JOSEPH FÜHRICH (1800-1876) KREUZWEG 1844-46 KIRCHE ST. JOHANN NEPOMUK - WIEN SECHSTE STATION Veronika reicht Jesus das Schweißtuch V/. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi. L. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum. Aus dem Buch des Propheten Jesaja. 53, 2-3 Er hatte keine schöne und edle Gestalt, so daß wir ihn anschauen mochten. Er sah nicht so aus, daß wir Gefallen fanden an ihm. Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut, wie einer, vor dem man das Gesicht verhüllt, war er verachtet; wir schätzten ihn nicht. BETRACHTUNG Als Veronika das Antlitz Jesu mit einem Tuch abtrocknete, konnte dieses Antlitz sicher nicht anziehend sein: es war ein entstelltes Gesicht. Doch dieses Gesicht konnte einen nicht gleichgültig lassen, dieses Gesicht rüttelte auf. Es konnte Spott und Verachtung provozieren, aber auch Mitleid und sogar Liebe wecken, den Wunsch, zu helfen. Veronika ist das Symbol dieser Gefühle. So entstellt es auch sein mag, bleibt das Gesicht Jesu doch immer das Antlitz des Sohnes Gottes. Es ist ein von uns entstelltes Gesicht, von der Unmenge menschlicher Niedertracht. Doch es ist auch ein für uns entstelltes Gesicht, das die Liebe und Hingabe Jesu ausdrückt und ein Spiegel der unendlichen Barmherzigkeit Gottes des Vaters ist. Im leidenden Antlitz Jesu sehen wir außerdem noch eine andere riesige Menge, die der menschlichen Leiden. Und so wird die Geste der Veronika für uns eine Provokation, ein dringender Aufruf: Sie wird zur sanften aber zwingenden Aufforderung, uns nicht abzuwenden, auch selbst auf die zu schauen, die leiden, auf Nahe und Ferne. Und nicht nur zu schauen, sondern zu helfen. Der Kreuzweg dieses Abends wird nicht vergebens gewesen sein, wenn er uns zu konkreten Taten der Liebe und der aktiven Solidarität bewegt. Alle: Pater noster, qui es in caelis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in caelo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo. Quis non posset contristari, piam matrem contemplari dolentem cum Filio? © Copyright 2010 - Libreria Editrice Vaticana |