfängnisverhütung und der Selbstbefriedigung. Hinsichtlich dieser letzteren unmoralischen Verhaltensweisen, die dem Sinn der ehelichen Hingabe zuwiderlaufen, ist es auch hilfreich, auf folgendes hinzuweisen: »Die beiden Dimensionen der ehelichen Vereinigung, nämlich Vereinigung und Zeugung, lassen sich nicht künstlich trennen, ohne die tiefste Wahrheit des ehelichen Aktes selbst anzugreifen.«34 Hierbei wird eine gründliche und eingehende Kenntnis der kirchlichen Dokumente, die diese Probleme behandeln, für die Eltern eine wertvolle Hilfe sein.35 103. Insbesondere die Selbstbefriedigung stellt eine schwere, in sich selbst rechtswidrige Verfehlung dar, die moralisch nicht gerechtfertigt werden kann, auch wenn zu bedenken ist, »wie mangelnde Reife in der Adoleszenz, die zuweilen auch nach dem Pubertätsalter anhalten kann, wie ein gestörtes seelisches Gleichgewicht oder wie übernommene Gewohnheit auf das Verhalten Einfluss nehmen, die Freiwilligkeit der Handlungen herabmindern und dadurch bewirken, dass subjektiv gesehen nicht immer eine schwere Schuld vorliegt«36. Den Jugendlichen muss folglich bei der Überwindung der sich in dieser Weise äußernden Verirrungen geholfen werden, die häufig für diese Entwicklungsstufe kennzeichnend und überdies Ausdruck innerer Konflikte und nicht selten auch einer egoistischen Sichtweise der Geschlechtlichkeit sind. 104. Eine spezielle Problematik, die sich im Verlauf des Reife- und Selbstfindungsprozesses ergeben kann, ist die der Homosexualität, die sich im übrigen in den urbanisierten Zivilisationen immer mehr ausbreitet. Dieses Phänomen ist im Rahmen einer ausgewogenen Beurteilung im Lichte der kirchlichen Dokumente darzulegen.37 Die Jugendlichen benötigen Hilfe, um die Begriffe von Normalität und Anomalie, subjektiver Schuld und objektiver Unordnung unterscheiden zu lernen; dabei muss vermieden werden, dass in ihnen eine ablehnende Haltung entsteht, und andererseits ist die ordnende und ergänzende Ausrichtung der Geschlechtlichkeit auf die Realitäten der Ehe, der Fortpflanzung und der christlichen Keuschheit klarzustellen. »Homosexuell sind Beziehungen von Männern oder Frauen, die sich in geschlechtlicher Hinsicht ausschließlich oder vorwiegend zu Menschen gleichen Geschlechtes hingezogen fühlen. Homosexualität tritt in verschiedenen Zeiten und Kulturen in sehr wechselhaften Formen auf. Ihre psychische Entstehung ist noch weitgehend ungeklärt.«38 Man muss die Neigung, die angeboren sein kann, unterscheiden von den homosexuellen Handlungen, die »in sich nicht in Ordnung«39 sind und dem natürlichen Gesetz widersprechen.40 In vielen Fällen kann, insbesondere wenn die Praxis homosexueller Handlungen nicht verfestigt ist, eine geeignete Therapie zu positiven Ergebnissen führen. Auf jeden Fall ist den Personen, die in dieser Lage sind, mit Achtung, Anstand und Feingefühl zu begegnen, unter Vermeidung jeglicher Form von ungerechter Zurücksetzung. Die Eltern ihrerseits sollten sich, wenn sie ihre Söhne und Töchter in der Kindheit oder Jugend über das Vorkommen solcher Neigungen oder entsprechender Verhaltensweisen unterrichten, von erfahrenen und kompetenten Personen helfen lassen, um jede Möglichkeit der Unterstützung auszuschöpfen. Für den größten Teil der homosexuellen Menschen bedeutet diese Situation eine Prüfung: »Ihnen ist mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen. Auch diese Menschen sind berufen, in ihrem Leben den Willen Gottes zu erfüllen und, wenn sie Christen sind, die Schwierigkeiten, die ihnen aus ihrer Veranlagung erwachsen können, mit dem Kreuzesopfer des Herrn zu vereinen.«41 »Homosexuelle Menschen sind zur Keuschheit gerufen.«42 105. Das Wissen um die positive Bedeutung der Geschlechtlichkeit für die Harmonie und die Entwicklung der Persönlichkeit wie auch hinsichtlich der Berufung des Menschen in Familie, Gesellschaft und Kirche, bildet stets den gröberen Zusammenhang, in den die Erziehung in den jeweiligen Entwicklungsphasen des Heranwachsenden gestellt werden muss. Man darf nie vergessen, dass ein ungeregelter Genuss der Sexualität die Fähigkeit der Person zur Liebe nach und nach zu zerstören droht, indem er die Lust — anstelle der uneingeschränkten Selbsthingabe — zum Ziel der Geschlechtlichkeit macht und die anderen Menschen zu Objekten der eigenen Befriedigung herabwürdigt: so schwächt er ebenso den Sinn für die — dem Leben immer offene — wahre Liebe zwischen Mann und Frau, wie auch die Familie selbst und führt Schritt für Schritt zur Missachtung des menschlichen Lebens, das empfangen werden könnte, und das nur noch als ein Übel betrachtet wird, welches in bestimmten Situationen die persönliche Lust zu beeinträchtigen droht.43 »Die Banalisierung der Sexualität gehört zu den hauptsächlichen Faktoren, in denen die Verachtung des werdenden Lebens ihren Ursprung hat: nur eine echte Liebe vermag das Leben zu hüten.«44 106. Man mub auch bedenken, dab die Heranwachsenden in den Industriegesellschaften gänzlich in Anspruch genommen und zuweilen verwirrt werden von den Problemen der Selbstfindung, der Entdeckung des eigenen Lebensentwurfs und der Schwierigkeit, eine Integration der Sexualität in eine reife und positiv eingestellte Persönlichkeit zu erreichen, doch auch von dem Problem, sich selbst und den eigenen Körper anzunehmen. Gegenwärtig entstehen spezielle Anlaufstellen und Zentren für Jugendliche, die häufig von rein hedonistischen Absichten gekennzeichnet sind. Eine vernünftige Körperkultur, die dazu führt, dass man sich selbst annimmt als Geschenk und als Verkörperung eines für Gott und für die Gesellschaft offenen Geistes, muss die Erziehung in dieser in hohem Maße konstruktiven, doch nicht risikolosen Phase begleiten. Angesichts der Perspektiven eines lustbetonten Zusammenkommens, die vor allem in den Wohlstandsgesellschaften geboten werden, ist es also von größter Wichtigkeit, den Jugendlichen die Ideale menschlicher und christlicher Solidarität vor Augen zu stellen, ebenso wie die konkreten Möglichkeiten des Engagements in den kirchlichen Verbänden und Bewegungen und im freiwilligen katholischen und missionarischen Dienst. 107. In dieser Phase sind Freundschaften besonders wichtig. Je nach den Umständen und sozialen Gepflogenheiten der Umgebung, in der man lebt, ist die Jugend eine Zeit, in der die Heranwachsenden gröbere Freiheiten in den Beziehungen zu anderen und innerhalb des familiären Tagesablaufs genießen. Ohne ihnen ein richtiges Maß an Selbständigkeit zu nehmen, müssen die Eltern ihren Kindern gegenüber in der Lage sein, nein zu sagen, wo es notwendig ist45, und gleichzeitig in ihnen den Sinn erwecken für das, was schön, wahr und edel ist. Ferner müssen sie ein Gespür haben für die Selbstachtung des Jugendlichen, die eine Phase der Verwirrung und Unklarheit bezüglich der Bedeutung der persönlichen Würde und der mit ihr verbundenen Anforderungen durchlaufen kann. 108. Durch die Ratschläge, die Liebe und Geduld ihnen eingeben, werden die Eltern die Jugendlichen davon abhalten, sich in übertriebenem Maße in sich selbst zu verschließen, und sie werden sie lehren, ihren Weg wenn nötig entgegen den sozialen Gepflogenheiten zu gehen, die die wahre Liebe und die Wertschätzung der geistigen Wahrheiten zu ersticken drohen: »Seid nüchtern und wachsam! Euer Widersacher, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen kann. Leistet ihm Widerstand in der Kraft des Glaubens! Wisst, dass eure Brüder in der ganzen Welt die gleichen Leiden ertragen müssen! Der Gott aller Gnade aber, der euch in Christus zu seiner ewigen Herrlichkeit berufen hat, wird euch, die ihr kurze Zeit leiden müsst, wiederaufrichten, stärken, kräftigen und auf festen Grund stellen« (1 Petr 5,8-10). 4. Erwachsen werden 109. Es liegt nicht in der Absicht dieses Dokuments, von der unmittelbaren Vorbereitung auf die Ehe zu sprechen, einer Forderung christlicher Erziehung, die in diesen Zeiten besonders geboten ist und von der Kirche angemahnt wird.46 Auf jeden Fall muss man sich vergegenwärtigen, dass die Sendung der Eltern nicht mit Erreichen der Volljährigkeit ihres Kindes, die zudem in den verschiedenen Kulturen und Gesetzgebungen variiert, beendet ist. Besondere und bedeutsame Momente im Leben der jungen Menschen sind auch der Eintritt ins Berufsleben oder in die höhere Schule, wenn sie — durch einen zuweilen schroffen, doch vielleicht auch segensreichen Übergang — mit anderen Verhaltensmustern und mit Situationen in Berührung kommen, die im wahren und eigentlichen Sinne eine Herausforderung darstellen. 110. Indem die Eltern auch weiterhin einen vertrauensvollen Dialog aufrechterhalten, der das Verantwortungsgefühl fördert und zugleich die berechtigte und notwendige Selbständigkeit respektiert, sollen sie durch ihren Rat wie durch ihr Beispiel immer ein Bezugspunkt für ihre Kinder sein, damit sie im Laufe des weiteren Sozialisationsprozesses die Möglichkeit haben, zu einer reifen und innerlich wie auch gesellschaftlich gefestigten Persönlichkeit zu finden. In besonderer Weise ist dafür Sorge zu tragen, dass die Kinder die gläubige Beziehung zur Kirche und zu kirchlichen Aktivitäten nicht abbrechen, sondern sie sogar intensivieren; dass sie sich für ihr zukünftiges Denken und Leben die richtigen Lehrer zu wählen wissen; und dass sie auch in der Lage sind, sich als Christen auf kulturellem und sozialem Gebiet einzusetzen, ohne Furcht, sich als solche zu bekennen und ohne bei der Suche nach der eigenen Berufung die Richtung zu verlieren. In der Zeit, die auf die Verlobung hinführt oder auf die Entscheidung für jene besondere Zuneigung, die in die Gründung einer Familie münden kann, darf die Rolle der Eltern nicht darin bestehen, bloße Verbote auszusprechen oder dem oder der Verlobten eine Entscheidung aufzuzwingen, sondern sie müssen ihren Kindern dabei helfen, die notwendigen Voraussetzungen einer ernsthaften, ehrlichen und vielversprechenden Bindung zu bestimmen, und ihnen beistehen auf ihrem Weg, auf dem sie Zeugnis ablegen für christliche Treue in der Beziehung zu einer Person des anderen Geschlechts. 111. Sie müssen sich davor hüten, die landläufige Meinung zu bestätigen, wonach die Töchter in jeder Weise zur Tugend und zum Wert der Jungfräulichkeit zu ermahnen seien, während man dies von den Söhnen nicht verlangen müsse, gleichsam als wäre ihnen alles erlaubt. Für das christliche Gewissen, für die Perspektive der Ehe und der Familie und im Hinblick auf jede Art der Berufung gilt die Ermahnung des heiligen Paulus an die Philipper: »Was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist, darauf seid bedacht« (Phil 4,8).
VII.
PRAKTISCHE RICHTLINIEN
112. Es ist also innerhalb der Erziehung zu den Tugenden Aufgabe der Eltern, eine wirkliche Erziehung ihrer Kinder in der Liebe zu fördern: der ersten Zeugung eines menschlichen Lebens im Akt der Fortpflanzung muss naturgemäß die zweite Zeugung folgen, im Rahmen derer die Eltern dem Kind bei der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit beistehen. Daher sollen nun in den folgenden Paragraphen Empfehlungen ausgesprochen werden, die zusammenfassend das bisher Gesagte auf der Ebene der konkreten Umsetzung wieder aufgreifen.1 Empfehlungen für die Eltern und die Erzieher 113. Es wird den Eltern empfohlen, sich ihrer erzieherischen Rolle bewusst zu sein und dieses vorrangige Pflicht-Recht zu verteidigen und auszuüben.2 Daraus folgt, dass jede erzieherische Handlung, auch im Hinblick auf die Erziehung in der Liebe, durch Personen, die nicht zur Familie gehören, dem Anspruch der Eltern unterzuordnen ist und nicht als Ersatz, sondern als Unterstützung ihres Wirkens betrachtet werden muss: denn »die Geschlechtserziehung, Grundrecht und -pflicht der Eltern, muss immer unter ihrer sorgsamen Leitung erfolgen, sei es zu Hause, sei es in den von ihnen für die Kinder gewählten Bildungsstätten, deren Kontrolle ihnen zusteht«3. Häufig fehlt es den Eltern weder am Bewusstsein noch an der Kraft. Doch sie sind zu sehr auf sich gestellt, schutzlos und beladen mit Schuldgefühlen. Sie brauchen nicht nur Verständnis, sondern den Beistand und die Hilfe von Gruppen, Verbänden und Institutionen. 1. Empfehlungen für die Eltern 114. 1. Es wird den Eltern empfohlen, sich mit anderen Eltern zusammen zu schließen, nicht allein zu dem Zweck, ihre Rolle als vorrangige Erzieher ihrer Kinder, insbesondere auf dem Gebiet der Erziehung in der Liebe,4 zu verteidigen, aufrechtzuerhalten oder zu vervollkommnen, sondern auch, um gegen schädliche Formen der sexuellen Aufklärung vorzugehen und sicherzustellen, dass die Kinder nach christlichen Grundsätzen und in Übereinstimmung mit ihrer persönlichen Entwicklung erzogen werden. 115. 2. Eltern, die bei der Erziehung ihrer Kinder in der Liebe von anderen unterstützt werden, wird empfohlen, sich genau über die Inhalte und die Art zu informieren, in der diese ergänzende Erziehung durchgeführt wird.5 Niemand kann die Kinder oder die Jugendlichen zu Stillschweigen über Inhalt und Methode des außerhalb der Familie erteilten Unterrichts verpflichten. 116. 3. Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass es für Eltern schwierig und oft auch unmöglich ist, in vollem Umfang an jeglichem außerhalb von zu Hause erteilten ergänzenden Unterricht teilzunehmen; doch wir machen geltend, dass sie dazu berechtigt sind, über Aufbau und Inhalte des Programms auf dem laufenden gehalten zu werden. In keinem Fall darf man ihnen das Recht verweigern, den Zusammenkünften beizuwohnen.6 117. 4. Es wird den Eltern empfohlen, mit Aufmerksamkeit jede Form der sexuellen Information zu verfolgen, die ihren Kindern außerhalb von zu Hause erteilt wird, und sie davon fernzuhalten, wenn diese ihren eigenen Grundsätzen nicht entspricht.7 Diese Entscheidung der Eltern darf jedoch kein Anlass zur Zurücksetzung der Kinder sein.8 Andererseits haben die Eltern, die ihre Kinder aus einem solchen Unterricht herausnehmen, die Pflicht, ihnen eine angemessene, an das Entwicklungsstadium des jeweiligen Kindes oder Jugendlichen angepasste Aufklärung zu erteilen. 2. Empfehlungen an alle Erzieher 118. 1. Da jedes Kind oder jeder Jugendliche die eigene Geschlechtlichkeit in Übereinstimmung mit den christlichen Grundsätzen leben und dabei folglich auch die Tugend der Keuschheit üben soll, darf kein Erzieher — auch nicht die Eltern — dieses Recht antasten (vgl. Mt 18,4-7).9 119. 2. Es wird empfohlen, das Recht des Kindes oder des Jugendlichen auf angemessene Information zu den Fragen der Sittlichkeit und der Geschlechtlichkeit zu respektieren; diese Information soll ihm von seinen Eltern in einer Weise erteilt werden, die sein Verlangen, keusch zu sein und in der Keuschheit erzogen zu werden, fördert.10 Dieses Recht wird näher bestimmt vom Entwicklungsstadium des Kindes, von seiner Fähigkeit, sittliche Wahrheit und geschlechtliche Information miteinander zu vereinbaren, und von der Rücksicht auf seine Unschuld und seinen inneren Frieden. 120. 3. Es wird empfohlen, das Recht des Kindes oder des Jugendlichen, sich von jeglicher Form außerfamiliären sexualkundlichen Unterrichts fernzuhalten, zu respektieren.11 Aufgrund einer solchen Entscheidung dürfen weder sie noch andere Familienmitglieder in irgendeiner Weise zur Rechenschaft gezogen oder benachteiligt werden. Vier handlungsbezogene Grundsätze und ihre speziellen Regeln 121. Auf der Basis dieser Empfehlungen kann die Erziehung in der Liebe in vier handlungsbezogenen Grundsätzen Gestalt annehmen. 122. 1. Die menschliche Geschlechtlichkeit ist ein heiliges Geheimnis, das entsprechend der Glaubens- und Sittenlehre der Kirche und unter ständiger Berücksichtigung der Folgen der Erbsünde dargestellt werden muss. Dieser auf der Lehre der Kirche beruhende Grundsatz muss, in Ehrfurcht und christlichem Realismus angewandt, jeden Augenblick der Erziehung in der Liebe bestimmen. In einer Zeit, da die menschliche Geschlechtlichkeit ihres Mysteriums beraubt worden ist, müssen die Eltern sich in ihren Belehrungen und bei der von anderen angebotenen Hilfe vor der Banalisierung der Geschlechtlichkeit hüten. Insbesondere muss eine tiefe Achtung der Unterschiedlichkeit von Mann und Frau gewahrt werden, in der sich die Liebe und Schöpferkraft Gottes selbst widerspiegelt. 123. Zugleich müssen bei der Vermittlung der katholischen Glaubens- und Sittenlehre zur Geschlechtlichkeit die dauerhaften Folgen der Erbsünde berücksichtigt werden, das heißt die menschliche Schwäche und die Notwendigkeit der Gnade Gottes, um den Versuchungen widerstehen und die Sünde meiden zu können. Zu diesem Zweck bedarf jeder Mensch einer klaren, genauen und mit den geistigen Werten übereinstimmenden Gewissensbildung. Die katholische Sittenlehre jedoch beschränkt sich nie auf eine Anleitung, wie man die Sünde meiden soll; ihr geht es auch um das Wachsen in den christlichen Tugenden und darum, dass sich die Fähigkeit zur Selbsthingabe innerhalb der Berufung des eigenen Lebens entfalten kann. 124. 2. Den Kindern und Jugendlichen dürfen nur solche Informationen geboten werden, die der jeweiligen Stufe ihrer individuellen Entwicklung angepasst sind. Von diesem Grundsatz des geeigneten Zeitpunkts war bereits die Rede bei der Beschäftigung mit den verschiedenen Entwicklungsphasen der Kinder und Jugendlichen. Die Eltern und alle, die sie unterstützen, müssen ein Gespür haben: a) für die verschiedenen Entwicklungsphasen, vor allem die »Jahre der Unschuld« und die Pubertät, b) für die Art, in der jedes Kind oder jeder Jugendliche die unterschiedlichen Lebensabschnitte wahrnimmt, c) für die jeweils mit diesen Abschnitten verbundenen spezifischen Probleme. 125. Anhand dieses Grundsatzes lässt sich auch herausstellen, wie wichtig der richtige Zeitpunkt gerade in bezug auf die spezifischen Probleme ist. a) In der späten Jugendzeit müssen die Heranwachsenden zunächst mit den Anzeichen der Fruchtbarkeit und dann mit der natürlichen Empfängnisregelung vertraut gemacht werden, doch ausschließlich im Zusammenhang mit der Erziehung in der Liebe, mit der ehelichen Treue und mit Gottes Plan der Fortpflanzung und der Ehrfurcht vor dem menschlichen Leben. b) Über die Homosexualität wird nicht vor dem Jugendalter gesprochen, es sei denn, es entsteht in einer besonderen Situation ein spezifisches, schwerwiegendes Problem.12 Dieses Thema darf nur erörtert werden in den Begriffen der Keuschheit, des Heils und »der Wahrheit über die menschliche Geschlechtlichkeit in ihrer Beziehung zum Familienleben (...), so wie die Kirche sie lehrt«13. c) Die sexuellen Perversionen, die verhältnismäßig selten sind, sollen nicht behandelt werden, es sei denn, dass die Eltern mit individuellen Ratschlägen auf tatsächliche Probleme eingehen müssen. 126. 3. Kinder oder Jugendliche gleich welchen Alters dürfen auf keinen Fall, weder einzeln noch in der Gruppe, mit Materialien erotischer Art konfrontiert werden. Dieser Grundsatz der Schicklichkeit soll die Tugend der christlichen Keuschheit schützen. Daher muss bei der Vermittlung sexueller Informationen im Rahmen der Erziehung in der Liebe die Unterweisung stets »positiv und klug«14 und »klar und taktvoll«15 sein. Diese vier von der katholischen Kirche verwandten Begriffe schließen jede Form von unannehmbaren Inhalten in der Geschlechtserziehung aus.16 Außerdem müssen graphische und realistische Darstellungen der Geburt, beispielsweise in einem Film, auch wenn sie nicht erotisch sind, den jungen Männern und Frauen schrittweise zu Bewusstsein gebracht werden, um in ihnen keine Angst und Ablehnung gegenüber der Fortpflanzung aufkommen zu lassen. 127. 4. Niemand darf jemals dazu aufgefordert, geschweige denn dazu verpflichtet werden, sich in einer Weise zu verhalten, die objektiv gegen den Anstand verstoben oder subjektiv sein Feingefühl oder seinen Sinn für die »Privatsphäre« verletzen kann. Dieser Grundsatz der Rücksichtnahme gegenüber dem Kind schließt jede ungeeignete Form des Miteinbeziehens der Kinder oder Jugendlichen aus. Unter anderem lassen sich auch die folgenden Methoden missbräuchlicher Sexualaufklärung dazu zählen: a) jede »dramatisierte« Darstellung, also Gebärden- oder »Rollenspiele«, die Sachverhalte aus dem genitalen oder erotischen Bereich beschreiben, b) die Ausführung von Bildern, Tafeln, Modellen, etc. dieser Art, c) die Aufforderung, zu Fragen der Sexualität persönliche Informationen zu geben17 oder familiäre Angelegenheiten offenzulegen, d) mündliche oder schriftliche Prüfungen zu Fragen des genitalen oder erotischen Bereichs. Die einzelnen Methoden 128. Diese Grundsätze und Regeln können den Eltern und allen, die sie unterstützen, als Orientierung dienen, wenn sie die verschiedenen Methoden anwenden, die erfahrene Eltern und Experten für die geeigneten halten. Wir werden nun dazu übergehen, diese empfohlenen Methoden vorzustellen und außerdem auch auf die zu meidenden Methoden samt den Ideologien hinzuweisen, von denen sie hervorgebracht oder angeregt werden. a) Empfohlene Methoden 129. Die normale und grundlegende Methode, die in diesem Leitfaden bereits vorgeschlagen wurde, ist der persönliche Dialog zwischen Eltern und Kindern, das heißt die individuelle Erziehung im Schob der Familie. Der vertrauensvolle und offene Dialog mit den eigenen Kindern, der nicht nur die Entwicklungsstufen, sondern auch die Person des Jugendlichen selbst als Individuum berücksichtigt, ist tatsächlich nicht zu ersetzen. Wenn jedoch die Eltern andere um Hilfe bitten, gibt es verschiedene nützliche Methoden, die empfohlen werden können aufgrund der Erfahrungen, die Eltern gemacht haben, und auch, weil sie mit der christlichen Vernunft zu vereinbaren sind. 130. 1. Als Paar oder als Einzelpersonen können die Eltern sich mit anderen treffen, die auf die Erziehung in der Liebe vorbereitet sind, um von ihrer Erfahrung und Kompetenz zu profitieren. Diese können ihnen außerdem von den kirchlichen Autoritäten approbierte Bücher und andere Hilfsmittel erklären und zur Verfügung stellen. 131. 2. Die Eltern, die nicht immer darauf vorbereitet sind, sich mit Fragen auseinanderzusetzen, die die Erziehung in der Liebe betreffen, können gemeinsam mit ihren Kindern an Versammlungen teilnehmen, die von erfahrenen und vertrauenswürdigen Personen geleitet werden, wie etwa Ärzten, Geistlichen oder Erziehern. Aus Gründen einer gröberen Unbefangenheit in der Äußerung scheint es in manchen Fällen geraten, solche Versammlungen jeweils nur mit Jungen und nur mit Mädchen stattfinden zu lassen. 132. 3. In bestimmten Situationen können die Eltern einen Teil der Erziehung in der Liebe einer anderen Person ihres Vertrauens übergeben, wenn Fragen aufkommen, die eine besondere Kompetenz oder in Einzelfällen seelsorgerischen Beistand erfordern. 133. 4. Die Katechese zu Fragen der Moral kann von anderen Vertrauenspersonen erteilt werden, wobei der Sexualethik während der Pubertät und der Jugendzeit besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. Die Eltern müssen sich mit der Moralkatechese befassen, die ihre Kinder außerhalb der Familie erhalten, und ihre eigene erzieherische Arbeit darauf aufbauen; eine solche Katechese darf jedoch nicht die intimsten biologischen oder emotionalen Aspekte der Geschlechtlichkeit beinhalten, die Sache der Einzelerziehung in der Familie sind.18 134. 5. Die religiöse Bildung der Eltern selbst, insbesondere die solide katechetische Vorbereitung der Erwachsenen in der Wahrheit der Liebe, bildet das Fundament eines reifen Glaubens, von dem sie sich bei der Erziehung ihrer Kinder leiten lassen können.19 Diese Erwachsenenkatechese ermöglicht nicht nur ein vertiefendes Verständnis der ehelichen Lebens- und Liebesgemeinschaft, sondern auch eine verbesserte Kommunikation mit den eigenen Kindern. Außerdem werden die Eltern, während sie ihrer Pflicht nachkommen und ihre Kinder in der Liebe erziehen, für sich selbst viel dabei gewinnen, weil sie entdecken werden, dass durch diesen Liebesdienst »das Bewusstsein des Geschenks lebendig bleibt, das ihnen ständig in den Kindern zuteil wird«20. Um die Eltern in die Lage zu versetzen, ihr erzieherisches Werk durchzuführen, kann man in Zusammenarbeit mit Experten spezielle Fortbildungskurse anbieten. b) Zu meidende Methoden und Ideologien 135. Heutzutage müssen die Eltern sich vor Bestrebungen in acht nehmen, ihren Kindern mit Hilfe verschiedener Methoden eine unsittliche Erziehung zu vermitteln. Solche Methoden werden von Gruppierungen gefördert, deren Positionen und Interessen der christlichen Moral zuwiderlaufen.21 Es ist nicht möglich, auf sämtliche unannehmbaren Methoden hinzuweisen; daher sollen hier nur einige der am weitesten verbreiteten Arten vorgestellt werden, die die Rechte der Eltern und das sittliche Leben ihrer Kinder bedrohen. 136. An erster Stelle müssen die Eltern die säkularisierte und geburtenfeindliche Sexualaufklärung ablehnen, die Gott an den Rand des Lebens stellt und die Geburt eines Kindes als Gefahr betrachtet; sie wird von den groben Organisationen und internationalen Vereinigungen in Umlauf gebracht, die der Abtreibung, Sterilisierung und Empfängnisverhütung das Wort reden. Diese Organisationen wollen gegen die Wahrheit der menschlichen Geschlechtlichkeit einen falschen Lebensstil durchsetzen. Solche Vereinigungen arbeiten auf nationaler oder regionaler Ebene und versuchen, unter Kindern und Jugendlichen die Angst vor der »drohenden Überbevölkerung« aufkommen zu lassen, um so die empfängnisfeindliche Mentalität, das heißt die »anti-life-Einstellung« zu verbreiten; sie bringen falsche Auffassungen von der »zeugungsbezogenen Gesundheit« und den »sexuellen und zeugungsbezogenen Rechten« der Jugendlichen in Umlauf.22 Zudem unterstützen manche geburtenfeindliche Organisationen jene Art von Kliniken, die den Jugendlichen unter Verletzung der Rechte der Eltern Abtreibung und Empfängnisverhütung zusichert, wodurch die Promiskuität und demzufolge auch eine steigende Zahl von Schwangerschaften unter den Jugendlichen begünstigt wird. »Wie kann man im Blick auf das Jahr 2000 nicht an die jungen Menschen denken? Welchen Vorschlag macht man ihnen? Eine Gesellschaft von "Dingen" und nicht von "Personen". Das Recht, von ihrer frühesten Jugend an alles grenzenlos zu tun, aber mit der größtmöglichen "Absicherung". Die Gabe der Selbstlosigkeit, die Beherrschung der Triebe, der Sinn für Verantwortung sind Vorstellungen, die man als einer anderen Zeit zugehörig betrachtet.«23 137. Schon vor Beginn der Jugend kann nach und nach der unmoralische Charakter der chirurgisch oder chemisch durchgeführten Abtreibung in den Begriffen der katholischen Moral und der Ehrfurcht vor dem menschlichen Leben erklärt werden.24 Was die Sterilisierung und die Empfängnisverhütung betrifft, so dürfen diese Themen nicht vor dem Jugendalter und nur in Übereinstimmung mit der Lehre der katholischen Kirche erörtert werden.25 Dabei sollen der sittliche, geistige und gesundheitliche Gehalt der natürlichen Empfängnisregelung unterstrichen und zugleich die Gefahren und die ethischen Aspekte der künstlichen Methoden hervorgehoben werden. Man wird vor allem auf den wesentlichen und tiefgreifenden Unterschied zwischen den natürlichen und den künstlichen Methoden hinweisen, sowohl was den Plan Gottes zur Ehe als auch was die Verwirklichung des »vorbehaltlosen gegenseitigen Sichschenkens der Gatten«26 und die Offenheit für das Leben betrifft. 138. In einigen Gesellschaften sind berufliche Verbände von Sexualerziehern, -beratern und -therapeuten tätig. Da ihre Arbeit nicht selten auf schädlichen Theorien ohne wissenschaftlichen Wert basieren, die sich gegenüber einer echten Anthropologie verschließen und die wahre Bedeutung der Keuschheit verkennen, sollten die Eltern sich mit grober Umsicht über solche Verbände Gewissheit verschaffen, gleich welche Art offizieller Anerkennung ihnen auch zuteil geworden sein mag; und dies vor allem, wenn deren Standpunkt mit den Lehren der Kirche nicht zu vereinbaren ist, was nicht nur in ihrem Handeln, sondern auch in ihren Veröffentlichungen deutlich wird, die in verschiedenen Ländern weit verbreitet sind. 139. Ein anderer Missbrauch liegt dann vor, wenn man die geschlechtliche Erziehung in Form einer auch graphischen Belehrung der Kinder über sämtliche intimen Einzelheiten des genitalen Verkehrs durchführen will. Dies geschieht heutzutage häufig in der Absicht, eine Erziehung zum »risikolosen Geschlechtsverkehr« anzubieten, vor allem im Hinblick auf die Ausbreitung von AIDS. In diesem Zusammenhang müssen die Eltern auch die Befürwortung des sogenannten »safe sex« oder »safer sex« ablehnen, einer gefährlichen und unmoralischen Politik, die auf der irrigen Meinung basiert, das Präservativ könne einen angemessenen Schutz vor AIDS gewährleisten. Die Eltern müssen auf der Enthaltsamkeit außerhalb und der Treue innerhalb der Ehe beharren — das ist die einzig wahre und sichere Erziehung, um einer solchen Ansteckung vorzubeugen. 140. Ein weiterer sehr gebräuchlicher Ansatz, der jedoch schädlich sein kann, wird mit dem Begriff »Klärung der Werte« bezeichnet. Die Jugendlichen werden dazu ermuntert, mit der größten Selbständigkeit über moralische Fragen nachzudenken, sich Klarheit zu verschaffen und Entscheidungen zu treffen, wobei sie allerdings weder die objektive Wahrheit der allgemeinen sittlichen Normen kennen noch die Gewissensbildung zu den spezifischen, vom Lehramt der Kirche bestätigten christlichen Moralvorschriften berücksichtigen.27 Man vermittelt den Jugendlichen die Vorstellung, ein moralischer Kodex sei etwas von ihnen selbst Geschaffenes, gleichsam als wäre der Mensch Quelle und Maßstab der Moral. Die Methode der Klärung der Werte hemmt jedoch die wirkliche Freiheit und Selbständigkeit der Jugendlichen in einer unsicheren Phase ihrer Entwicklung.28 In der Praxis wird nicht nur die Meinung der Mehrheit als richtig hingestellt, sondern die Jugendlichen werden außerdem mit moralisch gesehen sehr komplexen Situationen konfrontiert, die weit entfernt sind von den sittlichen Entscheidungen, die sie im Alltag zu treffen haben und in denen das Gute und das Böse leicht zu erkennen sind. Diese unannehmbare Methode steht dem moralischen Relativismus sehr nahe und führt zu Gleichgültigkeit gegenüber den sittlichen Normen und zu Permissivität. 141. Die Eltern müssen auch auf Bestrebungen achten, sexualkundliche Themen in die im Grunde sinnvolle Behandlung anderer Stoffe einfließen zu lassen (zum Beispiel: Gesundheit und Hygiene, die persönliche Entwicklung, das Familienleben, die kindgerechte Lektüre, soziale und kulturelle Studien, etc.). In solchen Fällen ist es schwieriger, den Inhalt der sexuellen Unterweisung zu kontrollieren. Diese einbeziehende Methode wird insbesondere von den Befürwortern der auf die Geburtenkontrolle ausgerichteten sexuellen Aufklärung verwendet oder in Ländern, wo die Regierung die Rechte der Eltern auf diesem Gebiet nicht respektiert. Doch auch die Katechese wäre im Unrecht, wenn die untrennbare Einheit von Religion und Moral als Vorwand benützt würde, um in die religiöse Unterweisung diejenigen geschlechtlichen, biologischen und emotionalen Informationen einzubeziehen, die die Eltern aufgrund ihrer eigenen, klugen Entscheidung zu Hause erteilen sollten.29 142. Schließlich sei zur allgemeinen Orientierung darauf hingewiesen, dass alle diese unterschiedlichen Methoden der Geschlechtserziehung von den Eltern auf der Grundlage der Prinzipien und sittlichen Normen der Kirche beurteilt werden müssen, die Ausdruck der menschlichen Werte im alltäglichen Leben sind.30 Auch die negativen Auswirkungen sind zu bedenken, die manche Methoden auf die Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen haben können. Die Inkulturation und die Erziehung in der Liebe 143. Eine wirkliche Erziehung in der Liebe muss das kulturelle Umfeld, in dem Eltern und Kinder leben, berücksichtigen. Als Verbindung von Glaubensbekenntnis und konkretem Leben besteht die Inkulturation darin, Glauben und Kultur in Einklang zu bringen, wobei Christus und sein Evangelium unbedingten Vorrang vor der Kultur haben. »Weil er jegliche natürliche und kulturelle Ordnung übersteigt, ist der christliche Glaube einerseits mit allen Kulturen in den Punkten vereinbar, in denen sie der wahren Vernunft und dem guten Willen entsprechen, und andererseits ist er selbst ein Tatbestand, der die Kultur ganz erheblich dynamisiert. Ein Prinzip ist es, das die Gesamtheit der Beziehungen zwischen Glauben und Kultur erhellt: die Gnade achtet die Natur, heilt sie von den Wunden der Sünde, stärkt und erhöht sie. Die Überhöhung hin zum göttlichen Leben ist die eigentliche Zweckbestimmtheit der Gnade, doch sie ist nicht möglich, ohne dass die Natur geheilt wird und ohne dass die Erhöhung zur übernatürlichen Ordnung die Natur auf der ihr eigenen Bahn zur Fülle der Bildung geleitet.«31 Deshalb ist es auf keinen Fall zu rechtfertigen, dass den Kindern im Namen einer vorherrschenden weltlichen Kultur eine frühzeitige und detaillierte Sexualerziehung erteilt wird. Andererseits müssen die Eltern ihre Kinder dahingehend erziehen, dass sie die Kräfte dieser Kultur begreifen und sich mit ihnen auseinandersetzen, damit sie immer dem Weg Christi folgen können. 144. In den traditionellen Kulturen müssen die Eltern der christlichen Moral entgegengesetzte Gepflogenheiten nicht akzeptieren, beispielsweise im Rahmen der mit der Pubertät verbundenen Riten, die zuweilen in der Einführung der Jugendlichen in sexuelle Praktiken oder in Handlungen bestehen, die sich gegen die Unversehrtheit und die Würde der Person richten, wie etwa die Verstümmelung der Geschlechtsteile bei den jungen Mädchen. Es ist folglich die Aufgabe der Kirche zu beurteilen, ob das lokale Brauchtum mit der christlichen Moral zu vereinbaren ist. Die Traditionen der Sittsamkeit und Zurückhaltung auf dem Gebiet der Geschlechtlichkeit, die Kennzeichen mancher Gesellschaften sind, müssen jedoch überall respektiert werden. Zugleich soll das Recht der Jugendlichen auf eine angemessene Information bestehen bleiben. Außerdem muss man die besondere Rolle der Familie in einer solchen Kultur berücksichtigen,32 ohne irgendwelche westlichen Modelle der geschlechtlichen Erziehung durchsetzen zu wollen.
VIII.
SCHLUSSFOLGERUNG
Beistand für die Eltern 145. Es gibt verschiedene Wege, den Eltern bei der Erfüllung ihres grundlegenden Pflicht-Rechts, ihre Kinder in der Liebe zu erziehen, zu helfen und beizustehen. Den Eltern beizustehen bedeutet jedoch niemals, ihnen ihr erzieherisches Pflicht-Recht zu nehmen, denn dieses bleibt »unabgeleitet und ursprünglich«, »unersetzlich und unveräuberlich«1. Deshalb ist die Rolle, die andere zur Unterstützung der Eltern übernehmen können, (a) subsidiär, weil die erzieherische Rolle der Familiengemeinschaft immer vorrangig ist, und (b) untergeordnet, das heißt, der aufmerksamen Führung und Kontrolle der Eltern unterworfen. Alle müssen die richtige Rangfolge beachten bei der Kooperation und Zusammenarbeit zwischen den Eltern und denjenigen, die sie in ihrer Aufgabe unterstützen können. Es versteht sich von selbst, dass der Beistand der anderen sich im wesentlichen auf die Eltern und nicht auf die Kinder bezieht. 146. Diejenigen, die dazu berufen sind, den Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder in der Liebe zu helfen, müssen von ihrer Einstellung und von ihrer Vorbereitung her in der Lage sein, dies in Übereinstimmung mit der gesamten authentischen Sittenlehre der katholischen Kirche zu tun. Zudem müssen es reife Personen sein von gutem moralischen Ruf, die, gleich ob verheiratet oder ledig, Laien, Ordensleute oder Geistliche, dem Stand, den sie sich für ihr christliches Leben gewählt haben, treu bleiben. Ihre Vorbereitung darf sich nicht nur auf die Einzelheiten der sittlichen und geschlechtlichen Information erstrecken, sondern sie müssen auch ein Gespür haben für die Rechte und die Rolle der Eltern und der Familie, ebenso wie für die Bedürfnisse und Probleme der Kinder und Jugendlichen.2 Auf diese Weise haben sie sich auf der Basis der Grundsätze und Inhalte der vorliegenden Richtlinien »vom gleichen Geist leiten zu lassen wie die Eltern«3; wenn die Eltern jedoch glauben, die Erziehung in der Liebe in angemessener Weise leisten zu können, sind sie nicht verpflichtet, ihre Hilfe anzunehmen. Wertvolle Quellen für die Erziehung in der Liebe 147. Der Päpstliche Rat für die Familie ist sich der Tatsache bewusst, dass ein grober Bedarf besteht an geeigneten Materialien, die in Übereinstimmung mit den im vorliegenden Leitfaden erörterten Grundsätzen speziell für die Eltern konzipiert sind. Diejenigen Eltern, die sich dazu in der Lage fühlen und von diesen Grundsätzen überzeugt sind, müssen das Ihre zur Bereitstellung solcher Materialien beitragen. So können sie ihre eigene Erfahrung und Weisheit zur Verfügung stellen, um anderen bei der Erziehung ihrer Kinder in der Keuschheit zu helfen. Die Eltern werden auch den Beistand und Schutz derjenigen kirchlichen Autoritäten erhalten, die dafür zuständig sind, geeignete Materialien herauszubringen und andere zu entfernen oder zu korrigieren, die mit den in diesem Wegweiser dargelegten Grundsätzen zur Lehre, zum geeigneten Zeitpunkt, zu Inhalten und Methoden einer solchen Erziehung nicht zu vereinbaren sind.4 Diese Grundsätze gelten auch für alle modernen Kommunikationsmittel. In besonderem Maße vertraut der Päpstliche Rat auf die Arbeit der Bischofskonferenzen zur Sensibilisierung und Unterstützung der Eltern, die, wo immer dies nötig ist, auch gegenüber staatlichen Programmen auf dem Gebiet der Erziehung die Rechte und den eigenen Wirkungsbereich der Familie und der Eltern zu behaupten werden wissen. Solidarität mit den Eltern 148. Bei der Erfüllung ihres Liebesdienstes an den eigenen Kindern sollten die Eltern auf die Unterstützung und Mitarbeit anderer Mitglieder der Kirche zurückgreifen können. Die Rechte der Eltern müssen anerkannt, geschützt und aufrechterhalten werden, nicht nur, um die gründliche Erziehung der Kinder und Jugendlichen sicherzustellen, sondern auch, um die richtige Rangfolge bei der Kooperation und Zusammenarbeit zwischen den Eltern und denjenigen, die ihnen in ihrer Aufgabe beistehen können, zu gewährleisten. In derselben Weise müssen die Kleriker und Ordensleute in den Pfarreien oder in den anderen Bereichen des Apostolats die Eltern in ihren Bemühungen um die Erziehung ihrer Kinder unterstützen und ermutigen. Die Eltern ihrerseits müssen bedenken, dass die Familie nicht die einzige oder ausschließliche erzieherische Gemeinschaft ist. Deshalb sollen sie herzliche und lebendige Beziehungen zu anderen Personen pflegen, die ihnen helfen können, ohne dabei jedoch die eigenen, unveräußerlichen Rechte zu vergessen. Hoffnung und Vertrauen 149. Angesichts der zahlreichen Herausforderungen an die christliche Keuschheit bleiben die den Eltern geschenkten Gaben der Natur und der Gnade die sicherste Basis, auf der die Kirche ihre Söhne und Töchter heranbildet. Die Erziehung in der Familie erfolgt großenteils indirekt, eingebettet in ein Klima der Herzlichkeit und Zärtlichkeit, das durch die Gegenwart und das Vorbild der Eltern hervorgebracht wird, wenn ihre Liebe rein und grobzügig ist. Wenn man den Eltern bei ihrer Aufgabe der Erziehung in der Liebe Vertrauen schenkt, dann werden sie den Mut finden, die Herausforderungen und Probleme unserer Zeit mit der Kraft ihrer Liebe zu überwinden. 150. Der Päpstliche Rat für die Familie ermahnt deshalb die Eltern, die sich von den Gaben Gottes unterstützt wissen, ihre Rechte und Pflichten bezüglich der weisen und bewussten Erziehung ihrer Kinder mit Zuversicht wahrzunehmen. Bei dieser ehrenvollen Aufgabe mögen die Eltern durch das Gebet zum Heiligen Geist, dem barmherzigen Tröster, dem Spender alles Guten, ihr Vertrauen stets auf Gott setzen. Mögen sie die mächtige Fürsprache und den Schutz der Unbefleckten Jungfrau Maria erflehen, der Mutter der schönen Liebe und dem Vorbild der getreuen Reinheit. Mögen sie auch den heiligen Josef anrufen, ihren gerechten und keuschen Bräutigam, und seinem Beispiel der Treue und Reinheit des Herzens folgen.5 Mögen die Eltern stets auf die Liebe bauen können, die sie ihren Kindern schenken, eine Liebe, die »alle Furcht vertreibt«, denn »sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand« (1 Kor 13,7). Diese Liebe ist auf die Ewigkeit gerichtet und muss auf sie gerichtet sein, auf jene ewige Glückseligkeit, die Unser Herr Jesus Christus all denen verheißen hat, die ihm nachfolgen: »Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen« (Mt 5,8). Vatikanstadt, 8. Dezember 1995.
Alfonso Cardinal López Trujillo Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie
+ S. E. Mons. Elio Sgreccia Sekretär
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