AMT FÜR DIE LITURGISCHEN FEIERN
DES PAPSTES
KARFREITAG
DIE PASSION DES HERRN
KREUZWEG UNTER VORSITZ DES HEILIGEN VATERS
KOLOSSEUM
ROM, 3. APRIL 2015
DAS KREUZ,
LEUCHTENDER HÖHEPUNKT DER LIEBE GOTTES,
DIE UNS BEHÜTET
Auch wir sind berufen, Hüter aus Liebe zu sein
MEDITATIONEN
von
Seiner Exzellenz Renato Corti
Bischof emeritus von Novara (Italien)
[Arabisch, Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch, Spanisch]
EINFÜHRUNG
Schola:
Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi,
quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Domine, miserere nobis.
Der Heilige Vater:
Im Namen des Vaters und des Sohnes
und des Heiligen Geistes.
R. Amen.
Lektor:
Es war am 19. März 2013. Papst Franziskus war erst wenige Tage zuvor gewählt worden. Er predigte über den heiligen Josef, der der „Hüter“ von Maria und Jesus war[1] und dessen Wesensart durch Unterscheidungsvermögen, Demut, Schweigen, ständige Gegenwart und absolute Treue gekennzeichnet war.
In dem Kreuzweg, den wir nun beginnen, wird ständig auf das Geschenk Bezug genommen, von der Liebe Gottes – besonders vom gekreuzigten Jesus selbst – behütet und bewahrt zu sein, und beharrlich auf die Aufgabe hingewiesen, selber Hüter aus Liebe zu sein: Hüter der gesamten Schöpfung, Hüter eines jeden Menschen, besonders des ärmsten, und Hüter von uns selbst und unseren Familien, um den Stern der Hoffnung erstrahlen zu lassen.
Wir wollen an diesem Kreuzweg in tiefer innerer Verbundenheit mit Jesus teilnehmen. Indem wir aufmerksam den Worten der Evangelien folgen, werden wir behutsam einige Gefühle und Gedanken erfassen, die in jenen Stunden der Prüfung Herz und Geist Jesu bewegt haben mögen.
Zugleich wollen wir uns von einigen Lebenssituationen hinterfragen lassen, die – im Guten und im Bösen – unsere Tage kennzeichnen. So werden wir als innere Antwort unseren Wunsch ausdrücken, einige Schritte zu tun, um unserem Herrn Jesus Christus in seiner Passion nachzufolgen.
GEBET
O Vater, der du mit dem Kreuzestod deines Sohnes die Menschen gerettet hast, gewähre uns, die wir auf Erden sein Geheimnis der Liebe erkannt haben, dieses im täglichen Leben in Wort und Tat all denen gegenüber zu bezeugen, die du uns über den Weg führst. Durch Christus, unseren Herrn. Amen.
ERSTE STATION
Jesus wird zum Tode verurteilt
Vertrautheit, Verrat, Verurteilung
V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.
R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas (22, 19-20)
Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird … Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird.
Aus dem heiligen Evangelium nach Markus (15, 12-13.15)
Pilatus wandte sich von neuem an sie und fragte: „Was soll ich dann mit dem tun, den ihr den König der Juden nennt?“ Da schrien sie: „Kreuzige ihn!“ Darauf ließ Pilatus, um die Menge zufrieden zu stellen, Barabbas frei und gab den Befehl, Jesus zu geißeln und zu kreuzigen.
GEFÜHLE UND GEDANKEN JESU
Gerade habe ich das Pascha mit meinen Jüngern gefeiert. Ich hatte mich sehr danach gesehnt:[2] das letzte Pascha vor der Passion, bevor ich zu Dir zurückkehre! Doch unversehens wurde es gestört. Einem meiner Jünger hat der Teufel eingegeben, mich zu verraten.[3] Im Garten von Getsemani ist er auf mich zugekommen. Mit einer Geste, die Liebe bedeutet, hat er mich begrüßt und gesagt: „Sei gegrüßt, Rabbi!“ Und er hat mich geküsst.[4] Wie bitter ist das – in jenem Moment!
Während des Abendmahls habe ich Dich, Vater, angefleht, Du mögest meine Jünger in Deinem Namen bewahren, damit sie eins seien wie wir.[5]
UNSERE INNERE ANTWORT
Mehr noch als die ersten Jünger sind wir, o Jesus, schwach im Glauben. Wir laufen sogar Gefahr, dich zu verraten, während deine Liebe uns doch dazu bewegen müsste, in der Liebe zu dir zuzunehmen.
Gebet, Wachsamkeit, Aufrichtigkeit und Wahrheit tun uns not. So wird der Glaube wachsen. Und er wird kraftvoll und froh sein.
GEBET
Behütet durch die Eucharistie
„Das Sakrament deines Leibes und Blutes, Herr Jesus, möge uns bewahren für das ewige Leben.“[6]Dieses Wunder geschehe für die Priester, die der Eucharistie vorstehen, und für uns Gläubige, die wir zum Altar treten, um dich, das lebendige Brot zu empfangen, das vom Himmel herabgestiegen ist.
Alle:
Pater noster, qui es in cælis:
sanctificetur nomen tuum;
adveniat regnum tuum;
fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra.
Panem nostrum cotidianum da nobis hodie;
et dimitte nobis debita nostra,
sicut et nos dimittimus debitoribus nostris;
et ne nos inducas in tentationem;
sed libera nos a malo.
Stabat Mater dolorosa
iuxta crucem lacrimosa,
dum pendebat Filius.
ZWEITE STATION
Jesus nimmt das Kreuz auf sich
„Unter die Verbrecher gerechnet“
V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.
R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Aus dem heiligen Evangelium nach Markus (15, 20)
Nachdem sie so ihren Spott mit ihm getrieben hatten, nahmen sie ihm den Purpurmantel ab und zogen ihm seine eigenen Kleider wieder an. Dann führten sie Jesus hinaus, um ihn zu kreuzigen.
GEFÜHLE UND GEDANKEN JESU
Mich umringen die Soldaten des Statthalters. Für sie bin ich nicht mehr ein Mensch, sondern eine Sache. Mit mir wollen sie ihr Spiel treiben, sich über mich lustig machen. Darum verkleiden sie mich als König. Auch eine Krone ist bereit – aber aus Dornen. Mit einem Stock schlagen sie mich auf den Kopf. Sie spucken mich an. Sie führen mich hinaus.[7]
Dramatische Worte des Propheten Jesaja über den Gottesknecht hallen in meinem Innern nach. Da heißt es, er habe keine schöne und edle Gestalt; er wird verachtet, ist ein Mann voller Schmerzen; er ist wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt; er ist zu Tode getroffen. Jener Knecht bin ich, um die Größe der Liebe Gottes zum Menschen zu offenbaren.[8]
UNSERE INNERE ANTWORT
Du, o Jesus, wurdest also „unter die Verbrecher gerechnet“.[9] In der ersten christlichen Generation sind Petrus und Johannes, Paulus und Silas ins Gefängnis gekommen, [10] eigens weil sie öffentlich von dir sprachen. Und so ist es im Laufe der Jahrhunderte viele Male geschehen.
Auch in diesen Tagen gibt es Männer und Frauen, die eingekerkert, verurteilt oder sogar niedergemetzelt werden, nur weil sie gläubig sind oder sich für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen. Sie schämen sich deines Kreuzes nicht. Sie sind uns bewundernswerte Vorbilder, die wir nachahmen müssen.
GEBET
Lasst uns beten mit den Worten eines Märtyrers: Shahbaz Bhatti
Am Morgen des 2. März 2011 wurde der Pakistaner Shahbaz Bhatti, Minister für die religiösen Minderheiten, von einer Gruppe bewaffneter Männer getötet. In seinem geistlichen Testament hatte er geschrieben:
„Ich erinnere mich an einen Karfreitag, als ich gerade dreizehn Jahre alt war: Ich hörte eine Predigt über das Opfer Jesu für unsere Erlösung und für das Heil der Welt.Und es kam mir der Gedanke, als Antwort auf diese seine Liebe unseren Brüdern und Schwestern Liebe zu schenken, indem ich mich in den Dienst der Christen stellte, besonders der Armen, der Notleidenden und der Verfolgten, die in diesem islamischen Land leben.
Ich möchte, dass mein Leben, mein Charakter, meine Handlungen für mich sprechen und zum Ausdruck bringen, dass ich Jesus Christus nachfolge. Dieser Wunsch ist in mir so stark, dass ich mich … privilegiert fühlen würde, wenn es Jesus gefiele, mein Leben als Opfer anzunehmen.“
Im Licht dieses Zeugnisses wollen wir beten: Herr Jesus, verleihe den Verfolgten innere Stärke. Möge das Grundrecht auf Religionsfreiheit in der Welt Verbreitung finden. Wir danken dir für alle, die wie „Engel“ wunderbare Zeichen setzen für das Kommen deines Reiches.
Alle:
Pater noster, qui es in cælis:
sanctificetur nomen tuum;
adveniat regnum tuum;
fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra.
Panem nostrum cotidianum da nobis hodie;
et dimitte nobis debita nostra,
sicut et nos dimittimus debitoribus nostris;
et ne nos inducas in tentationem;
sed libera nos a malo.
Cuius animam gementem,
contristatam et dolentem
pertransivit gladius.
DRITTE STATION
Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz
„Seht das Lamm Gottes"
V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.
R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Aus dem Buch des Propheten Jesaja (53, 5)
Er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt.
GEFÜHLE UND GEDANKEN JESU
Ich wanke, da ich die ersten Schritte zum Kalvarienberg gehe. Ich habe schon sehr viel Blut verloren. Es fällt mir schwer, dem Gewicht des Holzes, das ich tragen muss, standzuhalten. Und so stürze ich zu Boden.
Irgendjemand hebt mich wieder auf. Um mich herum sehe ich viele Leute. Da gibt es sicher auch jemanden, der mir wohl gesonnen ist. Andere sind nur Schaulustige. Ich denke an Johannes den Täufer, der zu Beginn meines öffentlichen Lebens sagte: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt!“[11]. Jetzt wird die Wahrheit jener Worte offenbar.
UNSERE INNERE ANTWORT
O Jesus, dies ist der Tag, an dem wir nicht dem Pharisäer ähneln dürfen, der sich selbst lobt, sondern wie der Zöllner sein müssen, der nicht einmal wagt, das Haupt zu erheben.[12] Deshalb bitten wir dich, Lamm Gottes, vertrauensvoll um die Vergebung unserer Sünden in Gedanken, Worten, Werken und Unterlassungen.
Wenn wir die Last deines Kreuzes bedenken, schämen wir uns nicht, uns zu bekreuzigen: „Es ist ein wirksames Hilfsmittel: für die Armen ist es unentgeltlich und kostet den, der schwach ist, keine Anstrengung. Es handelt sich nämlich um eine Gnade Gottes.“[13]
GEBET
Dein Sohn hat wie wir als Mensch gelebt.
Wir preisen dich, heiliger Vater, denn immer wieder hast du …durch die Propheten gelehrt, dein Heil zu erwarten. Wir preisen dich, denn so sehr hast du die Welt geliebt, dass du uns deinen eingeborenen Sohn gesandt hast. Um deinen Plan der Erlösung zu erfüllen, hat er wie wir als Mensch gelebt, in allem uns gleich außer der Sünde. Den Armen verkündete er die Botschaft vom Heil, den Gefangenen Freiheit, den Trauernden Freude.[14]
Danke, o Vater!
Alle:
Pater noster, qui es in cælis:
sanctificetur nomen tuum;
adveniat regnum tuum;
fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra.
Panem nostrum cotidianum da nobis hodie;
et dimitte nobis debita nostra,
sicut et nos dimittimus debitoribus nostris;
et ne nos inducas in tentationem;
sed libera nos a malo.
O quam tristis et afflicta
fuit illa benedicta
Mater Unigeniti!
VIERTE STATION
Jesus begegnet seiner Mutter
Ein Schwert durchdringt die Seele
V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.
R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas (2, 34-35.51)
Simeon segnete sie und sagte zu Maria, der Mutter Jesu: „Dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird … Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen.“ … Seine Mutter bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen.
GEFÜHLE UND GEDANKEN JESU
In der Menschenmenge ist meine Mutter. Mein Herz klopft heftig. Ich kann sie nicht genau sehen. Das Blut rinnt mir auch über das Gesicht.
Als ich erst vierzig Tage alt war, wurde ich gemäß dem Gesetz des Mose in den Tempel getragen für das Opfer. Ein Prophet sprach mit meinem Vater und meiner Mutter. Er hieß Simeon. Er nahm mich in seine Arme. Er sagte, ich werde „ein Zeichen“ sein, „dem widersprochen wird“, und zu meiner Mutter sagte er, ihr werde „ein Schwert durch die Seele dringen“ – Worte, die in diesem Moment eine brennende Wirklichkeit für sie und für mich geworden sind. Heute findet das Opfer jenes Tages seine ganze Vollendung.[15]
DIE INNERE ANTWORT MARIAS
„O mein Sohn aus göttlichem Stamm, von den Händen dieser Übeltäter wirst du fortgeschleppt, und du erträgst es. Du bist gekommen, um dich den Fesseln auszuliefern, und freiwillig lässt du dich von ihnen führen – du, der du der Befreier bist, der die Ketten der gefesselten Menschheit löst! … Wie bin ich zerschlagen! … Sag‘ mir, sag‘ mir ein Wort, du Wort Gottes, des Vaters; geh nicht schweigend vorüber an deiner Magd, die deine Mutter geworden ist.“[16]
O Jesus, die dramatische Situation, die du gemeinsam mit deiner Mutter in einem Gässchen Jerusalems durchstehst, lässt uns an die vielen Familiendramen denken, die es in der Welt gibt – für alle: Mütter und Väter, Töchter und Söhne, Großmütter und Großväter. Es ist leicht, zu urteilen, doch wichtiger ist es, sich in die Lage der anderen zu versetzen und ihnen zu helfen, soweit es uns möglich ist. Wir wollen versuchen, das zu tun.
GEBET
„Was er euch sagt, das tut!“
Heilige Maria, Mutter Jesu und Braut des heiligen Josef, wir bitten dich, die Bischofssynode, die der Familie gewidmet ist, mit deiner Fürbitte zu begleiten: für den Papst, für die Bischöfe und für alle, die unmittelbar daran beteiligt sind, dass sie dem Heiligen Geist gegenüber gelehrig sind und zu einer guten Beurteilung gelangen. Immer ist uns der Psalm gegenwärtig, der sagt: „Es begegnen einander Liebe und Wahrheit.“[17] In Kana hast du, o Maria, den Knechten geraten: „Was er euch sagt, das tut!“[18] Steh den Eheleuten und den christlichen Eltern bei, die berufen sind, Zeugnis zu geben für die Schönheit einer Familie, die durch die Weisungen Jesu inspiriert und geführt wird.
Alle:
Pater noster, qui es in cælis:
sanctificetur nomen tuum;
adveniat regnum tuum;
fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra.
Panem nostrum cotidianum da nobis hodie;
et dimitte nobis debita nostra,
sicut et nos dimittimus debitoribus nostris;
et ne nos inducas in tentationem;
sed libera nos a malo.
Quæ mærebat et dolebat
pia Mater, cum videbat
Nati pœnas incliti.
FÜNFTE STATION
Simon von Zyrene hilft Jesus das Kreuz tragen
Bei der Rückkehr vom Feld
V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.
R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas (23, 26)
Als sie Jesus hinausführten, ergriffen sie einen Mann aus Zyrene namens Simon, der gerade vom Feld kam. Ihm luden sie das Kreuz auf, damit er es hinter Jesus hertrage.
GEFÜHLE UND GEDANKEN JESU
Ich höre Schreie in meiner Umgebung. Gewaltsam ergreifen sie einen Bauern, der da vielleicht zufällig vorbeikam. Ohne lange Erklärungen zwingen sie ihn, meine Last auf sich zu nehmen. Ich fühle mich erleichtert. Sie befehlen ihm, hinter mir her zu gehen. Gemeinsam werden wir bis zum Ort der Hinrichtung gehen.
Mehr als einmal habe ich in meinen Predigten vom Reich Gottes gesagt: „Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein.“[19] Jetzt aber trägt dieser Mann sogar meines. Vielleicht weiß er nicht einmal, wer ich bin, doch inzwischen hilft er mir und folgt mir nach.
UNSERE INNERE ANTWORT SIMON ZUM LOB
„Selig auch du, Simon, der du im Leben unserem König das Kreuz nachgetragen hast. Stolz sind die, welche die Insignien des Königs tragen, doch die Könige samt ihren Insignien werden vergehen. Selig sind deine Hände, die sich erhoben und in Prozession das Kreuz Jesu getragen haben, das uns das Leben schenkte.“[20]
Vielleicht ist auch für einige von uns die Begegnung mit dir, o Herr, ganz unversehens geschehen. Aber dann ist sie gewachsen.
Wir betrachten es als eine große Gnade, dass es unter uns nicht an Menschen wie diesem Simon fehlt. Sie tragen das Kreuz der anderen. Sie tun es mit Ausdauer. Und was sie dazu bewegt, ist die Liebe. Ihre Gegenwart wird zu einer Quelle der Hoffnung. Sie setzen die Aufforderung des heiligen Paulus „Einer trage des anderen Last“[21] in die Tat um. Und so behüten sie die Brüder und Schwestern.
GEBET
Wer bedarf nicht eines Simon von Zyrene?
Herr Jesus, du hast gesagt: „Geben ist seliger als nehmen.“[22] Mach auch uns bereit, die Aufgabe des Simon von Zyrene zu erfüllen. Wer unseren Lebensstil beobachtet, möge sich angespornt fühlen, wenn er sieht, dass wir tun, was schön, gerecht, wahr und wesentlich ist. Wer schwach ist, soll sehen, dass wir demütig sind, weil unter vielen Gesichtspunkten auch wir schwach sind. Wer von uns Zeichen der Unentgeltlichkeit empfängt, soll merken, dass wir selbst tausend Gründe haben, „danke“ zu sagen. Auch wer nicht fähig ist, sich zu beeilen, bleibe ruhig, denn er ist uns lieb. Er soll sehen, dass wir bereit sind, den Schritt zu verlangsamen: Wir wollen ihn nicht zurücklassen.
Alle:
Pater noster, qui es in cælis:
sanctificetur nomen tuum;
adveniat regnum tuum;
fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra.
Panem nostrum cotidianum da nobis hodie;
et dimitte nobis debita nostra,
sicut et nos dimittimus debitoribus nostris;
et ne nos inducas in tentationem;
sed libera nos a malo.
Quis est homo qui non fleret,
Matrem Christi si videret
in tanto supplicio?
SECHSTE STATION
Veronika reicht Jesus das Schweißtuch
Jüngerinnen
V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.
R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas (8, 1-3)
[Jesus] wanderte … von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf und verkündete das Evangelium vom Reich Gottes. Die Zwölf begleiteten ihn, außerdem einige Frauen, die er von bösen Geistern und von Krankheiten geheilt hatte: Maria Magdalena, aus der sieben Dämonen ausgefahren waren, Johanna, die Frau des Chuzas, eines Beamten des Herodes, Susanna und viele andere. Sie alle unterstützten Jesus und die Jünger mit dem, was sie besaßen.
GEFÜHLE UND GEDANKEN JESU
In der Menschenmenge sind viele Frauen. Eine von ihnen fühlt sich in ihrer Liebenswürdigkeit gedrängt, näher zu kommen, um mir das Gesicht abzutrocknen. Diese Geste lässt in mir Erinnerungen an verschiedene Begegnungen aufsteigen. Eine war vor einer Woche. Aus Freundschaft habe ich in Betanien als Gast von Marta, Maria und Lazarus zu Abend gegessen. Maria hat mir die Füße mit duftendem, echtem Nardenöl gesalbt. Zu ihrer Überraschung habe ich ihr gesagt, das solle im Hinblick auf mein Begräbnis getan sein.[23]
Ich sehe mich auch, wie ich am Jakobsbrunnen sitze. Ich war müde und durstig. In dem Moment kommt eine samaritische Frau mit einem Schöpfgefäß. Ich bitte sie um Wasser. Und ich mache eine Andeutung von einem Wasser, das für das ewige Leben sprudelt. Es schien, als erwartete sie dieses Geschenk, um ihr Herz zu öffnen. Sie wollte mir alles über sich erzählen. Zu meinem Erstaunen habe ich gesehen, wie sie ihrem Gewissen auf den Grund ging. Sie ist ins Dorf zurückgegangen, hat von mir gesprochen und gesagt: „Ist er vielleicht der Messias?“[24]
UNSERE INNERE ANTWORT
O Jesus, heute Abend ist die Anwesenheit der Frauen unter uns bedeutsam. In den Evangelien haben sie einen wichtigen Platz. Sie haben dir und den Aposteln gedient. Einige von ihnen waren bei deiner Passion zugegen. Und sie sollten die ersten sein, die die Kunde von deiner Auferstehung brachten.
Der weibliche Genius spornt uns an, den Glauben in der Liebe zu dir zu leben.[25] Das lehren uns alle Heiligen. Ihren Weg wollen wir gehen.
GEBET
Die Gabe der geistlichen Mutterschaft
Herr Jesus, die Verkündigung des Glaubens in der Welt und der Weg der christlichen Gemeinden sind sehr von den Frauen unterstützt. Bewahre sie als Zeuginnen jenes Glücks, das aus der Begegnung mit dir aufkeimt und das das tiefe Geheimnis ihres Lebens bildet. Behüte sie als leuchtendes Zeichen der Mütterlichkeit an der Seite der Letzten, die in ihrem Herzen die Ersten werden.
Alle:
Pater noster, qui es in cælis:
sanctificetur nomen tuum;
adveniat regnum tuum;
fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra.
Panem nostrum cotidianum da nobis hodie;
et dimitte nobis debita nostra,
sicut et nos dimittimus debitoribus nostris;
et ne nos inducas in tentationem;
sed libera nos a malo.
Qui non posset contristari,
piam Matrem contemplari
dolentem cum Filio?
SIEBTE STATION
Jesus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuz
„Sei mir nicht fern“[26]
V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.
R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus (26, 36-39)
[Jesus kam] zu einem Grundstück, das man Getsemani nennt, [um zu beten] … Und er nahm Petrus und die beiden Söhne des Zebedäus mit sich. Da ergriff ihn Angst und Traurigkeit, und er sagte zu ihnen: „Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibt hier und wacht mit mir!“ Und er … betete: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst.“
Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas (22, 43-44)
Da erschien ihm ein Engel vom Himmel und gab ihm (neue) Kraft. Und er betete in seiner Angst noch inständiger, und sein Schweiß war wie Blut, das auf die Erde tropfte.
GEFÜHLE UND GEDANKEN JESU
Es ist keine nur körperliche Mühsal. Da ist noch etwas tiefer Liegendes, mit dem ich mich auseinandersetzen muss. Gestern Abend habe ich am Boden kniend lange zum Vater gebetet. Mein Schweiß war wie Blutstropfen. Ich befand mich bereits im Todeskampf. Ich teile jetzt die letzte und schwierige Erfahrung jedes Menschen, der dem Tode nahe ist. Danke, mein Vater, dass du mir in jenem Augenblick einen Engel vom Himmel gesandt hast, um mich zu trösten!
UNSERE INNERE ANTWORT
Jesus, wieviel Traurigkeit im Abgrund vieler Seelen, die verletzt sind von der Einsamkeit, der Verlassenheit, der Gleichgültigkeit, der Krankheit, dem Tod eines geliebten Menschen!
Unermesslich ist zudem das Leiden derer, die die Erfahrung bitterer Ereignisse und hasserfüllter, falscher Worte machen oder die auf Herzen von Stein stoßen, welche Tränen verursachen und in die Verzweiflung führen.
Das Herz des Menschen – das Herz von uns allen – erwartet etwas ganz anderes: die Obhut der Liebe. Du, o Jesus, lehrst es uns und allen Menschen guten Willens: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.[27]
GEBET
Mein Herz, behüte und tröste!
Öffne dich, mein Herz! Sei weit wie das Herz Gottes! Öffne dich, um Hoffnung zu bringen! Öffne dich, um dich zu kümmern! Öffne dich, um zuzuhören! Öffne dich, um Wunden zu salben! Öffne dich, um denen Licht zu schenken, die in der Finsternis sind! Behüte und tröste heute, morgen und immer.
Alle:
Pater noster, qui es in cælis:
sanctificetur nomen tuum;
adveniat regnum tuum;
fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra.
Panem nostrum cotidianum da nobis hodie;
et dimitte nobis debita nostra,
sicut et nos dimittimus debitoribus nostris;
et ne nos inducas in tentationem;
sed libera nos a malo.
Pro peccatis suæ gentis
vidit Iesum in tormentis
et flagellis subditum.
ACHTE STATION
Jesus begegnet den weinenden Frauen von Jerusalem
„Ihr seid das Salz der Erde … Ihr seid das Licht der Welt“[28]
V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.
R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas (23, 27-28)
Es folgte eine große Menschenmenge, darunter auch Frauen, die um ihn klagten und weinten. Jesus wandte sich zu ihnen um und sagte: „Ihr Frauen von Jerusalem, weint nicht über mich; weint über euch und eure Kinder!“
GEFÜHLE UND GEDANKEN JESU
Erst wenige Tage ist es her, dass ich in Jerusalem einzog. Eine kleine Ansammlung von Jüngern hat mich gefeiert. Sie haben mir sogar zugejubelt: „Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn.“[29] In seiner Einfachheit war das ein feierlicher Augenblick. Und doch haben die Pharisäer gezeigt, dass ihnen das nicht gefiel. Das Fest hat nicht verhindert, dass mir beim Anblick der Stadt die Tränen kamen.[30] Nun, da ich mühevoll nach Golgota gehe, ertönen Frauenstimmen, die um mich klagen und sich auf die Brust schlagen.
UNSERE INNERE ANTWORT
Vielleicht kannst du, Jesus, auch heute beim Anblick unserer Städte Grund haben zu weinen. Auch wir können dir gegenüber blind sein, ohne Verständnis für den Weg des Friedens, den du gewiesen hast.[31]
Jetzt aber empfinden wir als deinen Ruf an uns, was du in der Bergpredigt gesagt hast: „Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen. Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.“ Und auch, was du zu deinen Jüngern gesagt hast: „Ihr seid das Salz der Erde … Ihr seid das Licht der Welt … So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“[32]
GEBET
Im Licht des himmlischen Jerusalem
Herr und Gott, du hast uns zum himmlischen Jerusalem gerufen, zur Wohnung Gottes unter den Menschen. Du hast uns verheißen, dass dort alle Tränen von unseren Augen abgewischt werden. Es wird keinen Tod mehr geben, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Du wirst unser Gott sein, und wir werden dein Volk sein.[33] Bewahre in uns die Hoffnung, dass nach der mühevollen Zeit der Aussaat unter Tränen die frohe Zeit der Ernte kommt.[34]
Alle:
Pater noster, qui es in cælis:
sanctificetur nomen tuum;
adveniat regnum tuum;
fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra.
Panem nostrum cotidianum da nobis hodie;
et dimitte nobis debita nostra,
sicut et nos dimittimus debitoribus nostris;
et ne nos inducas in tentationem;
sed libera nos a malo.
Eia, Mater, fons amoris,
me sentire vim doloris
fac, ut tecum lugeam.
NEUNTE STATION
Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz
Die „Reise“ Jesu
V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.
R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes (16, 28)
Vom Vater bin ich ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater.
GEFÜHLE UND GEDANKEN JESU
Meine irdische Reise geht zu Ende. Als ich geboren wurde, hat meine Mutter mich in eine Krippe gelegt.[35] Fast mein ganzes Leben habe ich in Nazareth verbracht. Ich habe mich ganz in die Geschichte des erwählten Volkes hineinbegeben.
Als wandernder Gesandter des Vaters habe ich die Weite seiner Liebe verkündet, die niemanden außer Acht lässt; die Länge seiner Liebe, die durch alle Generationen hindurch treu ist; die Höhe seiner Liebe – eine Hoffnung, die sogar den Tod besiegt[36] – und die Tiefe seiner Liebe, die mich nicht zu den Gerechten, sondern zu den Sündern gesandt hat.[37]
Viele haben auf mich gehört und sind mir nachgefolgt und meine Jünger geworden; andere haben mich nicht verstanden. Einige aber haben mich bekämpft und schließlich verurteilt. Doch in diesem Moment bin ich mehr denn je berufen, die Liebe Gottes zum Menschen zu offenbaren.[38]
UNSERE INNERE ANTWORT
Jesus, angesichts deiner Liebe und der Liebe des Vaters fragen wir uns, ob wir nicht Gefahr laufen, uns von der Welt berücken zu lassen, für die dein Leiden und Sterben „Torheit“ und „ein empörendes Ärgernis“ ist, während es doch „Gottes Kraft und Gottes Weisheit“ ist.[39] Sind wir nicht vielleicht laue Christen, während deine Liebe ein Geheimnis von Feuer ist?
Sind wir und klar darüber, dass wir nicht wussten, wer Gott eigentlich ist, bevor er selbst gekommen war? Als du, der eingeborene Sohn, gekommen bist, hat Gott uns, die er nach seinem eigenen Bild geformt hat, gewährt, nach oben zu ihm zu blicken, und hat uns das Reich im Himmel verheißen. Wie also sollten wir den nicht lieben, der uns zuerst geliebt hat?[40]
GEBET
„Abba, Vater“
Herr und Gott, wir wagen es, dich „Vater unser“ zu nennen. Uns selbst als deine Kinder zu empfinden, ist ein wunderbares Geschenk, für das wir dir ewig dankbar sind. Wir wissen, o Vater, dass wir nicht nur ein Staubkorn im Universum sind. Du hast uns eine große Würde verliehen, du hast uns zur Freiheit berufen. Befreie uns von jeder Form der Sklaverei. Lass nicht zu, dass wir fern von dir umherstreifen. Behüte, o Vater, einen jeden von uns. Behüte jeden Menschen, der auf der Erde wohnt.
Alle:
Pater noster, qui es in cælis:
sanctificetur nomen tuum;
adveniat regnum tuum;
fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra.
Panem nostrum cotidianum da nobis hodie;
et dimitte nobis debita nostra,
sicut et nos dimittimus debitoribus nostris;
et ne nos inducas in tentationem;
sed libera nos a malo.
Fac ut ardeat cor meum
in amando Christum Deum,
ut sibi complaceam.
ZEHNTE STATION
Jesus wird seiner Kleider beraubt
Das Untergewand
V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.
R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Aus dem Buch der Psalmen (22,19)
Sie verteilen unter sich meine Kleider und werfen das Los um mein Gewand.
GEFÜHLE UND GEDANKEN JESU
Schweigend stehe ich da. Ich fühle mich gedemütigt durch eine eindeutig banale Geste. Vor einigen Stunden bin ich schon einmal entblößt worden. Meine Gedanken gehen zu meiner Mutter, die hier zugegen ist. Meine Demütigung ist auch ihre. Auch auf diese Weise wird ihre Seele durchbohrt. Ihr verdanke ich das Untergewand, das mir vom Leib gerissen wurde und das ein Symbol ihrer Liebe zu mir ist.[41]
UNSERE INNERE ANTWORT
Dein Untergewand, Herr, lässt uns nachdenken über einen Moment der Gnade und zugleich über Geschehnisse, die die Menschenwürde verletzen.
Die Gnade ist die der Taufe. Zu dem gerade Christ gewordenen Kind wird gesagt: „In der Taufe bist du eine neue Schöpfung geworden und hast – wie die Schrift sagt – Christus angezogen. Das weiße Gewand sei dir ein Zeichen für diese Würde. Bewahre sie für das ewige Leben.“[42] Hier liegt die tiefste Wahrheit des menschlichen Lebens.
Zugleich lässt uns die Liebe, mit der du jedes Geschöpf behütest, an schreckliche Situationen denken: an den Menschenhandel, an die Lage der Kindersoldaten, an die Arbeit, die zur Sklaverei wird, an die Kinder und Jugendlichen, die ihrer selbst beraubt, in ihrem Innersten verletzt und barbarisch missbraucht werden.
Du drängst uns, diejenigen, die diese Schmähungen erleiden, demütig um Verzeihung zu bitten und zu beten, dass endlich das Gewissen derer erwache, die im Leben anderer Menschen den Himmel verdunkelt haben. Vor dir, o Jesus, erneuern wir den Vorsatz, das Böse durch das Gute zu besiegen.[43]
GEBET
Die beiden Wege
„Wohl dem Mann, der nicht dem Rat der Frevler folgt, nicht auf dem Weg der Sünder geht, nicht im Kreis der Spötter sitzt, sondern Freude hat an der Weisung des Herrn, über seine Weisung nachsinnt bei Tag und bei Nacht. Er ist wie ein Baum, der an Wasserbächen gepflanzt ist, der zur rechten Zeit seine Frucht bringt und dessen Blätter nicht welken. Alles, was er tut, wird ihm gut gelingen.“[44]
Alle:
Pater noster, qui es in cælis:
sanctificetur nomen tuum;
adveniat regnum tuum;
fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra.
Panem nostrum cotidianum da nobis hodie;
et dimitte nobis debita nostra,
sicut et nos dimittimus debitoribus nostris;
et ne nos inducas in tentationem;
sed libera nos a malo.
Sancta Mater, istud agas,
Crucifixi fige plagas
cordi meo valide.
ELFTE STATION
Jesus wird ans Kreuz genagelt
Das höchste „Lehrpult“ der Liebe Gottes
V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.
R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes (19, 16.19)
Da lieferte er ihnen Jesus aus, damit er gekreuzigt würde … Pilatus ließ auch ein Schild anfertigen und oben am Kreuz befestigen; die Inschrift lautete: Jesus von Nazaret, der König der Juden.
GEFÜHLE UND GEDANKEN JESU
Sie nageln meine Hände und meine Füße fest. Die Arme sind ausgebreitet. Die Nägel durchdringen schmerzhaft mein Fleisch. Körperlich bin ich blockiert, aber innerlich bin ich frei, so wie ich freiwillig auf mein Leiden zugegangen bin.[45] Frei, weil von Liebe erfüllt – einer Liebe, die alle einschließen möchte.
Ich beobachte die, welche mich kreuzigen. Ich denke an die, die es ihnen befohlen haben: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“[46] Neben mir sind zwei andere, die zur Kreuzigung verurteilt sind. Einer von ihnen bittet mich, an ihn zu denken, wenn ich in meinem Reich sein werde. Ja, sage ich ihm: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“[47]
UNSERE INNERE ANTWORT
Wir schauen auf dich, Jesus, der du ans Kreuz geschlagen bist. Und in unserem Gewissen erheben sich dringende Fragen: Wann wird die Todesstrafe abgeschafft sein, die noch heute in zahlreichen Staaten verhängt wird? Wann wird jede Form der Folterung ausgetilgt sein und die gewaltsame Unterdrückung Unschuldiger? Dein Evangelium ist die stärkste Verteidigung des Menschen, jedes Menschen.
GEBET
„Erbarme dich unser!“
Herr Jesus, du hast das Kreuz auf dich genommen, um uns zu lehren, aus Liebe unser Leben hinzugeben; in der Todesstunde hast du den reumütigen Schächer erhört.
Unschuldiger Heiland, du bist unter die Verbrecher gerechnet worden und hast dich dem Urteil der Sünder unterworfen.[48]
Erbarme dich unser!
Alle:
Pater noster, qui es in cælis:
sanctificetur nomen tuum;
adveniat regnum tuum;
fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra.
Panem nostrum cotidianum da nobis hodie;
et dimitte nobis debita nostra,
sicut et nos dimittimus debitoribus nostris;
et ne nos inducas in tentationem;
sed libera nos a malo.
Tui Nati vulnerati,
tam dignati pro me pati
pœnas mecum divide.
ZWÖLFTE STATION
Jesus stirbt am Kreuz
„O Christus, du bist für uns notwendig." (Sel. Paul VI.)
V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.
R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Die Worte Jesu am Kreuz (Mt 27, 46; Mk 15, 34)
Jesus rief mit lauter Stimme: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Joh 19, 26.27). Dann wandte er sich an seine Mutter: „Frau, siehe, dein Sohn!“ und an seinen Jünger Johannes: „Siehe, deine Mutter!" (Joh 19, 28). Er sagte: „Mich dürstet!" (Joh 19, 30), sprach: „Es ist vollbracht!" (Lk 23, 46), und schließlich: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“
UNSERE INNERE ANTWORT
Jesus, am Kreuz hast du gebetet. Gerade auf diese Weise hast du den Höhepunkt deiner Berufung und deiner Sendung gelebt.
In jenem Moment hast du dich an deine Mutter und an den Jünger Johannes gewandt. Über sie hast du dich auch an uns gewandt. Wir sind deiner Mutter anvertraut worden. Du hast uns gebeten, sie in unser Leben aufzunehmen, damit wir von ihr behütet werden wie du von ihr behütet worden warst.
Tief beeindruckt sind wir, dass du in einem stundenlangen Todeskampf mit lauter Stimme zu Gott gerufen hast – mit den Worten von Psalm 22, welche die Leiden, aber auch die Hoffnungen des Gerechten zum Ausdruck bringen.
Der Evangelist Lukas erwähnt, dass du kurz vor deinem Sterben gesagt hast: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist." [49] Die Antwort des Vaters sollte nicht ausbleiben: Es war deine Auferstehung.
GEBET
„Omnia nobis est Christus" (Ambrosius)
- „Du bist für uns notwendig, Christus, damit wir unser Sein und unsere Bestimmung erkennen.
- Du bist für uns notwendig, damit wir die wahren Gründe für die Brüderlichkeit unter den Menschen, die Grundlagen der Gerechtigkeit, die Schätze der Nächstenliebe und das höchste Gut des Friedens wiederfinden.
- Du bist für uns notwendig, o großer Erleider all unserer Schmerzen, damit wir den Sinn des Leidens erkennen.
- Du bist für uns notwendig, o Sieger über den Tod, um uns von der Verzweiflung und der Verweigerung zu befreien.
- Du bist für uns notwendig, o Christus, damit wir die wahre Liebe erlernen und in der Freude und der Kraft deiner Liebe unseren mühevollen Weg gehen bis zur endgültigen Begegnung mit dir, der du geliebt, erwartet und gepriesen bist in Ewigkeit.“[50]
Alle:
Pater noster, qui es in cælis:
sanctificetur nomen tuum;
adveniat regnum tuum;
fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra.
Panem nostrum cotidianum da nobis hodie;
et dimitte nobis debita nostra,
sicut et nos dimittimus debitoribus nostris;
et ne nos inducas in tentationem;
sed libera nos a malo.
Vidit suum dulcem Natum
morientem desolatum,
cum emisit spiritum.
DREIZEHNTE STATION
Jesus wird vom Kreuz abgenommen
Der königliche Weg für die Kirche
V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.
R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus (27, 54-56)
Der Hauptmann und die Männer, die mit ihm zusammen Jesus bewachten, … sagten: „Wahrhaftig, das war Gottes Sohn!“ Auch viele Frauen waren dort. Zu ihnen gehörten Maria aus Magdala, Maria, die Mutter des Jakobus und des Josef, und die Mutter der Söhne des Zebedäus.
Jesus ist von dieser Welt zum Vater übergegangen. Seine Passion schenkt uns die Gnade, innerhalb der Geschichte das Leiden Gottes für den Menschen zu entdecken. Die Heiligen haben es erwidert, indem sie Jünger und Apostel wurden. Dazu sind auch wir berufen.
UNSERE INNERE ANTWORT
- „In dir, Jesus, dem fleischgewordenen Wort, sind wir berufen, die Kirche der Barmherzigkeit zu sein.
- In dir, dem Armen aus freier Wahl, ist die Kirche berufen, arm und Freundin der Armen zu sein.
- Wenn wir dein Angesicht betrachten, darf das unsere nicht anders sein als deines.
- Unsere Schwäche wird Kraft und Sieg sein, wenn sie die Demut und die Milde unseres Gottes zeigt.“[51]
GEBET
„Breite, o Vater, das Reich der Gerechtigkeit und des Friedens, das du durch deinen eingeborenen Sohn, unsern König und Retter, vorbereitet hast, auf die ganze Menschheitsfamilie aus. So wird den Menschen wahrer und sanfter Friede geschenkt werden. Die Armen werden Gerechtigkeit finden, die Traurigen werden Trost erfahren und alle Völker der Erde werden gesegnet sein in ihm, unserm Herrn und Gott, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt uns herrscht in Ewigkeit.“[52]
Alle:
Pater noster, qui es in cælis:
sanctificetur nomen tuum;
adveniat regnum tuum;
fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra.
Panem nostrum cotidianum da nobis hodie;
et dimitte nobis debita nostra,
sicut et nos dimittimus debitoribus nostris;
et ne nos inducas in tentationem;
sed libera nos a malo.
Fac me tecum pie flere,
Crucifixo condolere,
donec ego vixero.
VIERZEHNTE STATION
Jesus wird ins Grab gelegt
Behütet für immer
V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.
R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.
Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes (19, 38-40)
Josef aus Arimathäa … bat Pilatus, den Leichnam Jesu abnehmen zu dürfen, und Pilatus erlaubte es. Also kam er und nahm den Leichnam ab. Es kam auch Nikodemus … Er brachte eine Mischung aus Myrrhe und Aloe, etwa hundert Pfund. Sie nahmen den Leichnam Jesu und umwickelten ihn mit Leinenbinden, zusammen mit den wohlriechenden Salben, wie es beim jüdischen Begräbnis Sitte ist.
GEFÜHLE VON ZWEI FREUNDEN JESU
Der Leib von zur Kreuzigung Verurteilten wurde nicht einmal der Beerdigung würdig erachtet. Doch zwei angesehene Männer, Josef von Arimathäa und Nikodemus haben den Leichnam Jesu achtsam gehütet.
„Was für ein Glück für mich und für euch“, sagt Josef von Arimathäa, „Jünger Jesu geworden zu sein![53] Früher hielt ich das geheim. Jetzt aber spüre ich in mir großen Mut. Ich bin sogar vor Pilatus getreten, um den Leichnam Jesu zu bekommen.[54] Mehr noch als der Mut waren die Liebe und die Freude ausschlaggebend. Ich freue mich, ein neues, in den Fels gehauenes Grab zur Verfügung gestellt zu haben.[55] Ich sage euch: Liebt unseren Heiland!“
Nikodemus könnte hinzufügen: „Zu nächtlicher Stunde erlebte ich meine erste Begegnung mit Jesus. Von ihm wurde ich aufgefordert, von neuem geboren zu werden.[56] Nur ganz allmählich habe ich diese seine Worte verstanden. Jetzt bin ich hier, um seinen Leichnam zu ehren. Gerne habe ich eine Mischung aus Myrrhe und Aloe besorgt.[57] Doch die Wahrheit ist, dass er sehr viel mehr für mich getan hat: Er hat mein Leben mit Duft erfüllt!“
MARIA SPRICHT ZU UNSEREM HERZEN
„Johannes stand mir zur Seite. Unter dem Kreuz wurde mein Glaube hart auf die Probe gestellt. Wie schon in Bethlehem und dann in Nazareth, so denke ich auch jetzt schweigend über alles nach.[58] Ich vertraue auf Gott. Meine mütterliche Hoffnung ist nicht erloschen. Vertraut auch Ihr! Euch allen erbitte ich die Gnade eines starken Glaubens, und denen, die durch Tage der Dunkelheit gehen, erbitte ich Trost.“
GEBET
Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade,
der Herr ist mit dir.
Du bist gebenedeit unter den Frauen,
und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes,
Jesus.
Heilige Maria, Mutter Gottes,
bitte für uns Sünder,
jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.
Alle:
Pater noster, qui es in cælis:
sanctificetur nomen tuum;
adveniat regnum tuum;
fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra.
Panem nostrum cotidianum da nobis hodie;
et dimitte nobis debita nostra,
sicut et nos dimittimus debitoribus nostris;
et ne nos inducas in tentationem;
sed libera nos a malo.
Quando corpus morietur,
fac ut animæ donetur
paradisi gloria.
Amen.
ANSPRACHE DES HEILIGEN VATERS
UND APOSTOLISCHER SEGEN
Der Heilige Vater richtet das Wort an die Anwesenden.
Am Ende der Rede erteilt der Heilige Vater den Apostolischen Segen:
V. Dominus vobiscum.
R. Et cum spiritu tuo.
V. Sit nomen Domini benedictum.
R. Ex hoc nunc et usque in sæculum.
V. Adiutorium nostrum in nomine Domini.
R. Qui fecit cœlum et terram.
V. Benedicat vos omnipotens Deus,
XPater, etXFilius, etXSpiritus Sanctus.
R. Amen.
Crux fidelis
Schola:
R. Crux fidelis, inter omnes arbor una nobilis,
nulla silva talem profert, fronde, flore, germine!
Dulce lignum dulces clavos dulce pondus sustinet!
1. Pange, lingua, gloriosi prœlium certaminis,
et super crucis tropæo dic triumphum nobilem,
qualiter Redemptor orbis immolatus vicerit. R.
2. De parentis protoplasti fraude factor condolens,
quando pomi noxialis morte morsu corruit,
ipse lignum tunc notavit, damna ligni ut solveret. R.
BILDMATERIAL: Öl auf Leinwand (1927)
Jozef Neškudla und Werkstatt, Jablonné nad Orlicí (Tschechische Republik)
Kirche der Schmerzensmutter Maria Pohorelá (Slowakei)