Absatz 7 DER SÜNDENFALL
385 Gott ist
unendlich gut und alle seine Werke sind gut. Niemand entgeht jedoch der Erfahrung
des Leides, der natürlichen Übel - die mit den Grenzen der Geschöpfe gegeben zu
sein scheinen - und vor allem kann niemand dem Problem des sittlich Schlechten
ausweichen. Woher stammt das Böse? ,,Ich fragte nach dem Ursprung des Bösen,
doch es fand sich kein Ausweg", sagt der hl. Augustinus (conf. 7,7,11),
und sein schmerzliches Suchen wird erst in seiner Bekehrung zum lebendigen Gott
einen Ausweg finden. ,,Die geheime Macht der Gesetzwidrigkeit" (2 Thess
2,7) enthüllt sich nämlich nur im Licht des ,,Geheimnisses des Glaubens"
(1 Tim 3,16). Die in Christus geschehene Offenbarung der göttlichen Liebe zeigt
zugleich die Größe der Sünde und die Übergröße der Gnade [Vgl. Röm 5,20.]. Wenn
wir uns der Frage nach dem Ursprung des Bösen stellen, müssen wir also den
Blick unseres Glaubens auf den richten, der allein dessen Besieger ist [Vgl. Lk 11,21-11; Joh 16,11; 1 Joh 3,8.].
I Wo die Sünde groß wurde, ist
die Gnade übergroß geworden
Die Wirklichkeit der Sünde
386 In der
Geschichte des Menschen ist die Sünde gegenwärtig. Man würde vergeblich
versuchen, sie nicht wahrzunehmen oder diese dunkle Wirklichkeit mit anderen
Namen zu versehen. Um zu verstehen, was die Sünde ist, muß man zunächst den
tiefen Zusammenhang des Menschen mit Gott beachten. Sieht man von diesem
Zusammenhang ab, wird das Böse der Sünde nicht in ihrem eigentlichen Wesen -
als Ablehnung Gottes, als Widerstand gegen ihn - entlarvt, obwohl sie weiterhin
auf dem Leben und der Geschichte des Menschen lastet.
387 Was die
Sünde, im besonderen die Erbsünde, ist, sieht man nur im Licht der göttlichen
Offenbarung. Diese schenkt uns eine Erkenntnis Gottes, ohne die man die Sünde
nicht klar wahrnehmen kann und ohne die man versucht ist, Sünde lediglich als eine
Wachstumsstörung, eine psychische Schwäche, einen Fehler oder als die
notwendige Folge einer unrichtigen Gesellschaftsstruktur zu erklären. Nur in
Kenntnis dessen, wozu Gott den Menschen bestimmt hat, erfaßt man, daß die Sünde
ein Mißbrauch der Freiheit ist, die Gott seinen vernunftbegabten Geschöpfen
gibt, damit sie ihn und einander lieben können.
Die Erbsünde - eine wesentliche
Glaubenswahrheit
388 Mit dem
Fortschreiten der Offenbarung wird auch die Wirklichkeit der Sünde erhellt.
Obwohl das Gottesvolk des Alten Bundes im Licht der im Buche Genesis erzählten
Geschichte vom Sündenfall die menschliche Daseinsverfassung irgendwie erkannte,
konnte es den letzten Sinn dieser Geschichte nicht erfassen; dieser tritt erst
im Licht des Todes und der Auferstehung Jesu Christi zutage [Vgl. Röm 5,
12-21.]. Man muß Christus als den Quell der Gnade kennen, um Adam als den Quell
der Sünde zu erkennen. Der Heilige Geist, den der auferstandene Christus uns
sendet, ist gekommen, um ,,die Welt der Sünde zu überführen" (Joh 16,8),
indem er den offenbart, der von der Sünde erlöst.
389 Die Lehre
von der Erbsünde [oder Ursünde] ist gewissermaßen die ,,Kehrseite" der
frohen Botschaft, daß Jesus der Retter aller Menschen ist, daß alle des Heils
bedürfen und daß das Heil dank Christus allen angeboten wird. Die Kirche, die
den ,,Sinn Christi" [Vgl. 1 Kor 2,16.] hat, ist sich klar bewußt, daß man
nicht an der Offenbarung der Erbsünde rühren kann, ohne das Mysterium Christi
anzutasten.
Die Erzählung vom Sündenfall
390 Der Bericht
vom Sündenfall [Gen 3]verwendet eine bildhafte Sprache, beschreibt jedoch ein
Urereignis, das zu Beginn der Geschichte des Menschen stattgefunden hat [Vgl.
GS 13,1.]. Die Offenbarung gibt uns die Glaubensgewißheit, daß die ganze
Menschheitsgeschichte durch die Ursünde gekennzeichnet ist, die unsere
Stammeltern freiwillig begangen haben [Vgl. K. v. Trient: DS 1513; Pius XII.,
Enz. ,,Humani Generis": DS 3897; Paul VI., Ansprache vom 11. Juli 1966.].
II Der Fall der Engel
391 Hinter der
Entscheidung unserer Stammeltern zum Ungehorsam steht eine verführerische
widergöttliche Stimme [Vgl. Gen 3,1-5.], die sie aus Neid in den Tod fallen
läßt [Vgl. weish 2,24]. Die Schrift und die Überlieferung der Kirche erblicken
in diesem Wesen einen gefallenen Engel, der Satan oder Teufel genannt wird
[Vgl. Joh 8,44; Offb 12,9.]. Die Kirche lehrt, daß er zuerst ein von Gott
erschaffener guter Engel war. ,,Die Teufel und die anderen Dämonen wurden zwar
von Gott ihrer Natur nach gut geschaffen, sie wurden aber selbst durch sich
böse" (4. K. im Lateran 1215: DS 800).
392 Die Schrift
spricht von einer Sünde der gefallenen Engel [Vgl. 2 Petr 2,4.]. Ihr
,,Sündenfall" besteht in der freien Entscheidung dieser geschaffenen
Geister, die Gott und sein Reich von Grund auf und unwiderruflich zurückwiesen.
Wir vernehmen einen Widerhall dieser Rebellion in dem, was der Versucher zu
unseren Stammeltern sagte: ,,Ihr werdet sein wie Gott" (Gen 3,5). Der
Teufel ist ,,Sünder von Anfang an" (1 Joh 3,8), ,,der Vater der Lüge"
(Joh 8,44).
393 Wegen des
unwiderruflichen Charakters ihrer Entscheidung und nicht wegen eines Versagens
des unendlichen göttlichen Erbarmens kann die Sünde der Engel nicht vergeben
werden. ,,Es gibt für sie nach dem Abfall keine Reue, so wenig wie für die
Menschen nach dem Tode" (Johannes v. Damaskus, f. o. 2,4).
394 Die Schrift
bezeugt den unheilvollen Einfluß dessen, den Jesus den ,,Mörder von Anfang
an" nennt (Joh 8,44) und der sogar versucht hat, Jesus von seiner vom
Vater erhaltenen Sendung abzubringen [Vgl. Mt 4,1-11.]. ,,Der Sohn Gottes aber
ist erschienen, um die Werke des Teufels zu zerstören" (1 Joh 3,8). Das
verhängnisvollste dieser Werke war die lügnerische Verführung, die den Menschen
dazu gebracht hat, Gott nicht zu gehorchen.
395 Die Macht
Satans ist jedoch nicht unendlich. Er ist bloß ein Geschöpf; zwar mächtig, weil
er reiner Geist ist, aber doch nur ein Geschöpf: er kann den Aufbau des Reiches
Gottes nicht verhindern. Satan ist auf der Welt aus Haß gegen Gott und gegen
dessen in Jesus Christus grundgelegtes Reich tätig. Sein Tun bringt schlimme
geistige und mittelbar selbst physische Schäden über jeden Menschen und jede
Gesellschaft. Und doch wird dieses sein Tun durch die göttliche Vorsehung
zugelassen, welche die Geschichte des Menschen und der Welt kraftvoll und milde
zugleich lenkt. Daß Gott das Tun des Teufels zuläßt, ist ein großes Geheimnis,
aber ,,wir wissen, daß Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten
führt" (Röm 8,28).
III Die Erbsünde
Die Prüfung der Freiheit
396 Gott hat
den Menschen nach seinem Bilde geschaffen und in seine Freundschaft aufgenommen.
Als geistbeseeltes Wesen kann der Mensch diese Freundschaft nur in freier
Unterordnung unter Gott leben. Das kommt darin zum Ausdruck, daß den Menschen
verboten wird, vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen, ,,denn sobald
du davon ißt, wirst du sterben" (Gen 2,17). Dieser ,,Baum der Erkenntnis
von Gut und Böse" erinnert sinnbildlich an die unüberschreitbare Grenze,
die der Mensch als Geschöpf freiwillig anerkennen und vertrauensvoll achten
soll. Der Mensch hängt vom Schöpfer ab, er untersteht den Gesetzen der
Schöpfung und den sittlichen Normen, die den Gebrauch der Freiheit regeln.
Die
erste Sünde des Menschen
397 Vom Teufel
versucht, ließ der Mensch in seinem Herzen das Vertrauen zu seinem Schöpfer
sterben [Vgl. Gen 3,1.], mißbrauchte seine Freiheit und gehorchte dem Gebot
Gottes nicht. Darin bestand die erste Sünde des Menschen [Vgl. Röm 5,19.].
Danach wird jede Sünde Ungehorsam gegen Gott und Mangel an Vertrauen auf seine
Güte sein.
398 In dieser
Sünde zog der Mensch sich selbst Gott vor und mißachtete damit Gott: er
entschied sich für sich selbst gegen Gott, gegen die Erfordernisse seines
eigenen Geschöpfseins und damit gegen sein eigenes Wohl. In einem Zustand der
Heiligkeit erschaffen, war der Mensch dazu bestimmt, von Gott in der
Herrlichkeit völlig ,,vergöttlicht" zu werden. Vom Teufel versucht, wollte
er ,,wie Gott sein" [Vgl. Gen 3,5.], aber ,,ohne Gott und vor Gott und
nicht Gott gemäß" (Maximus der Bekenner, ambig.).
399 Die Schrift
zeigt die verhängnisvollen Folgen dieses ersten Ungehorsams. Adam und Eva
verlieren sogleich die Gnade der ursprünglichen Heiligkeit [Vgl. Röm 3,23]. Sie
fürchten sich vor Gott [Vgl. Gen 3,9-10], von dem sie sich das Zerrbild eines
Gottes gemacht haben, der auf seine Vorrechte eifersüchtig bedacht ist [Vgl.
Gen 3,5.].
400 Die
Harmonie, die sie der ursprünglichen Gerechtigkeit verdankten, ist zerstört;
die Herrschaft der geistigen Fähigkeiten der Seele über den Körper ist gebrochen
[Vgl. Gen 3,7.]die Einheit zwischen Mann und Frau ist Spannungen unterworfen
[Vgl. Gen 3,11-13.]ihre Beziehungen sind gezeichnet durch Begierde und
Herrschsucht. Auch die Harmonie mit der Schöpfung ist zerbrochen: die sichtbare
Schöpfung ist dem Menschen fremd und feindlich geworden [Vgl. Gen 3,17.19.].
Wegen des Menschen ist die Schöpfung der Knechtschaft ,,der Vergänglichkeit
unterworfen" (Röm 8,20). Schließlich wird es zu der Folge kommen, die für
den Fall des Ungehorsams ausdrücklich vorhergesagt worden war: der Mensch
,,wird zum Erdboden zurückkehren, von dem er genommen ist" (Gen 3,19). Der
Tod hält Einzug in die Menschheitsgeschichte [Vgl. Röm 5,12.].
401 Seit dieser
ersten Sünde überschwemmt eine wahre Sündenflut die Welt: Kam ermordet seinen
Bruder Abel [Vgl. Gen 4,3-15.]; infolge der Sünde werden die Menschen ganz
allgemein verdorben [Vgl. Gen 6,5.12; Röm 1,18-32.]in der Geschichte Israels
äußert sich die Sünde oft - vor allem als Untreue gegenüber dem Gott des Bundes
und als Übertretung des mosaischen Gesetzes; und selbst nach der Erlösung durch
Christus sündigen auch die Christen auf vielerlei Weisen [Vgl. 1 Kor 1-6; Offb
2-3.]. Die Schrift und die Überlieferung der Kirche erinnern immer wieder
daran, daß es Sünde gibt und daß sie in der Geschichte des Menschen allgemein
verbreitet ist.
,,Was
uns aufgrund der göttlichen Offenbarung bekannt wird, stimmt mit der Erfahrung
selbst überein. Denn der Mensch erfährt sich, wenn er in sein Herz schaut, auch
zum Bösen geneigt und in vielfältige Übel verstrickt, die nicht von seinem
guten Schöpfer herkommen können. Oft weigert er sich, Gott als seinen Ursprung
anzuerkennen; er durchbricht dadurch auch die gebührende Ausrichtung auf sein
letztes Ziel, zugleich aber auch seine ganze Ordnung gegenüber sich selbst wie
gegenüber den anderen Menschen und allen geschaffenen Dingen" (GS 13,1).
Folgen der Sünde Adams für die
Menschheit
402 Alle
Menschen sind in die Sünde Adams verwickelt. Der hl. Paulus sagt: ,,Durch den
Ungehorsam des einen Menschen" wurden ,,die vielen (das heißt alle
Menschen] zu Sündern" (Röm 5,19). ,,Durch einen einzigen Menschen kam die
Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod, und auf diese Weise gelangte der
Tod zu allen Menschen, weil alle sündigten" (Röm 5,12). Der Universalität
der Sünde und des Todes setzt der Apostel die Universalität des Heils in
Christus entgegen: ,,Wie es durch die Übertretung eines einzigen für alle Menschen
zur Verurteilung kam, so wird es auch durch die gerechte Tat eines einzigen
(die Tat Christi] für alle Menschen zur Gerechtsprechung kommen, die Leben
gibt" (Röm 5,18).
403 Im Anschluß
an den hl. Paulus lehrte die Kirche stets, daß das unermeßliche Elend, das auf
den Menschen lastet, und ihr Hang zum Bösen und zum Tode nicht verständlich
sind ohne den Zusammenhang mit der Sünde Adams und mit dem Umstand, daß dieser
uns eine Sünde weitergegeben hat, von der wir alle schon bei der Geburt betroffen
sind und ,,die der Tod der Seele" ist [Vgl. K. v. Trient: DS 1512.]. Wegen
dieser Glaubensgewißheit spendet die Kirche die Taufe zur Vergebung der Sünden
selbst kleinen Kindern, die keine persönliche Sünde begangen haben [Vgl. K. v.
Trient: DS 1514].
404 Wieso ist
die Sünde Adams zur Sünde aller seiner Nachkommen geworden? Das ganze
Menschengeschlecht ist in Adam ,,wie der eine Leib eines einzelnen
Menschen" (Thomas v. A., mal. 4,1). Wegen dieser ,,Einheit des
Menschengeschlechtes" sind alle Menschen in die Sünde Adams verstrickt, so
wie alle in die Gerechtigkeit Christi einbezogen sind. Die Weitergabe der
Erbsünde ist jedoch ein Geheimnis, das wir nicht völlig verstehen können. Durch
die Offenbarung wissen wir aber, daß Adam die ursprüngliche Heiligkeit und
Gerechtigkeit nicht für sich allein erhalten hatte, sondern für die ganze
Menschennatur. Indem Adam und Eva dem Versucher nachgeben, begehen sie eine
persönliche Sünde, aber diese Sünde trifft die Menschennatur, die sie in der
Folge im gefallenen Zustand weitergeben [Vgl. K. v. Trient: DS 1511-1512.]. Sie
ist eine Sünde, die durch Fortpflanzung an die ganze Menschheit weitergegeben
wird, nämlich durch die Weitergabe einer menschlichen Natur, die der
ursprünglichen Heiligkeit und Gerechtigkeit ermangelt. Deswegen ist die
Erbsünde ,,Sünde" in einem übertragenen Sinn: Sie ist eine Sünde, die man
,,miterhalten", nicht aber begangen hat, ein Zustand, keine Tat.
405 Obwohl
,,einem jeden eigen" [Vgl. K. v. Trient: DS 1513.], hat die Erbsünde bei
keinem Nachkommen Adams den Charakter einer persönlichen Schuld. Der Mensch
ermangelt der ursprünglichen Heiligkeit und Gerechtigkeit, aber die menschliche
Natur ist nicht durch und durch verdorben, wohl aber in ihren natürlichen
Kräften verletzt. Sie ist der Verstandesschwäche, dem Leiden und der Herrschaft
des Todes unterworfen und zur Sünde geneigt; diese Neigung zum Bösen wird
,,Konkupiszenz" genannt. Indem die Taufe das Gnadenleben Christi spendet,
tilgt sie die Erbsünde und richtet den Menschen wieder auf Gott aus, aber die
Folgen für die Natur, die geschwächt und zum Bösen geneigt ist, verbleiben im
Menschen und verpflichten ihn zum geistlichen Kampf.
406 Die Lehre
der Kirche über die Weitergabe der Ursünde ist vor allem im 5. Jahrhundert
geklärt worden, besonders unter dem Anstoß des antipelagianischen Denkens des
hl. Augustinus, und im 16. Jahrhundert im Widerstand gegen die Reformation.
Pelagius vertrat die Ansicht, der Mensch könne allein schon durch die
natürliche Kraft seines freien Willens, ohne der Gnadenhilfe Gottes zu
bedürfen, ein sittlich gutes Leben führen, und beschränkte so den Einfluß der
Sünde Adams auf den eines schlechten Beispiels. Die ersten Reformatoren dagegen
lehrten, der Mensch sei durch die Erbsünde von Grund auf verdorben und seine
Freiheit sei zunichte gemacht worden. Sie identifizierten die von jedem
Menschen ererbte Sünde mit der Neigung zum Bösen, der Konkupiszenz, die
unüberwindbar sei. Die Kirche hat sich insbesondere 529 auf der zweiten Synode
von Orange [Vgl. DS 371-372.]und 1546 auf dem Konzil von Trient [Vgl. DS
1510-1516.] über den Sinngehalt der Offenbarung von der Erbsünde ausgesprochen.
Ein harter Kampf ...
407 Die Lehre
von der Erbsünde - in Verbindung mit der Lehre von der Erlösung durch Christus
- gibt einen klaren Blick dafür, wie es um den Menschen und sein Handeln in der
Welt steht. Durch die Sünde der Stammeltern hat der Teufel eine gewisse
Herrschaft über den Menschen erlangt, obwohl der Mensch frei bleibt. Die
Erbsünde führt zur ,,Knechtschaft unter der Gewalt dessen, der danach ,die
Herrschaft des Todes innehatte, das heißt des Teufels‘ (Hebr 2,14)" (K. v.
Trient: DS 1511). Zu übersehen, daß der Mensch eine verwundete, zum Bösen geneigte
Natur hat, führt zu schlimmen Irrtümern im Bereich der Erziehung, der Politik,
des gesellschaftlichen Handelns [Vgl. CA 25.] und der Sittlichkeit.
408 Die Folgen
der Erbsünde und aller persönlichen Sünden der Menschen bringen die Welt als
Ganze in eine sündige Verfassung, die mit dem Evangelisten Johannes ,,die Sünde
der Welt" (Joh 1,29) genannt werden kann. Mit diesem Ausdruck bezeichnet
man den negativen Einfluß, den die Gemeinschaftssituationen und
Gesellschaftsstrukturen, die aus den Sünden der Menschen hervorgegangen sind,
auf die Menschen ausüben [Vgl. RP 16].
409 Diese
dramatische Situation der ,,ganzen Welt", die ,,unter der Gewalt des
Bösen" steht (1 Joh 5,19) [Vgl. 1 Petr 5,8.], macht das Leben des Menschen
zu einem
Kampf:
,,Die
gesamte Geschichte der Menschen durchzieht nämlich ein hartes Ringen gegen die
Mächte der Finsternis, ein Ringen, das schon am Anfang der Welt begann und nach
dem Wort des Herrn bis zum letzten Tag andauern wird. In diesen Streit
hineingezogen, muß sich der Mensch beständig darum bemühen, dem Guten
anzuhangen, und er kann nicht ohne große Anstrengung in sich mit Gottes
Gnadenhilfe die Einheit erlangen" (GS 37,2).
IV ,,Du hast ihn nicht der Macht
des Todes überlassen"
410 Nach seinem
Fall wurde der Mensch von Gott nicht aufgegeben. Im Gegenteil, Gott ruft ihn
[Vgl. Gen 3,9.]und kündigt ihm auf geheimnisvolle Weise den Sieg über das Böse
und die Erhebung aus seinem Fall an. Diese Stelle des Buches Genesis [Gen
3,15.]wird ,,Protoevangelium" genannt, da sie die erste Ankündigung des
erlösenden Messias sowie eines Kampfes zwischen der Schlange und der Frau und
des Endsieges eines Nachkommens der Frau ist.
411 Die
christliche Überlieferung sieht in dieser Stelle die Ankündigung des ,,neuen
Adam" [Vgl.1 Kor 15,21-22.45.], der durch seinen ,,Gehorsam bis zum Tod am
Kreuz" (Phil 2,8) den Ungehorsam Adams mehr als nur wiedergutmacht [Vgl.
Röm 5,19-20.]. Übrigens sehen zahlreiche Kirchenväter und -lehrer in der im
,,Protoevangelium" angekündigten Frau die Mutter Christi, Maria, als die
,,neue Eva". Ihr ist als erster und auf einzigartige Weise der von
Christus errungene Sieg über die Sünde zugute gekommen: sie wurde von jeglichem
Makel der Erbsünde unversehrt bewahrt [Vgl. Pius IX.: DS 2803.] und beging
durch eine besondere Gnade Gottes während ihres ganzen Erdenlebens keinerlei
Sünde [Vgl. K. v. Trient: DS 1573.].
412 Aber warum
hat Gott den ersten Menschen nicht daran gehindert, zu sündigen? Der hl. Leo
der Große antwortet: ,,Wertvoller ist das, was uns durch die unbeschreibliche
Gnade des Herrn zuteil wurde, als was wir durch des Teufels Neid verloren
hatten" (serm. 73,4). Und der hl. Thomas von Aquin:
,,Auch
nach der Sünde blieb die Möglichkeit einer Höherführung der Natur. Gott läßt ja
das Böse nur zu, um etwas Besseres daraus entspringen zu lassen: ,Wo die Sünde
mächtig wurde, ist die Gnade übergroß geworden‘ (Röm 5,20). Darum wird bei der
Weihe der Osterkerze gesungen: ,O glückliche Schuld, die einen solchen großen
Erlöser zu haben verdient hat!"‘ (s.th.3,1,3 ad 3).
KURZTEXTE
413 „Gott hat den Tod nicht
gemacht und hat keine Freude am Untergang der Lebenden ... Doch durch den Neid
des Teufels kam der Tod in die Welt " (Weish 1,13; 2,24).
414 Satan oder der Teufel und
die weiteren Dämonen waren einst Engel, sind aber gefallen, weil sie sich aus
freiem Willen weigerten, Gott und seinem Ratschluß zu dienen. Ihre Entscheidung
gegen Gott ist endgültig. Sie suchen, den Menschen in ihren Aufstand gegen Gott
hineinzuziehen.
415 „Obwohl in Gerechtigkeit
von Gott begründet, hat der Mensch dennoch auf Anraten des Bösen gleich von
Anfang der Geschichte an seine Freiheit mißbraucht, indem er sich gegen Gott
erhob und sein Ziel außerhalb Gottes erreichen wollte" (GS 13,1).
416 Durch seine Sünde hat Adam
als erste Mensch die ursprüngliche Heiligkeit verloren, die er von Gott nicht
nur für sich, sondern für alle Menschen erhalten hatte.
417 Adam und Eva haben ihren
Nachkommen die durch ihre erste Sünde verwundete, also der ursprünglichen
Heiligkeit und Gerechtigkeit ermangelnde menschliche Natur weitergegeben.
Dieser Mangel wird „Erbsünde" genannt.
418 Infolge der Erbsünde ist
die menschliche Natur in ihren Kräften geschwächt, der Unwissenheit, dem Leiden
und der Herrschaft des Todes unterworfen und zur Sünde geneigt. Diese Neigung
heißt „Konkupiszenz".
419 „Wir halten, dem Konzil von
Trient folgend, daran fest, daß die Erbsünde zusammen mit der menschlichen
Natur durch Fortpflanzung übertragen wird und nicht etwa bloß durch Nachahmung,
und daß sie jedem Menschen als ihm eigen innewohnt" (SPF 16).
420 Der Sieg Christi über die
Sünde hat uns bessere Güter gegeben als die, welche die Sünde uns weggenommen
hatte. „Wo die Sünde mächtig wurde, da ist die Gnade übergroß geworden"
(Röm 5,20).
421 „Nach dem Glauben der
Christen wird die Welt von der Liebe des Schöpfers begründet und erhalten. Sie
steht zwar unter der Knechtschaft der Sünde, wurde aber von Christus, dem
Gekreuzigten und Auferstandenen, durch Brechung der Macht des Bösen
befreit" (GS 2,2).
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