ARTIKEL 13
GNADE UND RECHTFERTIGUNG
I Die Rechtfertigung
1987 Die Gnade
des Heiligen Geistes hat die Macht, uns zu rechtfertigen, das heißt von unseren
Sünden reinzuwaschen und uns „die Gerechtigkeit Gottes aus dem Glauben an Jesus
Christus" (Röm 3,22) und aus der Taufe [Vgl. Röm 6,3 - 4] zu schenken:
„Sind
wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, daß wir auch mit ihm leben
werden. Wir wissen, daß Christus, von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt;
der Tod hat keine Macht mehr über ihn. Denn durch sein Sterben ist er ein für
allemal gestorben für die Sünde, sein Leben aber lebt er für Gott. So sollt
auch ihr euch als Menschen begreifen, die für die Sünde tot sind, aber für Gott
leben in Christus Jesus" (Röm 6,8-11).
1988 Durch die
Macht des Heiligen Geistes nehmen wir am Leiden und an der Auferstehung Christi
teil, indem wir der Sünde sterben und zu einem neuen Leben geboren werden. Denn
wir sind die Glieder seines Leibes, der Kirche [Vgl. 1 Kor 12], und die
Rebzweige, die auf den Weinstock aufgepfropft sind, welcher er selbst ist [Vgl.
Joh 15,1-4].
„Durch
den Geist haben wir an Gott teil. Dadurch, daß wir am Geist teilhaben, werden
wir der göttlichen Natur teilhaftig ... Deswegen sind die, in denen der Geist
wohnt, vergöttlicht" (Athanasius, ep. Serap. 1,24).
1989 Das erste
Werk der Gnade des Heiligen Geistes ist die Bekehrung, die die Rechtfertigung
bewirkt, wie Jesus zu Beginn des Evangeliums angekündigt hat: „Kehrt um! Denn
das Himmelreich ist nahe" (Mt 4,17). Der Mensch wird von der Gnade dazu
bewogen, sich Gott zuzuwenden und von der Sünde Abstand zu nehmen. So empfängt
er die Vergebung und die Gerechtigkeit von oben. Darin besteht „die
Rechtfertigung selbst, die nicht nur Vergebung der Sünden ist, sondern auch
Heiligung und Erneuerung des inneren Menschen" (K. v. Trient: DS 1528).
1990 Die
Rechtfertigung löst den Menschen von der Sünde, die der Liebe zu Gott
widerspricht, und reinigt sein Herz. Die Rechtfertigung erfolgt auf die
Initiative der Barmherzigkeit Gottes hin, der die Vergebung anbietet. Sie
versöhnt den Menschen mit Gott, befreit von der Herrschaft der Sünde und heilt.
1991 Die
Rechtfertigung besteht zugleich darin, daß man durch den Glauben an Jesus
Christus die Gerechtigkeit Gottes aufnimmt. „Gerechtigkeit" besagt hier
die Geradheit der göttlichen Liebe. Bei der Rechtfertigung werden Glaube,
Hoffnung und Liebe in unsere Herzen gegossen und es wird uns geschenkt, dem
Willen Gottes zu gehorchen.
1992 Die
Rechtfertigung wurde uns durch das Leiden Christi verdient, der sich am Kreuz
als lebendige, heilige, Gott wohlgefällige Opfergabe dargebracht hat und dessen
Blut zum Werkzeug der Sühne für die Sünden aller Menschen geworden ist. Die
Rechtfertigung wird uns durch die Taufe, das Sakrament des Glaubens, gewährt.
Sie läßt uns der Gerechtigkeit Gottes gleichförmig werden, der uns durch die
Macht seiner Barmherzigkeit innerlich gerecht macht. Die Rechtfertigung hat die
Verherrlichung Gottes und Christi sowie die Gabe des ewigen Lebens zum Ziel
[Vgl. K. v. Trient: DS 1529].
„Jetzt
aber ist unabhängig vom Gesetz die Gerechtigkeit Gottes offenbart worden,
bezeugt vom Gesetz und von den Propheten: die Gerechtigkeit Gottes aus dem
Glauben an Jesus Christus, offenbart für alle, die glauben. Denn es gibt keinen
Unterschied: Alle haben gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren. Ohne es
verdient zu haben, werden sie gerecht, dank seiner Gnade, durch die Erlösung in
Christus Jesus. Ihn hat Gott dazu bestimmt, Sühne zu leisten mit seinem Blut,
5ühne, wirksam durch Glauben. So erweist Gott seine Gerechtigkeit durch die
Vergebung der Sünden, die früher, in der Zeit seiner Geduld, begangen wurden;
er erweist seine Gerechtigkeit in der gegenwärtigen zeit, um zu zeigen, daß er
gerecht ist und den gerecht macht, der an Jesus glaubt" (Röm 3,21-26).
1993 Die
Rechtfertigung begründet ein Zusammenwirken zwischen der Gnade Gottes und der
Freiheit des Menschen. Sie äußert sich dadurch, daß der Mensch dem Wort Gottes,
das ihn zur Umkehr auffordert, gläubig zustimmt und in der Liebe mit der
Anregung des Heiligen Geistes zusammenwirkt, der unserer Zustimmung zuvorkommt
und sie trägt.
„Wenn Gott
durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes das Herz des Menschen berührt,
bleibt einerseits der Mensch nicht ganz untätig, denn er nimmt ja jene
Eingebung auf, die er auch ablehnen könnte; anderseits kann er sich doch nicht
aus freiem Willen heraus ohne die Gnade Gottes zur Gerechtigkeit vor ihm
erheben" (K. v. Trient: DS 1525).
1994 Die
Rechtfertigung ist das erhabenste Werk der Liebe Gottes. Sie wird in Jesus
Christus geoffenbart und durch den Heiligen Geist gewährt. Der hl. Augustinus
ist der Ansicht, daß „die Rechtfertigung des Gottlosen ein größeres Werk ist
als die Erschaffung des Himmels und der Erde", denn „Himmel und Erde
werden vergehen, während das Heil und die Rechtfertigung der Auserwählten
bleiben werden" (ev. Jo. 72,3). Er meint sogar, die Rechtfertigung der
Sünder übertreffe die Erschaffung der Engel in Gerechtigkeit, da sie von einem
noch größeren Erbarmen zeuge.
1995 Der
Heilige Geist ist der innere Meister. Die Rechtfertigung läßt den „inneren Menschen"
erstehen (Röm 7,22; Eph 3,16) und bringt die Heiligung des ganzen menschlichen
Wesens mit sich.
„Wie ihr eure Glieder in den
Dienst der Unreinheit und der Gesetzlosigkeit gestellt habt, so daß ihr
gesetzlos wurdet, so stellt jetzt eure Glieder in den Dienst der Gerechtigkeit,
so daß ihr heilig werdet ... Jetzt, da ihr aus der Macht der Sünde befreit und
zu Sklaven Gottes geworden seid, habt ihr einen Gewinn, der zu eurer Heiligung
führt und das ewige Leben bringt" (Röm 6,19.22).
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