VI Das Sakrament der Buße und der Versöhnung
1440 Die Sünde
ist vor allem Beleidigung Gottes und Bruch der Gemeinschaft mit ihm.
Gleichzeitig beeinträchtigt sie die Gemeinschaft mit der Kirche. Darum führt
die Bekehrung zugleich die Vergebung Gottes und die Versöhnung mit der Kirche
herbei. Das Sakrament der Buße und der Versöhnung bringt das liturgisch zum
Ausdruck und bewirkt es [Vgl. LG 11].
Gott allein vergibt die Sünde
1441 Gott
allein kann Sünden vergeben [Vgl. Mk 2,7]. Weil Jesus der Sohn Gottes ist, sagt
er von sich, „daß der Menschensohn die Vollmacht hat, hier auf der Erde Sünden
zu vergeben" (Mk 2,10). Er übt diese göttliche Vollmacht aus:
„Deine
Sünden sind dir vergeben!" (Mk 2,5; Lk 7,48). Mehr noch: kraft seiner
göttlichen Autorität gibt er Menschen diese Vollmacht [Vgl. Joh 20, 21-23],
damit sie diese in seinem Namen ausüben.
1442 Christus
hat gewollt, daß seine Kirche als ganze in ihrem Gebet, ihrem Leben und Handeln
Zeichen und Werkzeug der Vergebung und Versöhnung sei, die er uns um den Preis
seines Blutes erworben hat. Er hat jedoch die Ausübung der Absolutionsgewalt
dem apostolischen Amt anvertraut. Dieses ist mit dem „Dienst der
Versöhnung" (2 Kor 5,18) beauftragt. Der Apostel ist „an Christi
Statt" gesandt; durch ihn ermahnt und bittet Gott selbst: „Laßt euch mit
Gott versöhnen!" (2 Kor 5,20).
Versöhnung mit der Kirche
1443 Während
seines öffentlichen Lebens vergab Jesus nicht nur Sünden, sondern zeigte auch
die Wirkung der Vergebung: Er gliederte die Sünder, denen er verziehen hatte,
wieder in die Gemeinschaft des Gottesvolkes ein, aus der die Sünde sie entfernt
oder sogar ausgeschlossen hatte. Ein offensichtliches Zeichen dafür ist es, daß
Jesus Sünder an seinen Tisch lädt, ja daß er sich selbst an ihren Tisch setzt -
eine Handlung, die auf ergreifende Weise zugleich die Vergebung durch Gott
[Vgl. Lk 15] und die Rückkehr in den Schoß des Volkes Gottes [Vgl. Lk 19,9.]zum
Ausdruck bringt.
1444 Indem der
Herr den Aposteln seine eigene Vollmacht, Sünden zu vergeben, mitteilt, gibt er
ihnen auch die Autorität, die Sünder mit der Kirche zu versöhnen. Dieser
kirchliche Aspekt ihrer Aufgabe äußert sich vor allem im feierlichen Wort
Christi an Simon Petrus: „Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben;
was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was
du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein" (Mt 16,19).
Es steht „fest, daß jenes Amt des Bindens und Lösens, das Petrus gegeben wurde,
auch dem mit seinem Haupt verbundenen Apostelkollegium zugeteilt worden ist
[Vgl. Mt 18,18; 28, 16-20]" (LG 22).
1445 Die Worte
binden und lösen besagen: Wen ihr aus eurer Gemeinschaft ausschließen werdet,
wird Gott auch aus der Gemeinschaft mit sich ausschließen; wen ihr von neuem in
eure Gemeinschaft aufnehmen werdet, wird auch Gott wieder in die Gemeinschaft
mit sich aufnehmen. Die Versöhnung mit der Kirche läßt sich von der Versöhnung
mit Gott nicht trennen.
Das Sakrament der Vergebung
1446 Christus
hat das Bußsakrament für alle sündigen Glieder seiner Kirche eingesetzt, vor
allem für jene, die nach der Taufe in schwere Sünde gefallen sind und so die Taufgnade
verloren und die kirchliche Gemeinschaft verletzt haben. Ihnen bietet das
Sakrament der Buße eine neue Möglichkeit, sich zu bekehren und die Gnade der
Rechtfertigung wiederzuerlangen. Die Kirchenväter stellen dieses Sakrament dar
als „die zweite [Rettungs]planke nach dem Schiffbruch des Verlusts der
Gnade" (Tertullian, pæn. 4,2) [Vgl. K. v. Trient: DS 1542].
1447 Im Lauf
der Jahrhunderte hat die konkrete Form, in der die Kirche diese vom Herrn
erhaltene Vollmacht ausübt, starke Veränderungen durchlaufen. Während der
ersten Jahrhunderte war die Versöhnung der Christen, die nach ihrer Taufe ganz
besonders schwere Sünden begangen hatten (etwa Götzendienst, Mord und
Ehebruch), an eine sehr strenge Disziplin gebunden: Die Pönitenten mußten für
ihre Sünden oft jahrelang öffentlich Buße tun, bevor sie Vergebung erhielten.
Zu diesem „Stand der Büßer" (der nur zur Buße für gewisse schwere Sünden
da war) wurde man nur selten, in gewissen Regionen sogar nur einmal im Leben
zugelassen. Von der monastischen Tradition des Ostens angeregt, brachten
während des 7. Jahrhunderts irische Missionare die Praxis der „Privatbuße"
nach Kontinentaleuropa. Diese verlangt keine langen öffentlichen Bußleistungen,
bevor man die Versöhnung mit der Kirche erlangt. Das Sakrament vollzieht sich
nun auf geheimere Weise zwischen dem Pönitenten und dem Priester. Diese neue
Praxis sah die Möglichkeit der Wiederholung vor und führte so zu einem
regelmäßigen Empfang des Bußsakramentes. Sie ermöglichte, die Vergebung schwerer
und läßlicher Sünden in einer einzigen Feier vorzunehmen. Das ist in großen
Linien die Form der Buße, die Kirche bis heute anwendet.
1448 Trotz
allen Veränderungen, welchen die Ordnung und die Feier dieses Sakramentes im
Laufe der Jahrhunderte unterworfen waren, erkennt man die gleiche
Grundstruktur. Sie enthält zwei Elemente, die gleichermaßen wesentlich sind:
einerseits das Handeln des Menschen, der sich unter dem Walten des Heiligen
Geistes bekehrt, nämlich Reue, Bekenntnis und Genugtuung; andererseits das
Handeln Gottes durch den Dienst der Kirche. Die Kirche, die durch den Bischof
und seine Priester im Namen Jesu Christi die Sündenvergebung schenkt und die
Art und Weise der Genugtuung bestimmt, betet zudem für den Sünder und leistet
mit ihm Buße. So wird der Sünder geheilt und wieder in die kirchliche
Gemeinschaft aufgenommen.
1449 Die
Absolutionsformel, die in der lateinischen Kirche verwendet wird, bringt die
wesentlichen Elemente dieses Sakramentes zum Ausdruck: Der Vater des Erbarmens
ist der Ursprung aller Vergebung. Er wirkt die Versöhnung der Sünder kraft des
Pascha seines Sohnes und der Gabe seines Geistes durch das Gebet und den Dienst
der Kirche:
„Gott,
der barmherzige Vater, hat durch den Tod und die Auferstehung seines Sohnes die
Welt mit sich versöhnt und den Heiligen Geist gesandt zur Vergebung der Sünden.
Durch den Dienst der Kirche schenke er dir Verzeihung und Frieden. So spreche
ich dich los von deinen Sünden im Namen des Vaters und des Sohnes und des
Heiligen Geistes."
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