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S.P. 42: Libro d'Ore "Borromeo" miniato da Cristoforo de Predis, Sec.XV
Biblioteca Ambrosiana

SECHSTE STATION
Jesus wird gegeißelt und mit Dornen gekrönt


V/. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.
L. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.


Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas. 22, 63-65

Die Wächter trieben ihren Spott mit Jesus. Sie schlugen ihn, verhüllten ihm das Gesicht und fragten ihn: »Du bist doch ein Prophet! Sag uns: Wer hat dich geschlagen?«. Und noch mit vielen anderen Lästerungen verhöhnten sie ihn.

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes. 19, 2-3

Die Soldaten flochten einen Kranz aus Dornen; den setzten sie ihm auf und legten ihm einen purpurroten Mantel um. Sie stellten sich vor ihn hin und sagten: »Heil dir, König der Juden!« Und sie schlugen ihm ins Gesicht.

BETRACHTUNG

Als er eines Tages nicht weit von Jericho durch das Jordantal zog, war Jesus stehengeblieben und hatte zu den Zwölf sehr harte und ihnen unverständliche Worte gesagt: »Wir gehen jetzt nach Jerusalem hinauf, dort wird der Menschensohn den Heiden ausgeliefert, wird verspottet, mißhandelt und angespuckt werden, und man wird ihn geißeln und töten…« [1] . Jetzt löst sich das Rätsel um diese Worte: Im Hof des Prätoriums, des Amtssitzes des römischen Statthalters in Jerusalem, beginnt das grauenhafte Ritual der Folter, das draußen, außerhalb des Palastes, begleitet wird vom Lärmen der Menge, die auf das Spektakel des Hinrichtungszuges wartet.

An jenem der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Ort vollzieht sich eine Tat, die sich in allen Jahrhunderten auf vielerlei sadistische und perverse Weise wiederholen wird, in vielen düsteren Zellen. Jesus wird nicht nur geschlagen, sondern er wird auch gedemütigt. Ja, der Evangelist Lukas benutzt sogar das Verb »lästern« und spielt damit auf die tiefere Bedeutung an, die dieser Gewaltausbruch der Wachen, der sich auf das Opfer entlädt, besitzt. Aber zu den körperlichen Qualen Christi kommt noch eine Verletzung seiner persönlichen Würde durch ein makabres Possenspiel hinzu.

* * *

Es ist der Evangelist Johannes, der jene sarkastische Tat in Erinnerung ruft, die abläuft wie ein volkstümliches Spiel, das Spiel des Spottkönigs. Da ist nämlich eine Krone, deren Reif aus Dornenzweigen besteht; da ist der königliche Purpur, ersetzt durch einen roten Umhang; da ist das »Ave, Caesar«, der kaiserliche Gruß. Und dennoch, durch den Spott hindurch wird ein herrliches Zeichen sichtbar: Ja, Jesus wird gedemütigt als Spottkönig; in Wirklichkeit aber ist er der wahre Herrscher der Geschichte.

Wenn am Ende sein Königtum offenbar werden wird, wird er – wie ein anderer Evangelist, Matthäus, uns in Erinnerung ruft [2] – alle Peiniger und Unterdrücker verurteilen und nicht nur die Opfer in die Herrlichkeit aufnehmen, sondern auch alle, die diejenigen besucht haben, die im Gefängnis waren, die die Verletzten und Leidenden gepflegt haben, die den Hungernden, Dürstenden und Verfolgten geholfen haben. Jetzt ist jedoch das verklärte Antlitz, das auf dem Berg Tabor erschienen ist [3] , entstellt; er, der »der Abglanz der göttlichen Herrlichkeit« [4] ist, ist unkenntlich gemacht und gedemütigt; wie Jesaja angekündigt hatte, ist der Rücken des messianischen Gottesknechtes zerfurcht von den Peitschenhieben, sein Bart von den Wangen ausgerissen, läuft Speichel über sein Gesicht [5] . In ihm, der der Gott der Herrlichkeit ist, ist auch unsere schmerzerfüllte Menschheit gegenwärtig, in ihm, der der Herr der Geschichte ist, offenbart sich die Verletzlichkeit der Geschöpfe; in ihm, der der Schöpfer der Welt ist, verdichtet sich der Schmerzenslaut aller Lebewesen.

Alle:

Pater noster, qui es in caelis:
sanctificetur nomen tuum;
adveniat regnum tuum;
fiat voluntas tua, sicut in caelo, et in terra.
Panem nostrum cotidianum da nobis hodie;
et dimitte nobis debita nostra,
sicut et nos dimittimus debitoribus nostris;
et ne nos inducas in tentationem;
sed libera nos a malo.

Quis non posset contristari,
piam matrem contemplari
dolentem cum Filio?

 
[1] Lukas 18,31-32.
[2] vgl. Matthäus 25,31-46.
[3] vgl. Lukas 9,29.
[4] vgl. Hebräer 1,3.
[5] vgl. Jesaja 50,6.


 

© Copyright 2007 - Libreria Editrice Vaticana

    

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